Wir alle wissen, dass es – was immer mit “es” gemeint ist – nicht so weitergehen kann, und so suchen viele Menschen zum Beispiel Wege aus der Wachstumsgesellschaft. Keine schlechte Idee, wie er scheint, wobei man in diesen Tagen hören kann, dass die Welt es 2014 tatsächlich geschafft hat, das Wirtschaftswachstum von den Kohlendioxydemissionen zu trennen. Während die gleich geblieben sind, ist die Weltwirtschaft um etwa 3% gewachsen. Das klingt gut, bedeutet aber nicht wirklich, dass etwas besser geworden ist. Denn das Weiterwachsen geht weiter und die Klimakiller sind mehr geworden, wenn auch etwas langsamer als befürchtet.

Irgendwie scheinen die Bemühungen und Berechnungen an ungeeigneten Stellen anzusetzen, nämlich bei Behörden oder Unternehmen oder anderen Großorganisationen. Ändern können aber vor allem einzelne Menschen etwas, etwa indem sie weniger unterwegs sind. Ist es wirklich nötig, dass sich 24.000 (!!!) Leute treffen, wenn die “American Geophysical Society” ihre Herbsttagung anhält. Ist es wirklich nötig, dass Gelehrte um die halbe Welt düsen, um auf Klimatreffen oder sonst wo ihre Vorträge über die Auswirkungen von Düsenjets zu halten. Irgend jemand muss verzichten, wenn es nicht so weitergehen und die Welt besser werden soll. Irgendjemand muss aufhören, von Konferenz zu Konferenz zu eilen, um zu sagen, wie die Welt leidet, wenn alle dasselbe tun, nämlich von Konferenz zu Konferenz zu eilen. Irgendjemand muss aufhören, mit dem Auto zu fahren und dafür den Bus zu nehmen oder mit dem Rad fahren. Irgendjemand muss aufhören, Rindfleisch in Mengen zu konsumieren und auch auf andere Lebensmittel verzichten, wenn ihre Herstellung das Klima und die Umwelt belastet. Irgendjemand muss ein Vorbild werden, aber da ist niemand in Sicht, und in den Zeitungen ist immer nur die Rede davon, dass die Politik die Rahmenbedingungen gestalten soll und so weiter. Über die vielen Einzelnen, die tatsächlich etwas tun können, schweigt man sich aus.

Ich hatte einen Schullehrer in den 1960er Jahren, der der Ansicht war, dass Lehrer so etwas wie Intellektuelle seien, die verstehen müssten, dass der Staat nur existieren kann, wenn er irgendwann seine Schulden zurückzahlt. Damit er das könne, sollten die Lehrer auf die Erhöhung ihrer Bezügen verzichten. Aus Einsicht! Wenn sie – als Erzieher und Vorbilder für die Jugend – mit gutem Beispiel vorangehen, wird man ihnen folgen. Irgendjemand wird ihnen nacheifern und auch anfangen, weniger zu wollen, damit alle mehr vom Leben haben. Aber solche Vorschläge habe ich noch nirgendwo gefunden. Das Warten auf die Vorbilder geht weiter, bis die Zeit nicht mehr reicht. Dann geht es – was immer damit gemeint ist – wirklich nicht mehr weiter. Schade?

Kommentare (13)

  1. #1 demolog
    März 27, 2015

    Schade?

    Nö!

    Derweil gehts erstmal nur unter Zwang einen Teil der Gesellschaften vom “Umherreisen” abzuhalten – etwa durch Kostenerhöhung…

    Oder das Unmöglichmachen durch Krankheit.

    Und dann heisst es, man sei ja doch nur vom Dorfe (und alles, was damit verbunden sein kann) sozusagen – wegen des fehlenden Bewegungsradius eingeschränkte Weltsicht und Bildung.

    Und die “Mobilität für alle” fällt damit dann auch direkt weg. Prima Herrschaftssystem.

  2. #2 Studentenfutter
    März 27, 2015

    @Fischer Die Leute hören nicht das Nichtgesagte, lesen nicht das Nichtgeschriebene und sehen nicht igendjemanden, der aufgehört hat irgendetwas zu tun. Das ist das Problem, genauso wie Du, der nur fähig ist, Nichtkommentare zu lesen oder auf diese zu reagieren. Was soll’s, du liest diesen Kommentar nicht und die 2 letzten Leser deines Blogs haben ihn schon vor dem Schreiben vergessen.

  3. #3 Yogi
    März 28, 2015

    Das Problem, was ich im “Vorbild” sein sehe, ist dass ich keinen echten Vortschritt in diese Richtung vermuten würde. Und natürlich fühlt sich wie immer niemand angesprochen, wenn ich das Thema von Idioten anspreche, die nun mal unsere Welt mit 80-90 % der Menschen befölkern und somit auch die Ideale/Ideen unserer Kultur prägen. (Als Beispiel kann man sehen, dass die dümmsten und Inhaltslosesten Lieder immer noch am bekanntesten sind und irrsinnig oft verkauft werden. In einer solchen Menschheit würde selbst Ghandi oder Buddha oder wer auch immer nichts (oder nur SEHR wenig) bewirken können. Ich sehe also das Problem in der Verdummung der Menschheit. Und da dies ein Problem ist das sich selbst am Leben hält und meiner Meinung nach nicht gelöst werden kann, sehe ich keine Problem in dem Fehlen von Vorbildern. Ich hoffe auf Antwort/Korrektion !

  4. #4 Dr. Webbaer
    April 2, 2015

    Der Gutmensch, ein Konstrukt übrigens, das der Schreiber dieser Zeilen nicht benötigt und nicht aktiv gebraucht, sondern nur gelegentlich: reaktiv, ist nach Martenstein wie folgt definierbar:
    -> https://www.welt.de/kultur/article138678946/Wer-Gutmensch-sagt-verdient-sich-seinen-Shitstorm.html (‘”Der Gutmensch glaubt, dass er, im Kampf für das, was er für ,das Gute’ hält, von jeder zwischenmenschlichen Rücksicht und zivilisatorischen Regel entpflichtet ist.’ – auf die dull erscheinende WELT-Nachricht des beauftragten Feuilletons selbst soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden)

    Es ginge auch den Gutmenschen derart zu definieren, dass er das Gute ganz zuvörderst auf Kosten seiner Mitbürger wollte, das Gute sozusagen anderen aufzutragen, sich selbst als intellektuellen oder “intellektuellen” Ratgeber zurückzuhalten.


    Witzigerweise ist dieser Ansatz, so unmoralisch er für einige auch klingen mag, nicht verkehrt.
    Es ist möglich, dass ‘ 24.000 (!!!) Leute’ “herumdüsen” und dennoch Recht haben.

    Auch auf Kosten anderer.

    Sittlich, wissenschaftlich begründbar und auch politisch.

    Es ist nur nicht so-o wahrscheinlich.

    Das Sich-An-Die-Eigene-Nase-Packen ist etwas für die anderen, selbstverständlich lehnt der Schreiber dieser Zeilen verlogenen Ökologismus, auch den Ökologismus (vs. sinnhaftes Bemühen um die Umgebung) selbst ab, Kritik an derartiger Veranstaltung muss aber nicht auf der Klaviatur der anderen spielen.

    MFG
    Dr. W

  5. #5 Angelika Wittig
    Berlin
    April 4, 2015

    Ich komme aus dem Staunen nicht heraus!
    Allein das anatomische Problem, dass immer drei Finger auf mich selbst zurückweisen, wenn ich mit meinem Finger auf andere zeige, ist schon lähmend genug.
    Ein guter Ausweg aus dem beschriebenen Dilemma wäre: Die Naturwissenschaftler sollten sich endlich dazu aufraffen, den Menschen den Unterschied zwischen Energie und Kraft zu erklären.
    So klar und deutlich, dass einfache Menschen kapieren können, warum sie in bestimmten Situationen handeln oder bestimmte Aktionen unterlassen sollten.
    Wir brauchen keine sogenannten Gutmenschen, wir brauchen starke Menschen.
    “Mach ein Wesen stark, und es wird gut sein.”
    Jean-Jaques Rousseau

    Frohe Ostern!

  6. #6 Name auf Verlangen entfernt
    April 4, 2015

    @ Angelika Wittig: Bei dem Wunsch, etwas über “Energie” und “Kraft” zu erfahren, stimme ich zu – wobei Sie dann aber ergänzen müssen, daß die gesamte aktuelle Naturwissenschaft in ihren Grunddefinitionen ein auf gegenseitige Entsprechung angelegtes, letztlich metaphysisches System ist.

    Mit anderen Worten, was Sie sich für “Kraft” und Energie” wünschen, gilt ebenso für “Masse” und “Beschleunigung” oder sogar “Gewicht” und “Länge” – über das Wesen der Dinge ist daher nichts bekannt, weil es sich nur um wechselseitig aufeinander bezogene mathematische Größen handelt, die alle durch “c” definiert werden.

    Was nun aber Rousseau angeht, kann sein “weiser” Spruch nur damit zusammenhängen, daß er sich des schlechten Gewissens wg. seiner drei eigenen Kinder (3 Söhne) entledigen wollte: die er, anders noch als Abraham, dem Weisenhaus opferte, wo sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so stark wurden, daß sie daran verstarben.

  7. #7 Dr. Webbaer
    April 4, 2015

    Gustav Heinemann lag mit seinem ‘Wer mit dem Zeigefinger allgemeiner Vorwürfe auf den oder die vermeintlichen Anstifter oder Drahtzieher zeigt, sollte daran denken, daß in der Hand mit dem ausgestreckten Zeigefinger zugleich drei andere Finger auf ihn selbst zurückweisen.’ schon richtig, es macht Sinn auf ‘Vorwürfe’ und Psychologisierungen zu verzichten und sich primär die Argumentation der anderen vorzuknöpfen.
    Wobei dies auch gerne ohne Rücksichtnahme auf Personen erfolgen darf.

  8. #8 Angelika Wittig
    April 4, 2015

    @Dr. Webbaer
    Aha, von Heinemann kam diese Aussage ursprünglich? Ich dachte Konfuzius sei der Urheber.

    @ Name auf Verlangen entfernt
    Ich stimme mit Ihnen völlig überein, was die Naturwissenschaft angeht.
    Was Rousseau betrifft, so habe ich es mir abgewöhnt, mit der Ab- und Bewertung von Personen zu argumentieren.
    Seine Motive, die eigenen Kinder nicht selbst aufzuziehen kenne ich nicht.
    Es ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass er ziemlich nützlich hinsichtlich der Weiterentwicklung der Menschheit war.
    Mein Wunsch, etwas über Energie und Kraft zu erfahren, bezog sich eigentlich nur darauf, das jeder Mensch für sich selbst erkennen sollte, was der Unterschied zwischen Energie und Kraft ist:
    Für Energie gilt der Energieerhaltungssatz, für Kraft nicht. Diese kann erzeugt und vernichtet werden.
    Sobald dieser Unterschied bewusst wird, kann ein Mensch selbst wählen, welche Wege er gehen will und wie er seine Kraft einsetzt, um diese für seine Lebensqualität zu erhalten.
    Dann wird sich nicht nur einer finden, der aufsteht und Mut zur Abweichung von der Trägheitsbahn besitzt.
    Nur so kann Veränderung beginnen.
    Zum Schluss noch ein Zitat:
    “Bitte keine Klagen über die schlechten Zeiten. Die Zeiten sind immer gleich gut oder gleich schlecht.
    Bessere Menschen schaffen bessere Zeiten.”
    Wenn Sie einmal erlebt hätten, wie ein behindertes Kind aufblüht, wenn es etwas allein meistern kann, dann könnten Sie meinen Standpunkt, dass Stärke zum Gutsein führt, bestimmt besser nachvollziehen.
    Herzliche Ostergrüße!

  9. #9 Angelika Wittig
    April 4, 2015

    @Name auf Verlangen entfernt
    Verflixt, jetzt habe ich doch tatsächlich die Kernaussage des Zitats vergessen:
    “Nicht die Stärke der Schlechten, die Schwäche der Besseren ist unser größtes Problem”

  10. #10 Angelika Wittig
    April 5, 2015

    @Yogi
    Was Sie hier schildern betrifft die Faulheit, selbständig zu denken und es ist tatsächlich bemerkenswert, wie gemütlich man mit dem Strom schwimmen kann, wenn man will.
    Leider führt dieses Mitschwimmen dazu, dass die Denkfähigkeit nach und nach vollständig eingebüßt wird.
    Das ist Dekadenz!
    Es ist wohltuend, dass sich jemand noch richtig darüber aufregen kann. Dies wäre der erste Schritt in die richtige Richtung.
    Albert Einstein hat auch hier etwas Wichtiges geäußert:
    “Nicht die Atombombe ist unser Problem, sondern die Trägheit des menschlichen Herzens.”

  11. #11 Angelika Wittig
    April 5, 2015

    @Studentenfutter
    Die Fähigkeit, etwas Unsichtbares wahrzunehmen, erfordert größte persönliche Kraft.
    Die Indianer lehren ihre Kinder, zwischen die vom Wind bewegten Blätter eines Baumes zu sehen, um die Bewegung zwischen den Dingen, eben das Unsichtbare, zu begreifen.
    Hiervon sind wir noch meilenweit entfernt.
    Ich stimme mit Ihnen überein, dass es bedauerlich ist, dass Herr Fischer keinen Dialog in seinem Blog pflegt.
    Deshalb ist dieser auch so langweilig, trotz interessanter Themen.
    Dennoch respektiere ich seine Haltung, er ist ein freier Mensch und kann frei wählen.

  12. #12 Dr. Webbaer
    April 6, 2015

    Zu Heinemann, diesmal nicht zitierend und zustimmend gemeint, als den Gustav, gibt es im Deutschen noch die nette Redewendung:
    Heinemann, geh Du voran!’

    Und in der Tat, die letzte Fragestellung dieses feuil­le­to­nis­tischen WebLog-Artikels meinend, muss es nicht schlecht oder ‘schade’ sein, wenn sich hier nur wenige finden.

    MFG
    Dr. W

  13. #13 Angelika Wittig
    Berlin
    April 6, 2015

    @Dr. Webbaer
    Genau so ist es. Klasse statt Masse.
    Ich finde Ihren Einsatz hier sehr erfreulich und lese Ihre Stellungnahmen hier sehr gern.

    Danke und herzliche Grüße
    A.W.