In der FAZ von heute (3.5.16) steht auf der Seite 12 ein Aufsatz, der “Zusammenhänge zwischen Genen und Lebenszufriedenheit” zu wissen vorgibt und sich nun an deren Deutung machen will. Tatsächlich behaupten die drei (!) gelehrten Autoren für die zwei kurzen Spalten, sie wüssten nun eindeutig Bescheid, wie Gene zur Lebenszufriedenheit führen, wieso man in Familien “ganz der Opa” oder so ähnlich sagen kann. Und zwar wie und wieso? Neugierig stürzt man sich auf den Beitrag – und findet bestenfalls lächerliche Auskünfte. Man erfährt von “komplex-genetischen Phänotypen”, die von einem komplexen Zusammenspiel vieler genetischer Faktoren geleitet werden. Ach!, würde Loriot sagen. Man erfährt weiter, dass gesellschaftliche Umstände Menschen glücklicher machen. Ach!, würde Loriot sagen. Man erfährt darüber hinaus, dass die Erklärungskraft einzelner Geneffekte – kennt die jemand? – zu gering und das Zusammenspiel zwischen genetischen und nicht-genetischen Faktoren zu komplex ist. Ach!, würde Loriot sagen, und allmählich fängt die genetische Wissenschaft an, ihre eigene Satire zu schreiben. Sie macht sich sogar überflüssig, indem sie darauf hinweist, dass es seit der Erfindung der Brille nicht nötig ist, an den genetischen Ursachen von Kurzsichtigkeit herumzufummeln.  Die drei Autoren, die der FAZ diesen lächerlichen Beitrag aufgeschwatzt haben, stellen sich als Gen-Ökonomen, Genomanalytiker und Bildungsforscher vor. Bei diesem Trio kommt einem das Grauen. Und der Zusammenhang, den sie aufdecken, besteht zwischen Gelehrsamkeit und  sprachlicher Hilflosigkeit. Man hätte große Lust, an dieser Stelle die Deutung zu übernehmen.

Kommentare (4)

  1. #1 Joachim
    Mai 3, 2016

    So ungefähr das ist der Grund, warum ich die normalen Medien generell meide und Blogs wie diese hier lieber lese. Zeitungen und Nachrichtenmagazine sind doch nur auf Verkaufszahlen aus, da dehnt man doch gerne Wahrheiten und Überschriften bis zum Erbrechen.

  2. #2 Alisier
    Mai 3, 2016

    Dabei ist normalerweise der Wissensteil der FAZ noch der beste. So einen Schrott muss man sich in der Tat erst mal leisten.
    Andererseits: das wirre Zeug richtet jetzt auch keinen wirklichen Schaden an. Außer vielleicht für den Ruf der FAZ.

  3. #3 Cornelius Courts
    Mai 4, 2016

    “allmählich fängt die genetische Wissenschaft an, ihre eigene Satire zu schreiben.”

    also, falls das eine ungeschlachte Generalkritik an der Genetik aufgrund eines möglicherweise weniger guten Artikels in irgendeiner Zeitung sein soll, dann ist DAS die eigentliche (Real)Satire

  4. #4 demolog
    Mai 5, 2016

    @ Alisier #2
    Mai 3, 2016

    Natürlich richtet auch sowas Schaden an. Nämlich durch die Gewissheit in der Deutung. Man kann angesichts versucht sein, zu glauben, “die” wüssten, wovon sie redeten und eine falsche Sicherheit und Gewissheit und vor allem Zuversicht erzeugen, die gar nicht da ist oder sein wird – in absehbarer Zeit.

    Auch wer meint, weil es Brillen gäbe, braucht man auch Fehlsichtigkeit nicht irgendwie primär Therapieren (irgendwie), hat wahrscheinlich auch einen ziemlich geringen Anspruch an die Wissenschaft. Zu viel Genügsamkeit ist gerade bei menschlicher unzulänglichkeit (also die ganzen Zivilisations-Wehwehchen) fehl am Platz. Wir würden uns alle wünschen, dass wir immer und bis ins hohe Alter ausgezeichnet sehen könnten. Das die Brille wirklich eine Abhilfe für die Fehlsichtigkeit sei, glaubt nur einer, der nicht fehlsichtig ist oer der immer schon eine Brille getragen hat und es gar nicht anders kennt. Wer im Laufe seines Lebens fehlsichtig wird, merkt erst richtig, wie einschränkend so eine Brille ist und wie wenig die Brille den Schaden korrigiert.

    Nicht zuletzt kann man an solchem medialen Output den Glauben an die Wissenschaft und die Welt verlieren, wenn man irgendwann feststellt, wie wenig tatsächlich hinter solchem Gerede steckt. Blabla-Niveau hat noch niemandem nachhaltig überzeugt. Wohl aber unterhalten und in seiner Weltsicht-Blase zufrieden gestellt, wenn man von der Welt nicht mehr erwartet, als Gerede auf scheinbar gehobenem Niveau.