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Google weiss was Du suchst, Facebook kennt Deine Freunde, Amazon weiss was Du liest, last.fm kennt Deinen Musikgeschmack, Twitter weiss was Du gerade machst, Dein Blog weiss, wie Du denkst, 23andMe, Navigenics oder deCODEme kennen die Sequenzen kurzer, definierter DNA-Stücke Deines Genoms.

Die drei Unternehmen bestimmen einzelne Nukleotidunterschiede, sogenannte SNPs auf der DNA, die aus einer eingesandten Speichelprobe isoliert wird (siehe Teil 1 zu den Chancen der Technologie). 23andMe dokumentiert aktuell rund 600 000 solcher Polymorphismen, Navigenics 900 000 und deCODEme über eine Million.

Es werden Berge an Daten generiert und gespeichert. Was geschieht mit diesen Daten, wer hat zu welchem Zweck und in welchem Ausmaß Zugang zu den As, Ts, Cs und Gs und wem nutzt dieses Wissen? Sind die Daten ausreichend geschützt?

Die Datenschutzerklärungen der drei Unternehmen lesen sich alle ähnlich. Die SNP-Daten werden gespeichert und auf Anfrage auch gelöscht. Zum Teil werden die Daten anonymisiert für Forschungszwecke verwendet, eine Weitergabe an Dritte erfolgt jedoch nur nach ausdrücklicher Zustimmung des Kunden.

Es bleibt trotzdem ein schaler Beigeschmack. Google ist Investor bei 23andMe. Darf Google potentiell die DNA Daten nutzen? Oder werden Google Algorithmen bei der Vernetzung der Kunden genutzt? Navigenics schreiben in ihrer Datenschutzerklärung, dass die Daten nicht an Dritte weitergegeben werden, außer die Firma würde aufgekauft:

However, we will not, without your explicit consent, disclose or share personally identifiable information about you with third parties except […] in the event Navigenics is acquired by or merges into another company, or as otherwise required by applicable law.

deCODEme sagt die vollständige Löschung der Daten auf Anfrage zu, behält sich jedoch vor Backup-Kopien auf unbestimmte Zeit zu behalten:

If you cancel your account after the Genetic Scan is finished, deCODE will discard the scan and all other data. However, it is possible that all your data may remain stored in deCODE’s archival and backup media and systems for an indefinite time, and deCODE will not be obligated to delete this data.

Für sehr persönliche Daten muss das besser gehen!

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Die gesetzlichen Regelungen

Oder sind die Daten am Ende gar nicht so sensitiv? Die Gesetzgeber stufen genetische Daten jedenfalls als schützenswert ein. Seit Mai 2008 gilt in den USA der sogenannte GINA (Genetic Information Nondiscrimination Act), in dem die Nutzungsrechte der Arbeitgeber, von Versicherungen und der öffentliche Hand bezüglich persönlicher genetischer Daten eingeschränkt werden.

American insurance companies and health plans will be prohibited from: looking at your predictive genetic information or genetic services before you enroll; “requesting or requiring” that you or your family members take a genetic test; restricting enrollment based on genetic information; changing your premiums based on genetic information.

GINA also prohibits U.S. employers (including employment agencies, labor organizations, and training programs) from: discriminating against who they hire or how much they pay on the basis of genetic information; “requesting or requiring” that you or your family members take a genetic test; disclosing your genetic information in their possession except under specific and specially controlled circumstances.

Einige US-Bundesstaaten haben zudem Sonderregeln, die es verbieten DNA-Proben zu verschicken oder die nur mit ärztlicher Einverständnis die SNP-Analyse erlauben. Die Genotyping-Unternehmen umgehen dies zum Teil durch organisierte “Spuckparties” (23andMe), bei denen Speichelproben direkt vor Ort eingesammelt werden, oder mit Vordrucken, die von Ärzten nur noch unterschrieben werden müssen, um der Untersuchung der SNPs freie Bahn zu gewähren (navigenics). In Großbritannien herrscht seit 2001 ein Moratorium, aktuell bis 2014 zur Nutzung persönlicher Daten aus genetischen Tests.

In Deutschland tritt das Gendiagnostikgesetz zum 01. Februar 2010 in Kraft, in dem genetische Untersuchungen und der Umgang mit den generierten Daten geregelt werden. Die beschlossenen gesetzlichen Regelungen sehen vor, dass genetische Untersuchungen nur mit Einwilligung der zu untersuchenden Person und nur von Ärzten vorgenommen werden dürfen. Erlauben diese Tests eine Voraussage über die Gesundheit ist eine Beratung vor und nach der Untersuchung zwingend vorgeschrieben.

Sprich: Dem Geschäftsmodell der Unternehmen wie 23andMe ist in Deutschland ab Februar die gesetzliche Grundlage entzogen. Laut §5 des Gendiagnostikgesetzes [pdf] müssen Unternehmen, die solche Tests durchführen akkreditiert sein und nach §7 muss die untersuchende Person den Beruf in Deutschland ausüben.

Nichts desto trotz werben die Unternehmen damit, auch Proben international und aus Deutschland anzunehmen und zu untersuchen. Wenn die Neugier siegt sollte man also keine Probleme haben, seine SNPs analysiert zu bekommen.

Was mache ich und andere aus meinen Daten?

Der persönliche Blick auf die eigenen SNP-Daten gerät durch die Datenschutzüberlegungen und die gesetzlichen Regelungen fast in Vergessenheit. Was machen Kunden, die Ihre DNA von einem der Unternehmen testen lassen und feststellen, dass ihr Risiko für eine bestimmte Krankheit sehr hoch ist? Wollen Sie alles wissen? Verfallen Sie in Depressionen? Treten gehäuft Selbstmorde auf?

Zumindest letzteres scheint nicht der Fall zu sein. In einer schon klassischen Studie wurden wurden rund 150 Probanden auf den Alzheimer-Marker APOE getestet und ein Jahr später befragt, wie sie mit den Ergebnissen umgegangen sind. Wer zwei APOE4 Allele besitzt hat eine 10-30 fach höhere Chance mit 70 an Alzheimer erkrankt zu sein.

Although no significant differences were found in health, life, or disability insurance purchases, those who tested positive were 5.76 times more likely to have altered their long-term care insurance than those who did not receive APOE genotype disclosure. If genetic testing for Alzheimer’s risk assessment becomes common, it could trigger adverse selection in long-term care insurance.

Neben der Befriedigung der persönlichen Neugier dürften also vor allem die Versicherungen ein Motiv haben, Zugang zu den persönlichen SNP-Daten zu bekommen. Das Gendiagnostikgesetz lässt hier eine Hintertüre offen. §18 besagt, dass bei Versicherungssummen von über 300 000 Euro die Unternehmen die Mitteilung von Ergebnissen oder Daten aus bereits vorgenommenen genetischen Untersuchungen verlangen können.

Wäre es denkbar, dass Versicherungen Produkte auflegen, speziell für Kunden, die ihre genetischen Daten freiwillig zur Verfügung stellen? Wie günstig müssten die Konditionen sein, wie viel individueller Service müsste geboten werden um mit maßgeschneiderten, personalisierten Versicherungsprodukten [sic], basierend auf den SNPs, Kunden zu Vertragsabschlüssen zu bewegen?

Der §1 des Gendiagnostik-Gesetzes besagt, der Zweck sei, eine Benachteiligung auf Grund genetischer Eigenschaften zu verhindern, um insbesondere die staatliche Verpflichtung zur Achtung und zum Schutz der Würde des Menschen und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zu wahren.

Sollte nicht stattdessen Artikel drei des Grundgesetzes angepasst werden?

(3) Niemand darf wegen seiner genetischen Eigenschaften, seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Oder werden die SNP-Daten überbewertet? Ist ein Genom-basiertes, personalisiertes Gesundheitssystem nicht etwas, das angestrebt werden sollte? Ist es nicht sinnvoll zu wissen, welche Risikofaktoren man persönlich besitzt um darauf rechtzeitig reagieren zu können? Beides, Chancen und Risiken sind komplex und nicht einfach zu bewerten.

Kommentare (15)

  1. #1 vera
    10. November 2009

    die philosophischen, ethischen und moralischen aspekte der diskussion sind ja das problem. du kannst dich nicht drum drücken, weil uns das absehbar alle betreffen wird; bloß angst haben hilft auch nix. leider sind die meisten menschen aber mit einem so komplexen thema völlig überfordert. schöne aussichten.

  2. #2 Tobias
    10. November 2009

    vera,
    ich glaube, es ist einfach noch nicht absehbar, was das alles bedeutet. Und der Datenschutz ist vielleicht nur das kleinere Problem. Die Frage ist Angst haben, aber vor was?

    James Watson (Nobelpreis 1962 für die DNA-Struktur) ist schon einen Schritt weiter. Er hat sein ganzes Genom sequenzieren lassen. Alles ist öffentlich. Mit Aussnahme des APOE-Markers, der ein erhöhtes Risiko für Alzheimer anzeigen kann. Watson wollte das selbst nicht wissen. Er ist steinalt.

    Was macht aber eine 30-jährige mit ihren Daten, wenn sie ein um 50% erhöhtes Risiko hat an Brustkrebs zu erkranken (BRCA googlen)?

    Watsons Sicht der Dinge, unter anderem zu APOE hier in einem freien Volltext-Artikel und hier ein Artikel über die Schwierigkeit, solche Informationen geheim zu halten, sobald sie zur Verfügung stehen (auch bei Watson) https://www.nature.com/ejhg/journal/v17/n2/abs/ejhg2008198a.html

  3. #3 Dr. Glukose
    11. November 2009

    Ich hätte keine Lust mein Leben jetzt schon einzuschränken nur damit ich, wenn ich 70 bin, an einer leichteren Variante von Alzheimer erkranke. Da lebe ich jetzt lieber in vollen Zügen ohne zu wissen was mal ist! Schliesslich würde man sich nur noch Gedanken um seine Gesdunheit machen und nicht mehr richtig leben!

  4. #4 miesepeter3
    11. November 2009

    Es wird immer Leute geben, die sich vor den Risiken des Lebens schützen wollen. Und wenn diese ein Unternehmen führen, dann wollen sie das beste für ihr geld, das zu bekommen ist. Da aber die Einschätzung eines ganzen Menschenlebens oder doch ein längerer Teil davon die Fähigkeiten eines “normalen” Menschen übersteigt, suchen sie die Hilfe von Fachleuten. Dann wenden sie sich eben an die Medizin in Sachen DNS und Krankheiten, an Graphologen, Astrologen und an Psychotests. Dabei übersehen sie völlig, dass alle diese Beurteilungs-Hilfsmittel imer nur eine Möglichkeit darstellen, die eintreten kann, aber nicht muß. Sie glauben etwas an der Hand zu haben, was sie sicherer macht und worauf sie im Bedarfsfall die Verantwortung schieben können, wenn es trotzdem schief gegangen ist. Was heute dergenetische Code ist, ist morgen die neueste Erkenntniss der Hirnforschungund übermorgen die wissenschaftlich belegte Wirkung von Voodoo und danach…? Es wird immer etwas geben, an das sich für irgendetwas Verantworliche klammern, ob es was nützt oder nicht. Das kann man den Menschen nicht austreiben, siehe auch Medizin und alternative Medizin.
    Dagegen schützt auch Intelligenz nicht. Dummerweise setzen sich Gefühle immer gegen jeden Intellekt durch.

  5. #5 Tobias
    11. November 2009

    Dr. Glucose,
    ja, aber momentan triffst du diese Entscheidung, ohne eine reale Alternative zu haben. Wie wird die Entscheidung über die nächsten vierzig Jahre gesehen aussehen? Neugier ist nicht zu unterschätzen.

    miesepeter3,
    ich stimme dir zu! Der Mensch ist nicht dafür gemacht, um weit in die Zukunft zu sehen und um Risiken realistisch einzuschätzen. Ich werde hier ja schon bei einer läppischen Impfung ständig gefragt Was soll ich nur machen. Wie soll das erst aussehen, wenn jemand weiss, dass er ein mutiertes BRCA1 Allel hat oder sein Risiko an Darmkrebs zu erkrangen um abstrakte 23% erhöht ist?

    Das Problem ist hier auch schon genannt worden in den letzten Tagen: Es geht um die fröhliche Akzeptanz des Risikos. Letzendlich tötet einen eines mit 100%iger Sicherheit: Das Leben.

  6. #6 Chris
    12. November 2009

    Und ganz so einfach ist die Sache mit den SNPs dann ja auch nicht. Hier wird nur eine sehr kleine Teilmenge der vorhandenen SNPS untersucht, jene, die mit einer Krankheit assoziiert sind. Was ist aber, wenn ein weiterer vorhandener SNP in Kombination mit unserem “krankmachenden” SNP das Risiko insgesamt aber senkt? Oder dieser “krankmachende” SNP selber das Risiko für etwas komplett anderes senkt?
    Ich kenne das aus meinem eigenen Forschungsgebiet, wo eine Gruppe (lustigerweise sogar von Decode), die nach Genen gesucht hat, die mit Pigmentierung assoziiert sind, einen sehr interessanten Kandidaten verpasst hat, schlicht weil sie einen zu kleinen SNP-Chip verwendet hat. Aktuell bieten diese Untersuchungen (ausser bei sehr wenigen Ausnahmen) keinen wirklichen Mehrwert an.

  7. #7 q123
    13. November 2009

    Das ist das übliche Geschäft mit der Angst! Man züchten sich einfach neue “Risikokunden” an und bietet etwas später dann ein “Mittelchen” (gutes Wasser) für beliebig viele Teuros an, welche das “Risiko” um meinetwegen 95% senken. Kein Mensch wird das je überprüfen können, da das Risiko nicht um 100% gesenkt werden kann und im Einzelfall wird wie üblich nichts nachweisbar sein.

    Dieser Gendreck samt zugehörigen Berufsgruppen gehören komplett entsorgt!

  8. #8 Tobias
    14. November 2009

    Dieser Gendreck samt zugehörigen Berufsgruppen gehören komplett entsorgt!

    q123,
    dein menschenverachtender Kommentar bleibt hier nur stehen weil ich hoffe, dass hier noch jemandem außer mir der Kragen platzt.

  9. #9 Chris
    15. November 2009

    @q123: Damit disqualifizierst du dich nur selber. Über solche menschenverachtenden Kommentare kann ich nur lachen.

  10. #10 Tobias
    15. November 2009

    Spiegel-Online zur “Zukunft der Medizin”
    https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/0,1518,660844,00.html

  11. #11 Chris
    16. November 2009

    Tobias: Sorry, aber der Artikel hat Spiegelniveau – will sagen, der ist einfach für die Füsse.

  12. #12 HdP
    18. Februar 2010

    “Was ist aber, wenn ein weiterer vorhandener SNP in Kombination mit unserem “krankmachenden” SNP das Risiko insgesamt aber senkt?”

    Genau das ist halt “Risiko”. Irgendwas wird ja bei den x% der Risikopatienten, die gesund geblieben sind, verhindert haben, dass sie erkranken. Seien das jetzt andere genetische Eigenschaften oder eine andere Lebensweise ist dabei egal. Auf den ersten Blick klingt es natürlich nach etwas Anderem, weil man seine Lebensweise ja ändern könnte. Wenn man aber nicht weiß, welche Lebensweise die beste wäre (sondern höchstens Tendenzen kennt) läuft es auf das Gleiche hinaus.

  13. #14 Theo
    29. Januar 2012

    Ich finde, dass der Datenschutz in solchen sensiblen Bereichen nicht weit genug gehen kann. Wenn ich mir überlege, was es in Deutschland für einen Aufschrei gab bei der Einsetzung von Nackscannern. Aber seine genetischen Daten veröffentlicht man ohne schwer darüber nachzudenken.

  14. #15 Theo
    29. Januar 2012

    Ich finde, dass der Datenschutz in solchen sensiblen Bereichen nicht weit genug gehen kann. Wenn ich mir überlege, was es in Deutschland für einen Aufschrei gab bei der Einsetzung von Nackstcannern. Aber seine genetischen Daten veröffentlicht man ohne schwer darüber nachzudenken.