In einer Reihe von wunderbaren Beiträgen erkunden englische, norwegische, schottische und amerikanische Wissenschaftler, ob der deutsche Philosoph Kant recht hatte, als er im 18. Jahrhundert den Raum als eine “a priori” Kategorie einführte, die uns Menschen vor jeder Erfahrung gegeben ist (SCIENCE 328, Seiten 1487, 1573 und 1576). Das heißt, es geht um Experimente mit Ratten, und vermessen werden Zellen, die von neugeborenen Ratten genutzt werden, um sich räumlich zu orientieren. Das Problem, Kants Sicht mit den Meßergebnissen zu vergleichen besteht unter anderem darin, daß Kants “a priori” den Anspruch auf Wahrheit erhebt, während die Neurobiologen nur prüfen können, ob den agierenden Zellen ihre Aktivität angeboren ist oder nicht. Auf jeden Fall weisen die Experimente nach, daß die Repräsentation des Raumes eine Komponente aufweist, die vor jeder Erfahrung weiß, was draußen los ist. Das Problem von Kant muss man also ernst nehmen, nämlich herauszufinden, was wir ohne und was wir mit Erfahrung wissen. Immerhin wissen die Neurobiologen, daß es das Problem gibt. Die Philosophen meinen leider, daß Kant es gelöst hat. Vielleicht schauen sie einmal den Ratten zu.

Kommentare (4)

  1. #1 libertador
    Juli 3, 2010

    Der Raum war für Kant eine Denknotwendigkeit um Erfahrung machen zu können. Und muss somit vor der Erfahrung stehen.
    Und was “die Philosophen” denken ist wohl nicht bei Kant stehen geblieben.

  2. #2 Jörg Friedrich
    Juli 3, 2010

    Ich glaube kaum, dass es einen lebenden Philosophen gibt der meint, dass Kant oder Platon oder Wittgenstein oder Heidegger irgendein Problem gelöst hat. Entscheidend ist doch, die Probleme richtig zu benennen.

  3. #3 Jörg Friedrich
    Juli 3, 2010

    Noch einmal kurz zum Kern des Artikels:
    Ich habe Kants apriori-Aussagen eigentlich nie als Beitrag zur Biologie oder zur Neurowissenschaft gelesen. Ihm ging es darum, ob es etwas gibt, dass schon vor der Erfahrung sozusagen als Fundament jeder Erfahrung da sein muss. Ob dies schon angeboren sein muss, beantwortet Kant nicht, schon gar nicht, ob es auch bei Tieren existieren muss. Im Zuge der Individuellen Entwicklung eines Menschen kann sich die Vorstellung von Raum und Zeit durch einen Umgang des Menschen, der eben noch nicht Erfahrung genannt werden kann, ausbilden. Wenn Raum und Zeit als Basis verfügbar gemacht sind, kann Erfahrung im eigentlichen Sinn des Wortes beginnen.

    Machen Ratten “Erfahrungen”? Nur wenn diese Frage positiv beantwortet wird, ist es in Zusammenhang mit Kants Problem interessant, den Ratten zuzuschauen.

  4. #4 HOT 'N' COLD
    Juli 4, 2010

    Was ist denn Raum?