Was haben ein Huhn, schnelle Schlitten und die Kubakrise gemeinsam? Dies ist die zweite Lektion in Spieltheorie. Nach dem Gefangenendilemma kommt ein anderes, in Internationalen Beziehungen sehr beliebtes Spiel: Das Feiglingsspiel (oder Chicken).

Das Spiel

In den 50er sagt man, hätten Jugendliche in den USA ein Spiel gespielt, welches sie als Chicken (wörtlich ‘Huhn’) bezeichneten (1). Zwei Halbstarke sitzen je in einem Auto und rasen frontal aufeinander los. Der der zuerst ausweicht hat verloren. Dies inspirierte Spieltheoretiker zu einer Formalisierung.

Jeder der beiden Draufgänger hat zwei einfache Aktionen (‘Strategien’) zur Auswahl: Kurs halten oder ausweichen. Das ideale Resultat wäre aus der Perspektive eines einzelenen Spielers, den Gegner blamieren zu können. Der würde als ‘Huhn’ dastehen wenn er zuerst ausweicht. Dies wird durch einen Minus- (Ausweichender) respektive einen Pluspunkt (Kurs gehalten) ausgedrückt. Erweisen sich beide Spieler als irrational stur, ist die Konsequenz eine fatale Kollision. Eine solche ist nicht im Interesse der Spieler, beide würden daher -10 Punkte kassieren. Für beide Spieler ist klar, dass sie es doch bevorzugen als Feigling dazustehen. Weichen beide gleichzeitig aus, gibt es weder Gewinner noch Verlierer.

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Hier kann kein Gleichgewicht vorausgesagt werden. Es ist wahrscheinlich, dass einer der beiden Fahrer ausweicht. Vielleicht (mit mehr Zufall) weichen beide gleichzeitig aus. Fest steht nur, sind die Akteure rational, sollte es keine Kollision geben (2). Die Kunst ist, wann das Lenkrad rumzureissen. Diese drei möglichen Resultate sind sogenannte Nash Gleichgewichte (3).

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Eine Möglichkeit in diesem Spiel zu gewinnen ist, den Gegner davon zu überzeugen, dass man nicht ausweichen wird oder kann. Vielleicht überzeugt man ihn davon, dass man nicht rational handelt und einem der Preis der Kollision nichts ausmacht (Strategie ‘Kamikaze’). Alternativ ¨überzeugt man ihn davon, dass man nicht anders kann als Kurs halten (z.B. Lenkrad blockieren und Schlüssel wegschmeissen ganz im Sinne des ‘Doomsday Device’ in Kubricks Dr. Strangelove).

Zusatz: Das Nash Gleichgewicht (Nash Equilibrium)

Das Nash Gleichgewicht definiert sich als Situation, in der die Strategie eines Spielers die beste Antwort auf die Strategie seines Gegners ist. Es stehen also in einem solchen Equilibrium nur schlechtere Möglichkeiten für einen individuellen Spieler zur Verfügung. Oder anders ausgedrückt, würde man sich in ein anderes Quadrat der Grafik ‘begeben’, würde sich der Gewinn von mindestens einem Spieler verschlechtern.

Beispiele

Das klassische Beispiel für ein Feiglingsspiel ist ein militärischer Konfrontationskurs (4). Nukleare Abschreckung basiert genau auf dieser Logik. Man versucht den Preis der ‘Kollision’ so hoch zu schrauben, dass theoretisch niemand eine solche riskieren sollte. Viele sehen in der Kubakrise von 1962 ein typisches Beispiel für ein Feiglingsspiel. In dieser Lesart hat Chruschtschow gegen Kennedy verloren, weil er statt der Kollision (3. Weltkrieg), ‘ausgewichen’ ist als er die Flotte zurück rief.

Bisher in der Spieltheorie-Serie:
Teil I: Gefangenendilemma

(1) Soviel zum Thema die heutige Jugend sei so schlimm wie keine Generation vor ihr.
(2) Die Frage wie man bei einem solchen Testosterongeschwängerten Spiel überhaupt von ‘rational’ sprechen kann ist natürlich eine andere Geschichte
(3) Benannt nach dem Mathematiker John Nash. Der aus dem Film ‘A beautiful mind
(4) Das Spiel wird manchmal auch als Brinkmanship bezeichnet

Kommentare (6)

  1. #1 nils
    Januar 5, 2010

    Hallo

    Ist das auch ein Bsp. für Dominanz?

    p.s vielen dank du hilfst mir bei meiner klausur mit deinen blog einträgen !

    lg

    nils

  2. #2 Maria Ester
    Wien
    Februar 18, 2013

    Also das Nash Gleichgewicht ist das, dass in gruen eingeringt ist?

    Uebrigens sehr gut erklaert! Vielen Dank 🙂

  3. #3 Kaba
    März 1, 2013

    Ich habe den Unterschied zum Gefangenendilemma nicht verstanden.

  4. #4 Rolf Eberl
    Dortmund
    Oktober 20, 2014

    Hallo Ali,

    ich habe mich am Rande meines Wiwi Studiums auch mit diesen Dingen zu beschäftigen, vielleicht kannst du mir so ein komplettes Buch in so anschaulicher und einfacher Weise empfehlen.
    Danke für deine tollen Beiträge

    Gruss
    Rolf

  5. #5 Sebastian
    Wien
    März 10, 2015

    Ich bin leicht irritiert von der Auszahlungsmatrix. Haben sie eine Quelle dazu? Argumentiert man hier mit Erwartungswerten, stellt sich die pareto-optimale Strategie ausweichen ein. Genauso verhält es sich bei Ihrer Version des Gefangenendilemmas.

  6. #6 Forde Frank
    Frankfurt
    Dezember 10, 2017

    Ich sage: Chruschtschow hat gegen Kennedy gewonnen, weil er clever genug war, die Kollision zu umgehen. Er wusste, dass die USA nur “kleine, schwache Staaten” angreift.
    Folglich blieb die UdSSR Sieger.
    Derjenige, der mutiger ist, gewinnt das Spiel.