Hebert George Wells ist als Autor bekannt für sein Buch die Zeitmaschine und die Invasion der Erde durch die Marsianer, im Krieg der Welten. Weniger bekannt ist, dass er auch Sachbücher geschrieben hat, darunter “A Short History of the World” (der Link führt zu Gutenberg.org, wo man das Buch in diversen Formaten herunter laden kann). So unglaublich kurz ist sie mit über 400 Seiten nicht, aber absolut lesenswert. Geschrieben wurde das Buch im Jahr 1922, kurz nach dem Großen Krieg, wie er damals noch genannt wurde.

Spannend ist schon der Anfang, der freilich hauptsächlich deswegen spannend ist, weil das Buch mit der Entstehung der Erde beginnt und man zu dieser Zeit noch wenig davon wusste. 1922 wusste man noch nicht, dass Spiralnebel Galaxien wie unsere Milchstraße sind. Man glaubte, es wären Sterne in der Entstehungsphase.

Das ist der Punkt an dem man erwähnen sollte, dass das Buch durch Photographien illustiert ist. Wir sind immerhin im 20. Jahrhundert und HG Wells machte von der verfügbaren Technik gebrauch. So zieren den Anfang des Buchs eine Reihe Bilder von Galaxien die 1920 von Ritchey und Hale aufgenommen wurden. Darunter Schmuckstücke wie M51, M64, M83 und der Pferdekopfnebel.

Aber alles in allem schlägt sich das Buch nicht schlecht. Zumindest hätte man schlimmeres vermuten können. Natürlich gibt es keine Plattentektonik und die Erde ist etwa 3 mal so alt wie in dem Buch angegeben, aber die etwas nähere Geschichte ist zeitlich nicht grob daneben. Das Aussterben der Dinosaurier wurde beispielsweise im Rahmen von 40-80mio Jahren vor unserer Zeit verortet.

Die Darstellung der Menschlichen Geschichte ist auch bei Wells letztlich Eurozentrisch, wenn auch viel weniger als im europäischen Geschichtsunterricht oder der alten Zeichentrickserie “Es war einmal … der Mensch“. Was jetzt nicht soo schwer ist, wenn man bedenkt, dass dort ab der 5. Episode fast nur noch über Europa gesprochen wird. Fast möchte man ihm durchgehen lassen, dass er bis zum 19. Jahrhundert praktisch nichts über Geschichte Afrikas südlich von Ägypten sagt, aber auch damals waren die Reiseberichte von Ibn Battuta bekannt und sicher auch einiges mehr. Die Geschichte der Amerikanischen Ureinwohner wird auch nur oberflächlich abgehandelt, aber immerhin existiert sie.

Im Vergleich zum allgemeinen Geschichtsunterricht sehr wohltuend ist die Behandlung von China und Indien. Tatsächlich lieferte HG Wells hier eine viel bessere Arbeit ab, als alles das man über das hiesige Verständnis der beiden Bevölkerungsreichsten Länder der Welt sagen könnte. Dazu brauchte es aber auch nicht viel, denn beide Länder verschwanden offenbar in den letzten 100 Jahren vollkommen aus dem europäischen Bewusstsein.

Wells schafft es immer wieder zumindest in kurzen Zusammenfassungen auf China hinzuweisen, auch wenn das alte China der Zeit von Konfuzius viel besser beschrieben wird als alle nachfolgende Geschichte. Es werden immerhin alle wichtigen Dynastien von China genannt. Die Tatsache, dass soetwas bemerkenswert ist, ist allein schon bemerkenswert. (Und so schwer ist es doch gar nicht: Shang, Zhou, Qin, Han, Sui, Tang, Song, Yuan, Ming und Qing – ehrlich. Man muss nur wissen, was in den Dynastien passiert ist, dann merken sich die Namen wie von allein.)

Allerdings ist auch das Muster klar, nachdem das geschieht. China wird erwähnt, wenn es irgendwie für die Geschichte relevant ist, oder wenn man es irgendwie mit dem eurozentrischen Haupterzählstrang verbinden kann. Es ist selbstverständlich, dass die Darstellung China damit nicht im Ansatz die Tiefe erreicht, wie es Europäische oder arabische Länder tun, aber es kommt als Subjekt der Geschichte vor und nicht nur als Objekt.

Die Anfänge der indischen und chinesischen Geschichte werden offenbar aus dem gleichen Motiv dargestellt: Man will die wichtigsten Philosophien und Religionen der Welt zeigen. Dabei dürfen weder Konfuzuis noch Lao Tze oder der Buddha fehlen. Die Herrschaft Asokas und die indische Gesellschaft wird kurz dargestellt, aber danach kommt sehr wenig, einmal abgesehen von der Tatsache, dass Indien nie von den Römern erobert wurde. Dann aber finden die Portugiesen den Weg nach Indien und ein Nachfahre von Tamerlane (seinerseits Nachfahre von Genghis Khan) erobert Indien. Aus dem Namen der Mongolen wird dabei Mughal und daraus “Mogul”. Die Mogule spielen dann wieder eine wichtige Rolle bei der Unterwerfung Indiens durch die Briten.

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Kommentare (9)

  1. #1 BreitSide
    Beim Deich
    21. September 2015

    HGWells Erinnert mich etwas an Jules Verne, der ja auch erstaunliche Voraussagen fabriziert hatte.

    • #2 wasgeht
      21. September 2015

      Das liegt an der Zeit. Die Entwicklungen im 19. Jahrhundert waren für alle gleich und sehr vieles war in der einen oder anderen Form absehbar. Keinen Krieg in Europa zu haben wäre damals die größere Überraschung gewesen. Die etwas dümmlicheren Vorhersagen der Zeit stehen meistens in Büchern, die sich nicht bis heute erhalten haben.

      Im übrigen bin ich geneigt dgbrt zuzustimmen. Schau doch einfach ab und zu auf der Seite vorbei, wenn dich die Kommentare in einem Artikel interessieren. Die Abofunktion ist eigentlich dafür gedacht, dass man Antworten auf eigene Kommentare per Mail mitbekommt, damit man dann antworten kann.

      • #3 BreitSide
        Beim Deich
        21. September 2015

        Danke, damals war ja auch noch eine fast unbegrenzte Technikgläubigkeit und -faszination (Zumindest, wenn man sich das leisten konnte…). Ich komme aber auf keinen Visionär, der später im 20. Jahrhundert genauso weit und korrekt vorausgesehen hätte.

        Zum Abo: Also Ihr seid die ersten beiden, die sich überhaupt hier über so eine Petitesse aufregen. Was hindert Euch, darüber hinwegzulesen? Schaut mal in andere Freds, welche Unverschämtheiten da aufschlagen. Ich hätte auch gerne einen einfachen Knopf, auf dem “Abo” steht, ohne dass ich was schreiben muss.

        Wofür die Abofunktion “eigentlich” ist, sollte vielleicht von berufener Stelle geklärt werden?

      • #4 rolak
        21. September 2015

        Die Abofunktion ist eigentlich dafür gedacht, dass man Antworten auf eigene Kommentare per Mail mitbekommt, damit man dann antworten kann.

        Das steht da unten aber etwas anders, wasgeht:

        Benachrichtige mich über nachfolgende Kommentare via E-Mail

        Rein zeitlich, keineswegs beschränkt auf Antworten auf einen bestimmten Kommentar.

        • #5 wasgeht
          21. September 2015

          Ich bin leider an die WordPress-Implementation von Scienceblogs gebunden, so wie sie ist. Wenn ich es einrichten könnte, könnte man jederzeit den Schalter benutzen, egal ob man kommentiert hat oder nicht.

          Ich kenne aber auch kein anderes WordPressblog, in dem das gelöst wäre.

          Tatsächlich sind einzelene “Abo” Kommentare eine Petitesse. Deswegen schrieb ich ja auch nur, dass ich dazu geneigt bin. Wenn es mehr als eins wäre, dann wären sie einfach nur noch nervig.

          Deswegen nehmt es einfach als Bitte. Wer Kommentarthreads verfolgen will, in denen man selbst nichts kommentiert hat, der schaue doch einfach ein paar mal im Artikel vorbei. (Bringt nebenbei auch ein paar mehr Klicks für den Blog, was an sich auch hilfreich ist. Aber wie gesagt, wenn ich könnte, würde einen Button für alle machen … ich kann nur leider nicht.)

        • #6 rolak
          21. September 2015

          Ich kenne aber auch kein anderes WordPressblog, in dem das gelöst wäre.

          Och, diese Wissenslücke kann zügig gefüllt werden, wasgeht, guckst Du.

          paar mehr Klicks

          Das wiederum hängt von der Einstellung des DoppelGuck-Filters ab – bei thread-WiederAufruf, also schlimmstenfalls konstanter IP, nicht gelöschtem cookie und identischer Aufruf-url siehts eher duster aus. Reaktionen auf gemailte Kommentare weichen von diesem Zustand prinzipiell ab…

          Diese Abofunktion ist imho die Mitlese&Erinnerungs-Krücke für diejenigen, die sich ihren (Kommentare zu sämtlichen threads liefernden) feedreader nicht programmieren wollen (bzw können).

          • #7 BreitSide
            Beim Deich
            21. September 2015

            Schön formuliert, danke, rolak! Genau so sehe ich das :-)

  2. #8 Turi
    21. September 2015

    ich finde es angemessen, die Fehler, den Rassismus, et al. auch in alten Werken zu kritisieren. Zum einen, um auf zu zeigen wo, wenn überhaupt, wir unser Verständnis weiterentwickelt haben. Und zum anderen, um Missstände in der modernen Gesellschaft hervorzuheben. Dafür sind solche Beispiele gut geeignet, da sie meistens weniger Emotional aufgeladen sind.
    Kaum einer wird bestreiten, das die Wissenschaftsgemeinde zu Zeiten Curis sehr frauenfeindlich war. Durch dem Vergleich mit der heutigen Gemeinde lässt sich feststellen, was sich bisher geändert hat und was sich noch alles ändern muss.
    Die Aussage “Die aktuelle Wissenschaftsgemeinde, vor allem in MINT Fächern, ist frauenfeindlich” führt meistens nur zu einer Abwehrhaltung. Auch wenn sie statistisch belegt ist.

    • #9 wasgeht
      21. September 2015

      Kritisieren sollte man es auch. Aber man sollte es nicht tun, um sich selbst über diese Leute zu stellen. Denn höchstwahrscheinlich ist man in anderen Ecken nicht viel besser.