urne.jpeg

Unermüdlicher Botschafter für die Schweiz auf diesen Seiten, möchte ich über etwas typische Schweizerisches schreiben. Dieses mal geht es nicht um Nationalwürste, Schokolade oder Käse, sondern Politik. Volksabstimmungen um genau zu sein.

Am 1. Juni ist es wieder soweit, es wird wieder einmal an die Urne gebeten. In der Schweiz finden in der Regel vier Referenda pro Jahr statt. Es handelt sich entweder um sogenannte Volksinitiativen (die mit 100’000 Unterschriften vorgeschlagen werden können) oder Gesetze die im Parlament beschlossen wurden und nun noch in einem Referendum bestätigt werden müssen (1). Manchmal handelt sich um unwichtiges (wer erinnert sich noch an die Aufhebung des Pulverregals 1998?) und häufig umstrittenes. Gerade Initiativen bieten Parteien und Verbänden eine gute Gelegenheit die Agenda zu bestimmen und sich zu profilieren.

So kommt es, dass ich regelmässig über mögliches und unmögliches abstimmen muss darf. Um die Völkerverständigung vorwärts zu bringen, werde ich hier jeweils über die nationalen schweizer Abstimmungen berichten (gleichzeitig gilt es meist noch über kantonale und kommunale Vorlagen ebenfalls zu entscheiden). Die nächste Abstimmung steht nun nächstes Wochenende ins Haus. Es geht mir darum den Themenbereich grob zu Umreissen ohne auf Details einzugehen (ausser natürlich eine Vorlage regt mich besonders auf). Worum geht es also am 1. Juni?

1) Volksinitiative «Volkssouveränität statt Behördenpropaganda»
(2)
Die Initianten möchten, dass der Bundesrat (in der Schweiz heisst die Exekutive so, nicht die Länderkammer) sich nur noch sehr eingeschränkt vor Abstimmungen äussern darf. Wie man sich denken kann, kommt der Vorschlag aus einer Ecke, die normalerweise in Opposition zur Regierungsmeinung steht.

2) Verfassungsartikel «Für Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Krankenversicherung»

Die Krankenversicherung in der Schweiz ist obligatorisch und wird von jedem individuell und Einkommensunabhängig bezahlt. In einem Land mit einem der teuersten Gesundheitswesen weltweit, eine beträchtliche Belastung (3). Nun wird ein Verfassungsartikel vorgeschlagen, um eben dieses System neu zu regeln. Es sind keine revolutionären Neuerungen vorgesehen und da das ganze auf Verfassungsstufe stattfindet, der Effek schwer abzuschätzen.

3) Volksinitiative «Für demokratische Einbürgerungen»

Zu dieser Vorlage sollte man die Vorgeschicht kennen. Einbürgerungen sind in der Schweiz unterschiedlich geregelt. Manchmal werden solche per Urnenabstimmung, manchmal in Versammlungen und manchmal durch Behörden gutgeheissen. Nachdem vor acht Jahren in einer Gemeinde nach einem Urnenentscheid selektiv die Anwärterinnen und Anwärter aus dem ehemaligen Jugoslawien abgelehnt wurden, entschied das oberste Schweizer Gericht, dass solche Urnenabstimmungen dem Willkürverbot wiedersprechen, da keine Begründung für den Entscheid vorhanden ist. Dies wiederum störte diejenigen Kreise, die ein fundamentalistisches (sorry, aber auf Ausgewogenheit habe ich hier keine Lust) Verständnis von direkter Demokratie haben in Kombination mit schwachen rechtstaatlichen Instinkten. Das Volk hat schliesslich immer recht (schauer). Die Initiative will dass auf Gemeindeebene Einbürgerungen entschieden werden und zwar endgültig und ohne Rekursmöglichkeit (4). Ich werde wohl nochmals zu einem anderen Zeitpunkt darüber schreiben, da ein eher hässlicher Abstimmungskampf geführt wird (wo die Befürwortenden gegen viel vom Leder ziehen, aber natürlich nicht über die eigentlichen prozeduralen Fragen diskutieren).

Über all das stimme ich nächstes Wochende ab.

(Bild: www.admin.ch)

(1) Verfassungsänderungen und gewisse Staatsverträge immer, mit 50’000 kann ein Referendum erzwungen werden.
(2 ) Initiativtitel werden von den Initierenden gewählt und sind daher normalerweise klar normativ.
(3) Zum Beispiel in Genf (einer der teursten Kantone) sind das für die standardisierte Grundversicherung ungefähr 250 Euro im Monat und pro Person.
(4) Hintergurndsinfo findet man hier.