Googles Programm Alpha Go hat zum zweiten Mal gegen Lee Sedol gespielt, einen der besten Go-Spieler der Welt. Bis vor kurzem waren Profispieler in diesem Spiel von Computern ungeschlagen. In einem Match von fünf Spielen geht es nun um eine Million Dollar. Aber auch im zweiten Spiel des Matchs konnte Lee Sedol keinen Sieg davontragen.

Titelbild: Lee Sedol (links) auf der Pressekonferenz nach dem Spiel. Dieser Artikel ist auch auf Golem.de erschienen.

Alpha Go begann das zweite Spiel mit den schwarzen Steinen. Sie hatte also am Anfang die Initiative – und gab sie bis zum Ende nicht mehr ab. Zum ersten Mal konnte Alpha Go damit die Eröffnung maßgeblich bestimmen.

Hier zeigten sich wesentliche Unterschiede zu den Spielen zwischen Alpha Go und Fan Hui im Oktober. Damals hielt sich die künstliche Intelligenz ganz wesentlich an bekannte Eröffnungen und Abspiele. Sie benutzte im gesamten Spiel eine sehr konservative Spielweise, die einige deutliche Schwächen zeigte. Inzwischen hat das Programm diese Schwächen überwunden.

Der Auftakt von Alpha Go war kreativ: Sie begann zunächst mit einer bekannten Eröffnung, auf den 4-4 und 3-4 Punkten, entlang der oberen Seite des Bretts. Alpha Go griff dann die Ecken des Gegners an und unterbrach den Angriff auf die zweite Ecke um die orthodoxe Eröffnung mit einem weiteren Zug zu einer chinesischen Eröffnung zu verwandeln, die auf starken Einfluss entlang er gesamten Seite abzielt. Im Allgemeinen wird die chinesische Eröffnung gleich im mit dem dritten Spielzug vollendet.

Einen Angriff auf die untere linke Ecke ignorierte das Programm zunächst, um seine Steine vom abgebrochenen Angriff in der rechten Ecke mit einem sehr direkten Angriff zu stärken. Ein ungewöhnlicher neuer Zug, der von typischen Abspielen (Joseki) in der Ecke abweicht, aber eine Antwort erforderte. Michael Redmond kommentierte ihn damit, dass Go-Spieler genau wegen solcher Züge Profis werden. Sie mögen neuen Strategien und lieben es, über sie nachzudenken.

Anschließend wandte sich Alpha Go wieder der unteren linken Ecke zu. Dieser Angriff hinterließ aber eine schwache Gruppe, was im Verlauf eines Go-Spiels leicht zu einer Last werden kann, wenn der Gegner mit Angriffen auf eine schwache Gruppe seine eigene Position stärkt.

Ein schlechter Zug wird zum guten Zug

In Erstaunen versetzte die Kommentatoren, wie Alpha Go mit dem Angriff Lee Sedols auf die obere rechte Ecke umging: Lee schloss seinen Angriff so ab, dass er kein Territorium sichern sollte, sondern auf der vierten Reihe vom Rand größeren Einfluss auf das Brett sichert. Alpha Go griff diesen Stein an – auf der fünften Reihe. So weit oben, dass es üblicherweise als schlechter Zug aufgefasst wird, weil er dem Gegner zu viel Territorium gibt.

Etwas Ähnliches passierte auch schon in der Eröffnung des ersten Spiels, und genau wie dort hatte es einen guten Grund. Der zusätzliche Einfluss von Alpha Gos schwarzen Steinen auf der mittleren rechten Seite half dabei, die schwache Gruppe in der unteren linken Ecke abzusichern. Solche Strategien, bei denen Steine auf der einen Seite des Bretts einen starken Einfluss auf eine andere Seite des Bretts haben, gibt es im Go immer wieder. Sie machen einen großen Teil der Faszination des Spiels aus und Alpha Go hat sie hier meisterhaft eingesetzt.

Zug 37 versetzte die Experten in Erstaunen. (Screenshot: Frank Wunderlich-Pfeiffer)

Lee Sedol konnte sich dennoch zur Wehr setzen. Obwohl er größtenteils in der Defensive war, schloss er bis zur Mitte des Spiels wieder auf, was auch die Programmierer in den Programmstatistiken sahen. Gegen Ende des Mittelspiels geriet er aber in Zeitnot. Am Ende der regulären Bedenkzeit hatte jeder Spieler noch eine Minute pro Zug und zweimal die Möglichkeit, eine zusätzliche Minute in Anspruch zu nehmen. Diese beiden Minuten brauchte er fast sofort, in einer sehr unübersichtlichen Situation am rechten Rand.

Das Endspiel war dann geprägt vom Abtausch von Gruppen. Beide Spieler fingen Steine des Gegners, die aber ähnlich viele Punkte wert waren. Später leistete sich Alpha Go reine Sicherheitszüge. Das ist ein typisches Verhalten von Go-Programmen: Sie maximieren die Wahrscheinlichkeit des Sieges, nicht den Vorsprung. Wenn der Computer in Führung ist, führt das im Allgemeinen zu sehr knappen Ergebnissen, die aber nie gefährdet sind. Ein Computer im Rückstand neigt dagegen zu waghalsigen Zügen, die bei einem Fehler des Gegners vielleicht noch einen Sieg möglich machen könnten.

Eine klare Niederlage

Bis zum Ende des Spiels verlor Lee Sedol jeden Vorsprung, den er möglicherweise hatte und gab schließlich auf. Nach dem Spiel sagte Lee, dass er recht sprachlos sei; es sei eine klare Niederlage, bei der er sich nie in einer klaren Gewinnsituation gesehen habe. Er lobte Alpha Gos fast perfektes Spiel ohne schwache Züge. Dennoch werde er nicht aufgeben und vor allem versuchen, eine stärkere Eröffnung zu spielen, nachdem er in diesem Spiel am Anfang einen sehr konservativen Ansatz gewählt habe. Diese Ankündigung sollte nicht unterschätzt werden, denn Lee Sedol ist für seine sehr kämpferischen Spiele bekannt.

Nach 210 Zügen gab Lee Sedol auf. (Screenshot: Frank Wunderlich-Pfeiffer)

Nach 210 Zügen gab Lee Sedol auf. (Screenshot: Frank Wunderlich-Pfeiffer)

Derweil meldete sich ein junger, aufstrebender chinesischer Spieler zu Wort. Der 1997 geborene Ke Jie gilt als äußerst talentiert und wird von vielen Go-Spielern beobachtet, nachdem er seit 2014 eine Reihe sehr guter Spiele gezeigt hat. Er hat 6 von 8 Spielen gegen Lee Sedol gewonnen, wird wegen seiner sehr kurzen Go-Karriere aber noch nicht zur Weltspitze gerechnet. In einem Interview mit der Shanghai Daily sagte er, dass er Alpha Go jetzt noch schlagen könne. Doch auch er räumt sich nur eine 60-Prozent-Chance ein und glaubt, dass er in den nächsten Jahren nicht mehr werde gewinnen können. Demis Hassabis, der CEO von Google Deepmind, hat bereits angedeutet, dass Ke Jie der nächste Gegner von Alpha Go sein könnte.

Das dritte Spiel am Samstag wird über Sieg und Niederlage entscheiden.

Kommentare (6)

  1. #1 Stefan
    11. März 2016

    Ja, sehr schön alles.

    Aber was nun? Verdammt gut gespielt oder “Züge, die ein Mensch nicht machen würde”? https://www.spiegel.de/netzwelt/gadgets/google-software-alphago-spielzuege-die-ein-mensch-nie-machen-wuerde-a-1081652.html

    Das ist doch die Frage.

  2. #2 Thilo
    11. März 2016

    Das eine schließt ja das andere nicht aus.

  3. #3 Siegfried
    11. März 2016

    Mensch vs. Maschine

    Die Einschläge kommen näher. Am Wochenende werde ich mir Terminator 1 – 3 anschauen.

  4. #4 Alderamin
    11. März 2016

    @Siegfried

    Da empfehle ich als Vorbereitung noch “Ex Machina”.

  5. #5 Turi
    11. März 2016

    mich würde interessieren,was passieren würde wenn man ein ähnliches Programm auf Starcraft 2 los lässt. Die theoretische Anzahl an möglichen Zügen ist sehr viel größer als bei Go, davon sind aber nur sehr wenige zielführend. Die Informationen über den Gegner sind begrenzt. Dazu kommt noch der Echtzeitaspekt eines RTS.
    Bis jetzt gibt es keine AI die in der Lage ist auch nur einen wenig geübten Spieler zu besiegen. Selbst wenn die Ai cheated. Wäre interessant zu sehen ob BetaSC in der Lage wäre mit der koreanische Topklasse mitzuhalten.

  6. #6 Turi
    11. März 2016

    Tja, und schon eine halbe Stunde später hab ich die ersten Gerüchte gehört, das Starcraft wirklich das nächste Ziel sein könnte.
    Und ich sollte vielleicht noch mal auf den Echtzeitaspekt eingehen. Das könnte für nicht RTS Spieler etwas nichtssagend sein.
    Dadurch das in einem RTS keine abgegrenzten Züge gibt, sondern beide Spieler ihre Aktionen gleichzeitig durchführen, ist schon jetzt ein Computer dem Menschen physikalisch überlegen. Ein Profi schafft es in Starcraft auf 300 bis 400 Aktionen pro Minute (APM) im Schnitt über das ganze Spiel. Ein Computer schafft 1200 und mehr und wird nur durch das Spiel selber begrenzt. Außerdem kann ein Computer beliebig viele Aktionen gleichzeitig durchführen, in Mensch immer nur eine nach der anderen. Und zu guter letzt kann ein Computer keine Informationen übersehen, ein Mensch kann hingegen immer nur ein Teil des Bildschirms gleichzeitig wahrnehmen.
    Das macht das Programmieren eines “fairen” Matches komplizierter als bei Go.
    Bis jetzt gibt es keine AI die “intelligent” genug ist, um trotz dieser Vorteile Profis zu besiegen. Aber eine hinreichend intelligente AI müsste vielleicht eingeschränkt werden, um einen direkten Vergleich zwischen Mensch und Maschine zu ermöglichen.