Traue keiner Statistik…. kennt jeder, den Spruch. Und heute habe ich ein weiteres, schönes Beispiel gefunden. Je schwerer ein Mädchen bei der Geburt ist, desto höher die Wahrscheinlichkeit für Brustkrebs, hier der Artikel des Ärtzeblatts.
Die Körperlänge sei dabei allerdings relativ ungefährlich -> zeigt keine so “”deutliche”” Korrelation.
Die Daten beruhen auf 22.000 Brustkrebspatienten und 600.000 “gesunden” Frauen aus Industrieländern. Wenn die Patientinnen allerdings aus Erinnerung/alten Unterlagen selber ihr damaliges Geburtsgewicht angegeben haben, gab es keine Korrelationen.
Wie jetzt? Also am besten dafür sorgen, dass Geburtsgewicht und Größe nicht statistisch erfaßt werden, weil dann sinkt ja das Risiko für Brustkrebs?


Fairnesshalber muss man sagen, dass in dem Paper der direkte kausale Zusammenhang nicht hergestellt wird. Es wird wirklich nur von den Korrelationen gesprochen. Hintergrund ist, dass verschiedene (!) Faktoren im Uterus in Verdacht stehen, einen gewissen Zusammenhang mit Brustkrebs zu haben. Und das Gewicht, die Größe und auch der Kopfumfang seien wiederum Hinweise auf die Faktoren im Mutterleib während der Embryonalentwicklung.

Für mein Empfinden werden hier sehr viele Faktoren über Umwege und Ecken in Zusammenhang gebracht. Natürlich muss man bei der Suche irgendwo anfangen. Aber diese Statistik hinterläßt schon ein komischen Nachgeschmack.
Der Klassiker in dieser Hinsicht ist übrigens u.a. hier sehr deutlich erwähnt: Wo es viele Storche gibt, gibt es auch viele Geburten.

Weiterer Klassiker in der Reihe von Korrelation und vermeindlichem kausalen Zusammenhang: Amokläufer spielen Killerspiele/tragen Boxershorts/hören Metal.

Kommentare (12)

  1. #1 Martin
    Oktober 2, 2008

    Zum Thema Korrelation und Kausalität hat Gunter Dueck 2005 in der Zeitschrift “Informatik Spektrum” eine etwas polemische, aber ungemein erhellende Kolumne mit dem Titel “Korrelatalschaden! Egal wie!” geschrieben. Zu finden unter: https://www.springerlink.com/content/p1578576r8584664/fulltext.pdf

  2. #2 Chris
    Oktober 2, 2008

    Danke für den Link. Polemisch würde ich das jetzt nicht direkt nennen. Übertreibung hilft der Illustrierung….

  3. #3 Martin
    Oktober 2, 2008

    Stimmt, der Begriff “polemisch” passt nicht so ganz, aber man kann merken, dass der gute Dueck sich ziemlich aufgeregt hat .. 😉

  4. #4 Shin
    Oktober 2, 2008

    Ach ja, die gute alte Killerspiel-Amoklauf-Korrelation… Wusstet ihr übrigens, dass ca. 99% aller Mörder innerhalb der 24 Stunden vor ihrer Tat Brot konsumiert haben? Da sollte man mal nachforschen.

  5. #5 Ulrich Berger
    Oktober 2, 2008

    Hmm. Was ist jetzt die Botschaft? Dass ein hohes Geburtsgewicht zwar korreliert mit, aber nicht notwendigerweise Ursache für Brustkrebs ist? Das hat ja auch niemand ernsthaft behauptet. Es scheint ein kleiner Risikoindikator für Brustkrebs zu sein, wie es auch andere gibt. Was hat das jetzt mit dem Eingangsbonmot über gefälschte Statistiken zu tun???

  6. #6 Chris
    Oktober 3, 2008

    @Ulrich: Die Botschaft ist, dass mal wieder eine Statistik derat geschönt wurde, um halbwegs ´brauchbare´ Ergebnisse zu erhalten. Wobei ´brauchbar´ hier auch schon übertrieben ist.
    Was bringt uns der Vergleich von 20.000 Patienten zu 600.000 Kontrollen? Die Patientendaten wurden dann noch sortiert. Erst, wenn die Patientinnen, die erst im Erwachsenenalter ihr eigenes Geburtsgewicht angeben, aus den Daten subtrahiert wurden, kommt man auf eine leichte, positive Korrelation. Oder anders herum. Bei wem die Geburtsdaten weder erfaßt worden sind, noch die Eltern im Alter bis 7 Jahre danach gefragt worden sind, bei dem ist das Geburtsgewicht ohne Aussage für eine mögliche Brustkrebserkrankung.
    Das Gewicht bei der Geburt kann ein Indiz für die Bedingungen im Uterus sein. Die Bedingungen im Uterus können vielleicht ein Indiz für Brustkrebs sein.
    Das mittlere Erkrankungsalter für Brustkrebs liegt irgendwo bei 63 Jahren. Hm, könnten der Frau in diesen 63 Jahren vielleicht doch der eine oder andere “Faktor” begegnet sein, der vielleicht den Krebs ausgelöst hat?
    Wie gesagt, es wird eigentlich “nur” von der angeblichen Korrelation gesprochen, ich sehe jedoch die Gefahr, dass in irgendeinem Sommerloch das einem sich langweilenden Boulevard-Journalisten in die Hände fällt und das ganze hochkocht. Korrelationen und Kausalitäten werden zu oft gleich gesetzt.

  7. #7 Ulrich Berger
    Oktober 4, 2008

    Was bringt uns der Vergleich von 20.000 Patienten zu 600.000 Kontrollen?< \i>

    Ich verstehe die Frage nicht. Die Studie sagt ganz klar, dass sie eine Re-Analyse von 32 existierenden Studien ist. Diese haben in Summe eben diese Anzahl von Studienteilnehmern. Die einzelnen Studien waren Fall-Kontroll-Studien, das ist die höchste Evidenzklasse, die die Epidemiologie zu bieten hat.

    Erst, wenn die Patientinnen, die erst im Erwachsenenalter ihr eigenes Geburtsgewicht angeben, aus den Daten subtrahiert wurden, kommt man auf eine leichte, positive Korrelation.

    Vorhandene Unterlagen über Geburtsgewicht sind verlässlicher als die Erinnerung über mehrere Jahrzehnte hinweg. Das könnte erklären, warum manche Studien keinen Zusammenhang fanden – es waren jene mit den weniger verlässlichen Daten. Was ist daran so verdächtig?

    Das Gewicht bei der Geburt kann ein Indiz für die Bedingungen im Uterus sein. Die Bedingungen im Uterus können vielleicht ein Indiz für Brustkrebs sein.

    Ja, genau darum geht es in der Studie. Der allererste Satz des Abstracts stellt das klar: “perhaps a proxy”.

    Das mittlere Erkrankungsalter für Brustkrebs liegt irgendwo bei 63 Jahren. Hm, könnten der Frau in diesen 63 Jahren vielleicht doch der eine oder andere “Faktor” begegnet sein, der vielleicht den Krebs ausgelöst hat?

    Selbstverständlich. Und eben um dafür zu kontrollieren, werden die Kontrollen nach bekannten Risikofaktoren gematcht: “The birth size effects did not appear to be confounded or mediated by established breast cancer risk factors and were not modified by age or menopausal status.”

    Wie gesagt, es wird eigentlich “nur” von der angeblichen Korrelation gesprochen, ich sehe jedoch die Gefahr, dass in irgendeinem Sommerloch das einem sich langweilenden Boulevard-Journalisten in die Hände fällt und das ganze hochkocht.

    Diese Gefahr besteht immer. Das wäre dann gegebenenfalls ein Grund, den Zeitungsartikel zu korrigieren oder als schlechten Journalismus zu brandmarken. Aber ist es ein Grund, vorauseilend die Studie, auf der so ein Artikel basieren könnte, als “schönes Beispiel” für gefälschte Statistiken zu bezeichnen?

    Die Botschaft ist, dass mal wieder eine Statistik derat geschönt wurde, um halbwegs ´brauchbare´ Ergebnisse zu erhalten.

    Dass die Statistik in dieser Studie bewusst “geschönt” wurde, um gewisse Resultate zu erhalten, ist ein harter Vorwurf. Und er ist m. E. in diesem Fall schlicht unbegründet und damit unberechtigt.

  8. #8 Chris
    Oktober 4, 2008

    Das könnte erklären, warum manche Studien keinen Zusammenhang fanden – es waren jene mit den weniger verlässlichen Daten.
    Das könnte auch heißen, dass sie ihre Daten sortiert und geschönt haben.
    Epidemiologie hat für mich persönlich zu viele Konjunktive.

    Dass die Statistik in dieser Studie bewusst “geschönt” wurde, um gewisse Resultate zu erhalten, ist ein harter Vorwurf. Und er ist m. E. in diesem Fall schlicht unbegründet und damit unberechtigt.
    Schon gut. Hiermit entschuldige ich mich ganz offiziell bei allen Epidemiologen und Statistikern. Ich habe oft solche tollen Statistiken und ganz, ganz tolle Korrelationen wie Amokläufer und „Killer“-Spiele gesehen. Aber das scheint ja offenbar normal zu sein…

  9. #9 Rincewind
    Oktober 5, 2008

    Kann mir jemand sagen, wie man überhaupt zu so einer Hypothese Geburtsgewicht < -> Brustkrebs kommt? Wird ja wohl nicht so sein, dass Geburtsgewicht = 0 = 0 Brustkrebs zu einer umgekehrten Annahme verleitet.

  10. #10 Chris
    Oktober 5, 2008

    @Rincewind
    Krebs hat unzählige Faktoren, die ausschlaggebend / Verursacher sein könnten. Dazu noch die Kombinationen von einzeln ungefährlichen Faktoren etc. Alles sehr komplex und je nach Krebssorte sehr unterschiedlich.
    Bei Brustkrebs stehen neben vielen anderen Ursachen Hormone wie Östrogen & Co. in Verdacht. Und hier wird es eben kompliziert. Das Geburtsgewicht, die Körpergröße und auch der Kopfumfang sind von den Bedingungen im Uterus abhängig. Und hier setzt das Paper an (nicht als erster oder einziger), WENN im Uterus viel Östrogen war, dann könnte sich die Kleine besser entwickeln und sie könnte deswegen größer und schwerer sein und das könnte Gene aktiviert haben (oder sonstwas), die dann im Erwachsenenalter den Brustkrebs auslösen könnten. So in etwa (!!) ist die Argumentationskette.
    Und hier versucht man halt durch die Korrelationen nach Hinweisen zu suchen, wo man in dem Heuhaufen die Stecknadel vielleicht suchen könnte um hoffentlich vielleicht die passende Kausalität dazu zu finden.

  11. #11 Rincewind
    Oktober 6, 2008

    Danke Chris.
    Das klingt erstmal sehr schlüssig.Wobei ich diese Studie für extrem gewagt und spekulativ halte. Hier zwischen K.u.K. zu unterscheiden, dürfte sehr schwer fallen. Aber warum auch nicht. Spekulieren gehört zum Geschäft und es mag ein kleiner Mosaikstein sein.

  12. #12 Ulrich Berger
    Oktober 6, 2008

    @ Rincewind:
    Der Punkt ist aber, dass die Frage der Kausalität in dieser Studie weder gestellt noch untersucht wurde. Wenn hohes Geburtsgewicht ein Risikofaktor für Brustkrebs ist, dann ist das ja per se schon nicht uninteressant. Das relative Risiko ist zwar winzig, aber die Inzidenz von Brsutkrebs ist so hoch, dass diese Erkenntnis m.E. klinisch nicht irrelevant ist.