Gerade eben habe ich die Nachricht erhalten, dass die zweite internationale bildwissenschaftliche Konferenz in Goettweig – “BLICK IM 21. JAHRHUNDERT – Wider den „Analpha-BILD-ismus“ (24.-26. April) ausfällt bzw. “auf unbestimmte Zeit verschoben” wird.

Das ist sehr schade. Nicht nur, weil ich nur zu gerne in diesem Blog von meiner Reise an die Donau und meiner Poster-Präsentation vor der versammelten internationalen Bildwissenschaft berichtet hätte. Nein, auch zu demThema an sich – der Wandel der Bilderwelten im 21. Jahrhundert – hätte mich ein Austausch brennend interessiert. Wie hieß es so schön in der nun leider erstmal hinfälligen Tagungsankündigung?

Bilder dringen in neue Bereiche vor: das Fernsehen wandelte sich zum globalen Zappingfeld tausender Kanaele, Großbildwaende halten in unsere Staedte Einzug und schaffen emotionale Kollektiverlebnisse, Mobiltelefone versenden Micro-Movies in Echtzeit; Wir erleben den Aufstieg des Bildes zum computergenerierten virtuellen Raumbild, das eine zunehmend lebensechte Sphaere entfaltet. Wissenschaft, Politik und Entertainment nutzen neue Dimensionen der Bilderzeugung und Bildwirkung. Seit den 60er Jahren verbinden sich Kunst und Wissenschaft in der Grundlagenforschung der Medienkunst und doch ruhen diese auf partiell unbekannten Traditionslinien.

An der Diagnose ist sicherlich etwas dran und gerade meine eigene Wissenschaft, die Soziologie, hat sich bislang viel zu zögerlich auf diesem Terrain bewegt. Der Fokus lag in Lasswell-Manier vor allem auf der Rezeption, also den Bildwirkungen, oder der Verwendung von Fotografien als Forschungsinstrument (“visuelle Soziologie”), während der Einfluss von Bildern auf die gesellschaftliche Wissensordnung nur selten in den Blick geraten ist.

Schade also, aber wenigstens bekommt dadurch mein ziemlich vollgepackter Konferenzreiseplan für das erste Halbjahr 2008 wieder ein klein wenig Luft.

Unser Abstract für diese Konferenz lautete übrigens wie folgt:

Unser Beitrag skizziert eine wissenssoziologische Betrachtung statistischer Infografiken. Bislang wurde die visuelle Repräsentation statistischen Wissens primär in anwendungsorientierten Kontexten betrachtet und hat sich darauf konzentriert, wie man diese Informationen am wirkungsvollsten grafisch wiedergeben kann. Der hier vorgeschlagene wissenssoziologische Ansatz hinterfragt diese Perspektive und versucht an vier Problemstellungen den besonderen Wissensstatus der Infografik zu ergründen:
1) Als Funktion der Infografik wird immer wieder genannt: die Transformation der schwer überschaubaren Komplexität statistischen Datenmaterials in eine lesbare und verständliche Darstellungsform. Gleichzeitig verschwinden damit die Spuren der Produziertheit, Kontingenz und Kontextualität der Ausgangsdaten – oder lassen sich Spuren von Uneindeutigkeit und Nicht-Wissen doch noch in der grafischen Darstellung auffinden?
2) Damit eng verbunden ist die Frage, inwiefern die visuelle Repräsentation als Abbildung sozialer Wirklichkeit verstanden wird oder ob sich zeigen lässt, dass die Visualisierung zunehmend in gebrochenem Verhältnis zur „statistischen Realität“ gesehen wird (=reflexiv-moderne Haltung).
3) Drittens ist die Infografik im Spannungsfeld zwischen Wissenschaftlichkeit und Ästhetik/Design zu betrachten, denn, was eine gelungene Visualisierung darstellt, lässt sich oft gerade nicht auf Grundlage wissenschaftlichen Urteilens bestimmen, sondern richtet sich (auch) nach der ästhetischen Qualität der Umsetzung. Vor allem in dem fast schon hermeneutischen „Durcharbeiten“ des Stoffes durch den Infografiker geht es nicht allein um die routinierte grafische Transformation statistischer Daten, sondern um das durch Erfahrungswissen und ästhetische Urteilskraft geschulte Evident-Machen einer Gestalt.
4) Genau dieser Prozess wird allerdings durch den gleichzeitigen Trend einer massiven Erleichterung der Erstellung von Infografiken und Schaubildern durch Amateure konterkariert oder transformiert („PowerPoint“). Bei den Designexperten fällt diese Form der Erstellung von Infografiken häufig als „chart junk“ (so Tufte) durch; darüber hinaus ist diese Entwicklung unter der Perspektive der ursprünglichen elitären Ablehnung von Infografiken als nivellierende Verständnishilfe für statistische Analphabeten zu betrachten, deren strukturierende Bedeutung nach wie vor unklar ist.
Diese vier Achsen – Eindeutigkeit, Mimesis, Ästhetik und Nivellierung – stellen den Kern unseres Interpretationsrasters dar, mit dessen Hilfe der besondere Wissenscharakter der statistischen Infografik und seine Veränderungen gegen Ende des 20. Jahrhunderts erschlossen werden sollen.