Der Insektenexperte Detlef Mader, über dessen Arbeit zu Hirschkäfern ich schon auf Zeittaucher berichtet habe, hat mir nun einen interessanten Bericht zu den Apollofaltern zukommen lassen, die in den Weinbergen und an den Waldrändern der Moseltal-Steilhänge zwischen Koblenz und Trier vorkommen. Der Text (mit einem der längsten Caesar-Sätze als Einleitung) passt indirekt auch gut zum lesenswerten und besonders sehenswerten Blog-Beitrag „Superinsektenautobahn”, der gestern auf evolvimus erschienen ist. CJ

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An den extremen Steilhängen des Moseltales ist der Apollo-Falter zu Hause.

(Fotos: Thomas Richter/Hans-Joachim Klein)

Der Mosel-Apollo und seine Heimat: Ausflugstipp für Naturfreunde und Insektenliebhaber

Von Detlef Mader

Im romantischen Moseltal zwischen Koblenz und Trier, welches durch langgezogene Flussschleifen und imposante Steilhänge mit markanten Burgen und schroffen Felsen zwischen den malerischen Ortschaften in der vom graubraunen bis grauschwarzen devonischen Moselschiefer geprägten Landschaft an der Grenze zwischen der Eifel im Norden und Westen und dem Hunsrück im Süden und Osten gekennzeichnet ist, und welches durch die dort im schwierigen Gelände der extremen Steilhänge mit nur stellenweise eingeschalteten schmalen Terrassen erzeugten vorzüglichen Weine weltweiten Ruhm erlangt hat, lebt die letzte ausgedehnte stabile Population des schon seit langer Zeit unter strengem Naturschutz stehenden Apollofalters in Deutschland in einem umfangreichen und aus aktueller Sicht ausreichend gesicherten und geschützten Rückzugsgebiet, so dass der im zentralen Mitteleuropa einzigartige Bestand des schönen Ritterfalters aus derzeitiger Perspektive nicht gefährdet erscheint.

Der Mosel-Apollo (Parnassius apollo vinningensis STICHEL 1899; Lepidoptera: Papilionidae), welcher seinen Unterartnamen von seinem schon seit über einem Jahrhundert etablierten typischen Flugplatz um Winningen (südwestlich von Koblenz) erhalten hat, findet an den pittoresken Steilhängen des kurvenreichen Moseltales mit vielen mäanderartigen Flußschlingen zwischen Koblenz und Trier in den Weinbergen und an den Waldrändern optimale Lebensbedingungen, wodurch das Refugium des Mosel-Apollo an der Grenze zwischen Eifel und Hunsrück den Status des letzten Paradieses des Apollofalters in Deutschland erlangt, und erscheint schon seit langer Zeit jedes Jahr in individuenreichen Populationen an zahlreichen langfristig stabilen Flugplätzen. Das regelmäßige Vorkommen des Mosel-Apollo an den prägnanten Steilhängen der häufig engen Flusswendebögen des Moseltales wird schon seit mehr als 100 Jahren immer wieder in der einschlägigen Literatur erwähnt und ist dadurch in der ganzen Welt im wissenschaftlichen Schrifttum bekannt.

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Vollmond und Neumond haben entscheidenden Einfluss auf Auslösung und Steuerung sowohl des Schwärmens und Massenfluges von Insekten als auch des Schuss- und Massenwachstums von Pilzen. Die lunarzyklische Interpretation der kurzfristigen Populationsdynamik von Insekten und Pilzen erlaubt auch die Vorhersage von Schwärmphasen von Insekten und Schubphasen von Pilzen in den Tagen um Vollmond und Neumond. Die selenozyklische Interpretation der kurzfristigen Populationsdynamik gestattet auch beim Mosel-Apollo im Moseltal zwischen Koblenz und Trier die lunarbiologische Deutung des Erscheinens innerhalb des Jahres und ermöglicht die Prognose des Höhepunktes und des Finales der Flugzeit im laufenden und im folgenden Jahr.

(via evolvimus)

Die ersten Individuen des Mosel-Apollo im Moseltal zwischen Koblenz und Trier sind bereits wenige Tage vor dem Vollmond am 28. Mai 2010 geflogen, und in den Tagen nach dem Vollmond sind bereits etliche Exemplare geschlüpft, so dass in den Tagen um den abnehmenden Halbmond am 4. Juni 2010 und um den Neumond am 12. Juni 2010 schon zahlreiche Individuen sich an verschiedenen Flugplätzen getummelt, an Blüten- Nektar gesaugt und sich auch gepaart haben. Die ersten Individuen des Mosel-Apollo sind somit schon kurz nach dem Ende der in diesem Jahr verlängerten Eisheiligen zwischen dem Neumond am 14. Mai 2010 und dem Vollmond am 28. Mai 2010 erschienen, wohingegen andere Teile der Population des Mosel-Apollo die in diesem Jahr sehr kurze Schafskälte abgewartet und erst um dem Vollmond erschienen sind. Der Höhepunkt der Flugzeit des Mosel-Apollo mit der Kulmination der Häufigkeit der Individuen hat bereits zwischen dem Vollmond und dem Neumond stattgefunden, als an allen Flugplätzen zahlreiche Individuen die Steilhänge entlanggesegelt, um Blüten herumgeflattert, die Terrassen heruntergeglitten und an Wegrändern vorbeigeschwebt sind. Nach dem Neumond am 12. Juni 2010 hat die Anzahl der Individuen des Mosel-Apollo schon wieder abgenommen, obwohl etliche Individuen um den 26. Juni 2010 und einzelne Individuen um den Juli-Neumond an den bekannten Lokalitäten herumflogen. Nach dem Neumond am 11. Juli 2010 ist mit den letzten herumflatternden vereinzelten Individuen die diesjährige Flugzeit des Mosel-Apollo noch vor dem Einsetzen der Julikälte vor dem Vollmond am 26. Juli 2010 ausgeklungen.

Die besten Beobachtungsmöglichkeiten für den seltenen Falter haben daher in diesem Jahr zwischen dem Vollmond am 28. Mai und dem Neumond am 12. Juni 2010 bestanden, und in Analogie und Extrapolation dazu prognostiziere ich für das nächste Jahr die besten Beobachtungsmöglichkeiten zwischen dem Neumond am 02. Juni 2011 und dem Vollmond am 15. Juni 2011. Allen Insektenliebhabern, welche das bezaubernde Schauspiel des Fluges des großen Ritterfalters, welches in dieser Konstellation nirgendwo anders in Deutschland und in den umliegenden Ländern in Europa bestaunt werden kann, selbst erleben möchten, wird deshalb der Besuch der Region empfohlen.

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Der Mosel-Apollo gehört damit zusammen mit dem Hirschkäfer, welcher der größte und spektakulärste Käfer in Europa ist, zu denjenigen Insekten, welche mit der Hauptmasse der Individuen zwischen den Eisheiligen im Mai und der Schafskälte im Juni erscheinen, wohingegen vor den Eisheiligen lediglich einzelne Vorläufer und nach der Schafskälte nur noch untergeordnete Teile der Populationen oder sogar nur noch einzelne bis etliche Nachzügler vorkommen. Dagegen bilden die Sommergenerationen des Tagpfauenauges, des Distelfalters, des Admirals, des Schwalbenschwanzes, des Segelfalters, des Schachbretts und etlicher weiterer Falter die Gruppe derjenigen Schmetterlinge, welche abgesehen von untergeordneten Teilmengen der Populationen als Vorläufer die markanten Kälteeinbrüche der Eisheiligen im Mai und der Schafskälte im Juni mit ausgiebigen Niederschlägen und empfindlich kühlen Temperaturen bis zu Nachtfrösten und Schneefällen in extremen Situationen und im Gebirge abwarten und erst nach dem Auslaufen der prägnanten Unterbrechungen der Schönwetterperioden in Frühling und Sommer mit der Hauptmasse der Individuen erscheinen, welche ihre Paarung und Eiablage bis zum Einsetzen der Julikälte im Juli weitgehend abgeschlossen haben. Auf der anderen Seite treten der Aurorafalter und die Frühjahrsgeneration des Segelfalters, welche zu den ersten Schmetterlingen im Frühling zählen, sowie der Maikäfer als einer der am meisten verbreiteten und bekanntesten Käfer in Europa bereits vor den Eisheiligen im Mai mit der Hauptmasse der Individuen auf.

Die besten Beobachtungsmöglichkeiten des Mosel-Apollo bestehen am Apolloweg mitten im Steilhang am Nordhang des Moseltales zwischen Valwig und Cochem-Cond östlich Cochem, welcher sowohl an seinem westlichen Ende am Weinbergstor am östlichen Ortsausgang von Cochem-Cond als auch an seinem östlichen Ende in der Verlängerung der Kreuzstraße in Valwig in Richtung Valwigerberg in etwa halber Höhe zugänglich ist, und entlang des Radweges am Fuß der Steilhänge am Nordhang des Moseltales zwischen Winningen und Kobern-Gondorf südwestlich Koblenz. Die am meisten frequentierten Flugplätze des Mosel-Apollo in den beiden vorgenannten Intervallen liegen an der Blumslay nordwestlich Winningen, am Rosenberg nördlich Kobern-Gondorf, an der Brauselay südöstlich Cochem-Cond und am Hahnenberg westlich Valwig. Weitere gut erreichbare Flugplätze des Mosel-Apollo befinden sich am Ausoniussteinbruch und an der Wandlay am Westhang des Moseltales nördlich Kattenes südlich Kobern-Gondorf, am Ausgang des Dortebachtales am Nordhang des Moseltales ostnordöstlich Klotten nordöstlich Cochem, und in den Weinbergen am Nordhang des Moseltales zwischen Klotten nordöstlich Cochem und Pommern westlich Treis-Karden. Alle vorgenannten Flugplätze des Mosel-Apollo können über meist ebene, breite und teilweise auch befestigte gut begehbare Wege erreicht werden, und nur im westlichen Teil des Apolloweges zwischen Valwig und Cochem-Cond sind auch größere Höhenunterschiede auf lediglich schmalen Pfaden zu überwinden. Die meisten Flugplätze des Mosel-Apollo liegen im oberen Bereich der Weinberge in der Nähe des Waldrandes, und einige Flugplätze des Mosel-Apollo befinden sich auch im Umfeld der Einmündungen von kleinen Seitentälern in das Moseltal im unteren Bereich der Weinberge ebenfalls vor dem Waldrand.

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Ein weiteres Profil mit bekannten Flugplätzen des Mosel-Apollo ist der Calmont-Klettersteig am Nordhang des Moseltales zwischen Ediger-Eller und Bremm südlich Cochem, welcher jedoch nur einen schmalen Pfad mit erheblichen Höhenunterschieden und zahlreichen Kletterabschnitten mit teilweise alpinem Charakter darstellt, der nur mit festem Schuhwerk begangen werden kann und aufgrund seines anstrengenden Streckenverlaufes mit ständig wechselnden Anstiegen und Abfällen nur trainierten Bergwanderern zur Begehung empfohlen werden kann. Wer jedoch die kraftraubende Bergtour des schmalen Calmont-Klettersteiges mit seinem permanenten Wechsel von Anstiegen und Abfällen bewältigt, wird nicht nur durch die packenden Flugvorführungen des Mosel-Apollo an den bizarren Steilhängen belohnt, sondern wird für seine Mühe auch durch das grandiose Panorama der Moselschleife zwischen Ediger-Eller und Bremm entschädigt, welches entlang des Calmont-Klettersteiges in einer spektakulären Rundumsicht in vielen Perspektiven an der teilweise atemberaubenden Steilkante des hier streckenweise canyonartig abfallenden Moseltales bezaubert. Ein herrliches Panorama des Moseltales kann mit einem normalen Spaziergang auf einem breiten ebenen Weg auch vom östlichen Teil des Apolloweges zwischen der Straßenkurve nördlich der Kirche von Valwig und dem Aussichtspunkt Panoramablick an der Weinbergschutzhütte nördlich Kloster Ebernach westsüdwestlich Valwig genossen werden, wo ebenfalls neben der faszinierenden Flusslandschaft auch die fesselnden Flugdarbietungen des Mosel-Apollo bewundert werden können.

(Redaktion: Christian Jung)

Literatur zum Thema mondbezogene Populationsdynamik von Insekten:

MADER, Detlev: Populationsdynamik, Ökologie und Schutz des Hirschkäfers
(Lucanus cervus) im Raum um Heidelberg und Mannheim, Ubstadt-Weiher 2009.

MADER, Detlev: Moon-related population dynamics and ecology of the Stag Beetle Lucanus cervus, other beetles, butterflies, dragonflies and other insects, Ubstadt-Weiher 2010.

Kontakt: dr.detlef.mader@web.de

Kommentare (3)

  1. #1 Stefan Taube
    Juli 27, 2010

    WOW, was für ein erster Satz: “Im romantischen Moseltal zwischen Koblenz und Trier, welches…”

    Wo kommt denn der Autor her? Mir fällt da spontan der Spruch ein:

    Gebrauchst Du Punkt und Komma kaum,
    so bist Du im Rhein-Neckar-Raum.

  2. #2 Christian Jung
    Juli 27, 2010

    @Stefan: Aus Walldorf!

  3. #3 Peter Winninger
    November 23, 2011

    Hi,
    bin letztes Wochenende auch auf dem Apolloweg unterwegs gewesen. Natürlich für die Falter vielllllllllllll zu spät. Aber bei dem tollen Wetter hat der Weg gezeigt, dass er auch ohne seinen Namensgeber “wandernswert” ist.
    Aber die Bilder hier haben neugierig gemacht: Werde wohl im nächsten Sommer nochmal eine Runde durch das Moseltal drehen müssen.
    Gruß
    Winni