Passend zum Thema der 2. Schweizer Geschichtstage „Grenzen” habe ich in den vergangenen Wochen auf „Zeittaucher” mehrmals über Themen zu „Grenzen” und über die „Schweiz” berichtet, die ich anbei nochmals für Interessierte aufführen möchte.

Wellness und Zeitgeschichte (27.12.2009)

Innerdeutsche Grenze – Mit dem Unimog durch den früheren Todesstreifen (28.12.2009)

Einwanderung – Die kurpfälzischen Gene kommen (auch) aus der Schweiz (18.12.2009)

Im Mai 2009 fand übrigens in Helmstedt eine vom Deutschen Geschichtslehrerverband mit organisierte Tagung über „Grenzen” statt, über die ich damals einen Bericht mit verfasst habe, der aber nicht auf meinem Blog veröffentlicht wurde, weil es diesen damals noch nicht gab.

Internationales Symposium Helmstedt:

„Grenzen als internationales Problem”

Experten diskutierten über weltweite Grenzkonflikte

Von Sylvia Semmet und Christian Jung

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Zum Abschluss der dreitägigen Konferenz „Grenzen als internationales Problem” debattierten im Helmstedter Juleum unter der Moderation von Dr. Peter Lautzas vom Verband der Geschichtslehrer Deutschlands (Mitte) der israelische Journalist Igal Avidan (von links), der Vorsitzende der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft Raif Hussein, der israelische Botschaftsgesandte Ilan Mor sowie der Leiter der Kulturabteilung der Generaldirektion Palästinas in Berlin, Abdullah Hijazi. (Foto: CJ 2009)

Helmstedt. „Man streitet sich um nichts lieber, als um Grenzen!” – Mit diesem treffenden Statement eröffnete Professor Gerd Biegel von der Technischen Universität Braunschweig vom 22. bis 24. Mai 2009 das Symposium „Grenzen als internationales Problem” im Helmstedter Juleum. Dieses war vom Helmstedter Verein „Grenzenlos – Wege zum Nachbarn” und dem Verband der Geschichtslehrer Deutschlands organisiert worden.

Bereits die beiden Eröffnungsreden beleuchteten das Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln und setzten so einen angemessenen Rahmen für die kommenden Tage. Während sich Biegels launige und detailreiche Worte einen Bogen vom römischen Limes über das Mittelalter bis hin zu modernen Grenzen spannten, bot Joke van der Leeuw-Roord, geschäftsführende Direktorin des europäischen Geschichtslehrerverbandes (EUROCLIO), eine äußerst aktuelle europäische Perspektive und gewährte einen Blick in europäische Klassenzimmer. Sie machte Hoffnung auf ein Überwinden von Grenzen im Geschichtsunterricht, indem sie zahlreiche und vielversprechende grenzüberschreitende Projekte vorstellte.

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Der zypriotische Botschafter Pantias Eliades warf in seiner von Sylvia Semmet vom Deutschen Geschichtslehrerverband ins Deutsche übersetzten Rede der Türkei vor, die anhaltende Teilung der Mittelmeerinsel verursacht zu haben und durch die Ansiedlung von anatolischen Bevölkerungsgruppen im Nordteil Zyperns Einigungsbemühungen zu torpedieren (Foto: Stadt Helmstedt).

In der früheren Universitätsstadt konnten außerdem die niedersächsische Kultusministerin Elisabeth Heister-Neumann, der Botschafter der Republik Zypern, Pantias Eliades, der Sozialpsychologe Prof. Dr. Harald Welzer von der Universität Essen und der polnischen Historiker Prof. Dr. Robert Traba begrüßt werden. Traba stellte dabei seinen Ansatz einer „Polyphonie des kollektiven Gedächtnisses” und dessen Vorzüge einer Verhinderung der Deutungshoheit einer historischen Meistererzählung vor. Gerade im Hinblick auf die gegenseitige Wahrnehmung der deutsch-polnischen Grenzgeschichte sei dies von immenser Bedeutung. Welzer hingegen betonte Aspekte, die sowohl für das Verständnis der Geschichtskultur eines Landes, wie auch für Zeitzeugengespräche im Geschichtsunterricht von entscheidender Bedeutung seien. „Gedächtnisse schreiben ihre Vergangenheit immer wieder aus der Gegenwart neu heraus”, betonte der Sozialpsychologe. Nach seiner Ansicht müsse der „Holocaust als eine Art negatives Gründungsereignis für Europa” betrachtet werden. In einer durchaus polarisierenden Rede bemühte sich außerdem der zypriotische Botschafter Pantias Eliades, dem Publikum die Perspektive der griechischen Zyprioten zur Teilung Zyperns näherzubringen. Er warf dabei der Türkei vor, die anhaltende Teilung der Mittelmeerinsel verursacht zu haben und durch die Ansiedlung von anatolischen Bevölkerungsgruppen im Nordteil Zyperns Einigungsbemühungen zu torpedieren.

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Trotz einer emotionalen Diskussion um den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern gab es auch versöhnliche Töne zwischen dem israelischen Journalisten Igal Avidan (links) und dem Vorsitzenden der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft, Raif Hussein. (Foto: Jung 2009)

Für den Schlusstag der Veranstaltung hatten sich der israelische Gesandte Ilan Mor, der Leiter der Kulturabteilung der Generaldelegation Palästinas in Deutschland, Abdullah Hijazi, ebenso zu einer Podiumsdiskussion zur aktuellen Grenzproblematik zwischen Israel und den Palästinensergebieten bereit erklärt, wie Raif Hussein von der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft und der israelische Journalist Igal Avidan. Um Verständnis für die prekäre Lage Israels warb Avidan und erläuterte, dass der im Jahr 2003 begonnene, mittlerweile 380 Kilometer lange und bis zu neun Meter hohe Trennungszaun zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten zuerst als Sicherheitslösung und direkte Reaktion der israelischen Bevölkerung auf Terroranschläge von Palästinensern konzipiert war. „Gleichzeitig stellt der Mauerbau aber auch eine gravierende Teilung beider Völker und zahlreicher Familien dar”, betonte der Journalist. Die auch durch den Zaun zurzeit feststellbare Ruhe sei enorm wichtig, „damit wir die Kompromisse machen können, die es bei Anschlägen nicht geben kann. Somit bringt uns beiden der Zaun mehr Sicherheit”.

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Der israelische Botschaftsgesandte Ilan Mor betonte, dass es neben den physischen noch viel mehr psychologische Grenzen gebe, die Israelis und Palästinensern seit Jahrzehnten trennten. (Foto: Jung)

Raif Hussein entgegnete, die von Israel errichtete Mauer sei zwar für ihn nachvollziehbar, doch dürfe diese nicht auf palästinensischem Gebiet erstellt werden, „um neue Grenzlinien durch die Hintertür zu ziehen”. Die Barriere beraube viele Menschen zudem ihrer natürlichen Freiheiten und Arbeitsmöglichkeiten, um die Existenz ihrer Familien zu gewährleisten. Dabei gelte es ebenso, die über 600 Grenzstationen „Check-Points” im palästinensischen Gebiet als „kleine Grenzen” abzubauen, um ein gegenseitiges Vertrauen entstehen zu lassen. Ilan Mor von der israelischen Botschaft in Berlin fügte hinzu, dass es neben den physischen noch viel mehr psychologische Grenzen gebe, die Israelis und Palästinensern seit Jahrzehnten trennten. „Israel muss als das Land der Juden von der arabischen Welt und den Palästinensern anerkannt werden. Ohne die Überwindung einer solchen psychologischen Grenze kann der tiefgreifende Hass in absehbarer Zeit nicht überwunden werden”, sagte Mor.

Der Vorsitzende des Deutschen Geschichtslehrerverbandes Dr. Peter Lautzas betonte zum Abschluss der Veranstaltung im versöhnlichen Ton, dass es angesichts der „verworrenen Lage” im Nahen Osten bemerkenswert sei, dass es die Vertreter der verschiedenen Konfliktparteien bei dem Helmstedter Symposium geschafft hätten, sich miteinander an einen Tisch zu setzen. Denn das gemeinsame Gespräch sei immer der erste Schritt zur Verständigung im weiteren Friedensprozess. In diesem Sinne endete eine äußerst abwechslungsreiche Tagung, die zahlreiche Denkanstöße zum Thema gab.