Bei „Twitter” ist seit einiger Zeit „Historine” unterwegs und twittert über Geschichte und alles, was sie sonst so bewegt. Historine will anonym bleiben, gab aber „Zeittaucher” ein Interview.

Christian: Was bringt Dir Twitter für Deine historische Arbeit?

Historine: Bei meiner Arbeit hilft mir Twitter eher indirekt. Zwar habe ich auch schon die ein oder andere interessante fachliche Diskussion geführt mit Personen, die ich auf „normalem” Weg vielleicht nie kennengelernt hätte, aber wichtiger erscheint mir ein anderer Aspekt: Man kommt über Twitter mit Menschen in Kontakt, die sich in ähnlichen Arbeitsphasen oder beruflichen Situationen befinden, wie man selbst und auf ähnliche Probleme oder Fragen stoßen. Sich auch mal mit ganz anderen Menschen über die normalen Zweifel und Schwierigkeiten austauschen zu können, ist sehr angenehm.

Christian: Ist die Twitter-Welt nicht komplett oberflächig und banal?

Historine: Nicht oberflächlicher und banaler als „normales” menschliches Zusammenleben auch. 🙂 Natürlich entscheidet man, auf welche Tweets man reagiert und auf welche nicht. Zu einigen Twitterern gelingt es, näheren Kontakt aufzubauen und mehr über sie zu erfahren, bei anderen bleibt es eben beim „Zuhören”. Im Grunde wie Begegnungen auf dem Uni-Flur. Aber wie eben schon angedeutet, ermöglicht vielleicht gerade die relative Anonymität auf Twitter einen intensiveren Austausch, ohne auf Hierarchien oder Konkurrenzen Rücksicht nehmen zu müssen, wie bei Begegnungen im „Real Life”.

Christian: Was sind Deine Forschungsschwerpunkte und wie verbindest Du diese mit Twitter?

Historine: Meine Forschungsschwerpunkte sind die Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts, Gendergeschichte und Wissenschaftskommunikation. Diese spiegeln sich aber nur zum Teil in meiner Timeline wieder, ich folge zum Beispiel einigen Frühneuzeit- oder Mittelalter-Experten. Da ein wirklich intensiver wissenschaftlicher Austausch meiner Meinung nach durch die 140-Zeichen-Grenze schwierig ist, interessieren mich eher allgemeine Tipps zu interessanten geschichtswissenschaftlichen Projekten, Blog-Empfehlungen oder einfach Kommentare anderer Historiker zu kulturellen oder politischen Ereignissen. Gerade letztere kann man auf Twitter ja „in Echtzeit” und in großer Runde diskutieren, was mir persönlich großen Spaß macht.

Christian: Unterschätzen Historiker die Möglichkeiten des Web 2.0?

Historine: Ja. An meiner Fakultät gibt es nur zwei weitere twitternde Historiker, jedenfalls weiß ich nur von diesen beiden. Die meisten zeigen die Reaktion, die eigentlich jeder Twitterer kennt: „Ach, und da schreibt man also rein, dass man gerade Kaffee trinkt?” Viele der jüngeren nutzen Facebook, aber wohl eher privat. Die großartigen Möglichkeiten der Vernetzung, neue Fachkollegen außerhalb von Konferenzen oder Tagungen kennen zu lernen, sich z. B. über Veranstaltungen von Museen auf dem Laufenden zu halten und zu diesen auch unkompliziert Rückmeldung geben zu können, werden von den meisten Historikern in meinem Bekanntenkreis wohl immer noch unterschätzt. Ich möchte mir allerdings kein Urteil darüber erlauben, ob dies in anderen Disziplinen tatsächlich anders ist…

Christian: Was war der interessanteste Tweet, den Du jemals auf Twitter gelesen hast?

Historine: Das lässt sich wirklich schwer sagen. Die 140-Zeichen Begrenzung bringt es mit sich, dass man immer wieder über den Hintergrund eines Tweets grübelt. Eine Wertung abzugeben, fällt mir schwer, da im „Kanal” Twitter so viele Interessen zusammenlaufen: wissenschaftliche und auch private, wie Fußball, Kochen oder Tweets aus meiner Heimatstadt. Spannend finde ich es immer, wenn ein Tweet etwas ganz Neues über die Person dahinter erkennen lässt.

Christian: Danke für das Gespräch!