Besteht die Verpackungszukunft nur aus braunem Karton? Mitnichten. Aber er wird natürlich eine größere Rolle spielen. (Bildquelle: stock.adobe.com © stanislav_uvraov)

Die Zukunft ist ungewiss, in weiten Teilen zumindest. Allerdings lässt sich gänzlich ohne Kristallkugel voraussagen, dass die Menschheit weiterhin nicht wesentlich weniger konsumieren wird. Zwar sind sich viele der damit einhergehenden Nachteile für die Umwelt bewusst, haben sich vor allem deshalb unter anderem Unverpackt-Läden nicht nur ausbreiten, sondern fest etablieren können. Es bleibt jedoch die Notwendigkeit, viele Produkte, allein schon zum Schutz vor Umwelteinflüssen, verpacken zu müssen. Schon heute sind deshalb einige Trends absehbar, teils auch schon angekommen.

1. Es wird weitere Regulierungen geben

Weltweit wurden jüngst zahlreiche Regulierungen zum Thema Verpackungen auf den Weg gebracht oder befinden sich in den Startlöchern – auch die EU hat daran einen Anteil, indem sie ab Sommer 2021 einige umfassende Regularien gültig macht. Der Hintergrund all dessen ist ausschließlich der Umweltschutz.

Abzusehen ist jedoch, dass die aktuellen Gesetze nur ein Zwischenstopp sein werden. Vor allem deshalb, weil die Forschung nicht stehenbleibt. Und so, wie sukzessive neue, das heißt umweltschonendere, Materialien nicht nur zur Serienreife, sondern kostentechnischer Markttauglichkeit (darauf kommt es letztlich an) entwickelt werden, dürften bestehende Verpackungsmaterialien von weitreichenderen Verboten betroffen sein.

Letztendlich handelt es sich hierbei auch um eines der wenigen möglichen politischen Druckmittel. Konsum lässt sich nicht nur kaum demokratisch einschränken, es wäre zudem volkswirtschaftlich kontraproduktiv. Es wird also nicht nur, es muss konsumiert werden. Ergo ist die Regulation der Verpackungsmaterialien eine wichtige Schlüsselposition, um zu gewährleisten, dass dies in einem umweltverträglichen Rahmen geschieht.

2. Verpackungen werden individueller

Kaufentscheidungen fallen binnen weniger Sekunden. Die Individualität der Verpackung bekommt deshalb in zunehmend konkurrenzstarken Märkten immer mehr Gewicht. (Bildquelle: stock.adobe.com © Loraliu)

Bereits heute gibt es über die Verpackung selbst sowie die oft dazugehörigen Etiketten weitreichende Möglichkeiten zur Individualisierung. Auch das wird sich in Zukunft noch verstärken. Der Grund ist darin zu finden, dass sich in sehr vielen Produktkategorien immer mehr Konkurrenten tummeln. Die Verpackung und Etikettierung sind eine zentral wichtige Möglichkeit, das Auge des Kunden auf das eigene Produkt zu lenken, nicht auf das des gleich daneben im Regal stehenden Konkurrenten.

Schon gegenwärtig ist dieser Trend kaum zu übersehen. Abgesehen von Getränken (speziell in Pfandflaschen und Tetra-Paks) gibt es kaum noch Waren, bei denen sich die Verpackung, und erst recht nicht Druck bzw. Design, noch ähneln.

3. Die Größen werden schrumpfen

Familienpackungen für Waschpulver, Schokoriegel im 15er Pack, Tomatensoße im Halbliterglas… heutige Verpackungen sind in der breiten Masse sehr groß. Zumindest enthalten aber die Umverpackungen große Mengen derselben, einzeln verpackten Waren.

Hier dürfte in den kommenden Jahren eine dramatische Verkleinerung in den Regalen Einzug halten. Dafür gibt es zwei Gründe, einen starken und einen etwas schwächeren

  • Der starke Grund ist im demografischen Wandel zu finden. In immer mehr Ländern sinken die Kopfzahlen von Familien, steigen dafür die Zahlen von Single-Haushalten. In Deutschland gab es 1991 knapp zwölf Millionen davon. Bis 2018 war diese Zahl ohne einen einzigen Einbruch auf über 17 Millionen angestiegen – Vergleichbares melden praktisch alle westlichen Länder, zudem auch weitere Nationen.
  • Der schwächere Grund ist die Wohnsituation bzw. die Mobilität. Immer mehr Menschen zieht es in die Städte. Gleichsam sinkt unter anderem deswegen auch die Zahl derer, die ein eigenes Auto besitzen, mit dem sie große Mengen an Produkten problemlos transportieren können.

Damit werden die typischen Großpackungen, die sich heute noch bei so vielen Produkten finden, immer mehr zu einem Modell, das an der Lebensrealität vieler Zielgruppenmitglieder vorbeigeht. Bedeutet, kleine Packungen werden künftig in hohem Maß auf den Markt drängen. Allerdings gilt das nicht uneingeschränkt: Dieser Trend wird sich vor allem auf verderbliche Produkte beziehen. Nicht nur, aber vornehmlich im Lebensmittelbereich. Ferner fallen darunter auch Waren, bei denen viele Kunden traditionell eher zu einer Rotation zwischen den Anbietern neigen.

4. Nachhaltigkeit wird ungleich größer

Weg vom erdölbasierten Kunststoff. Nicht nur bei Polystyrol ist das eine der größten Forderungen für die Zukunft. (Bildquelle: stock.adobe.com © tanawatpontchour)

Im ersten Kapitel wurde es schon angeschnitten: Die Materialforschung arbeitet derzeit mit Höchstleistung daran, Verpackungen generell weniger umweltschädlich zu machen. Allein in den vergangenen zehn Jahren hat sich hier immens viel getan – mit dem primären Fokus darauf, eine Abkehr von klassischen kohlenwasserstoffbasierten Kunststoffen zu finden.
Eine kleine Auswahl über den aktuellen Stand der Wissenschaft:

  1. Eine essbare, vollkommen biologisch abbaubare transparente Folie zur Verpackung von Lebensmitteln. Sie wurde von einem Team der American Chemical Society erdacht. Basis ist Casein, also Milchprotein.
  2. Eine ebenfalls essbare Verpackung aus Seetang, die vom britischen Skipping Rocks Lab entwickelt wurde. Der Seetang wird als Grundbaustein für eine Membran genutzt, deren Vorbild unter anderem Früchte sind, beispielsweise Trauben.
  3. Eine Flasche für Getränke, die aus Österreich stammt und auf dem Biokunststoff Polylactid PLA basiert. Dieser besteht aus Zucker, der durch Fermentierung zu Milchsäure wird. Diese wird über eine Polymerisation dann zu PLA.
  4. Polstermaterialien aus verpresstem Strohhäcksel. Die daraus entstandenen Formen haben ähnlich polsternde und wärmedämmende Eigenschaften wie Polystyrol und sollten vor allem im Versandhandel eingesetzt werden.

Aktuell drängt zudem eine weitere Alternative zu Polystyrol auf die Märkte. Sie stammt von einem in der Szene altbekannten Unternehmen aus den USA, Evocative. Dort wird schon seit Längerem mit Materialien Furore gemacht, die aus natürlich gewachsenen Pilzgeflechten bestehen – beispielsweise Dämmplatten. Nachdem unter anderem ein großer Sportartikelhersteller bereits Verpackungen aus diesem Material angeboten hat, erwarten Beobachter eine weitere Zunahme von Mykologie im Verpackungsbereich.

Und wie gesagt: Das ist der Ist-Zustand. Durch das immens gestiegene weltweite Bewusstsein für Verpackungsmüll gibt es große Anreize für Forschungsarbeit, sodass auch hier noch viel zu erwarten ist. Denn das letztliche Endziel ist erst dann erreicht, wenn kein Tropfen Erdöl mehr für die Herstellung von neuen Kunststoffen benötigt wird. Apropos „neu“:

5. Monomaterialverpackungen werden im großen Stil zurückkehren

Es ist aus heutiger Sicht nicht mit seriöser Bestimmtheit abzusehen, ob es in absehbarer Zukunft wirklich gelingen wird, gänzlich auf kohlenwasserstoffbasierte Kunststoffe in der Verpackungsindustrie zu verzichten. Das kann nur die Zeit zeigen. Allerdings lässt sich mit absoluter Sicherheit absehen, dass die Zeit, in der hier vielfältigste Materialmixe verwendet wurden, sich gänzlich dem Ende zuneigt.

Solche Multimaterialien sind die mit Abstand größte Hürde auf dem Weg zu hochfunktionalem Recycling. Denn in vielen Fällen lassen sie sich nur äußerst aufwendig wieder trennen – oftmals auch gar nicht. Damit stehen sie blockierend vor dem Wunsch, diejenigen Verpackungskunststoffe, die bereits im Umlauf sind, in höchstem Maß, aber mit geringstem Aufwand erneuern zu können.

Letztendlich werden Monomaterialien im großen Stil zurückkehren: Einmachgläser mit reinem Metalldeckel, Faltschachteln aus einer Kunststoffsorte, Edelstahlblech, unbeschichtete Kartonagen, verschlossen mit biologisch abbaubaren Klebern… Diese Materialien können schon heute, ohne weitere Entwicklungen, zu praktisch 100 Prozent recycelt werden.

In diesen Fällen wäre es auch nicht schlimm, wenn weiterhin Kunststoffe verwendet würden – sie blieben ja in einem Kreislauf, sodass die Einwegquote nur noch davon abhängen würde, wie gut die recycelnde Infrastruktur aufgestellt ist.

6. Multifunktionalität wird ein wichtigerer Bestandteil

Viel zu oft sind Verpackungen „Design für die Tonne“. Mehr Mulitfunktinalität soll dieses Problem an der Wurzel packen, weil sie die Verpackung zum Beiprodukt macht. (stock.adobe.com © design56)

Der Karton eines Fernsehers, der sich nach dem Aufstellen des Geräts wahlweise zu einem Katzenhaus, einem Zeitungsständer oder einem Beistelltischchen umbauen lässt. Damit macht der südkoreanische Elektronikriese Samsung gerade im Netz Furore – auch wenn manche spekulieren, dass hier kreative Werbung der Ursprung des Gedankens war.

Allerdings zeigt dieses Beispiel, wohin die Reise gerade geht. Immer stärker setzt sich die Erkenntnis durch, dass das jahrzehntelange Prinzip der einzig für die Mülltonne bestimmten Verpackung zum baldigen Scheitern verurteilt ist. Und egal ob es eine Handyverpackung ist, die sich danach zur 3D-Brille oder zum Handyständer machen lässt, ob es eine Flüssigseife ist, deren „Karton“ sich nach dem Entleeren mit etwas Wasser und Sodapulver selbst zu einem Reinigungsmittel machen lässt: Überall stehen die Zeichen der Zeit darauf, der Verpackung eine größere Funktion zu geben als bloß das Produkt zu schützen und zum Eyecatcher zu machen.