Militärische Forschung hat sich in den letzten Jahren vermehrt auf sogenannte Non-Lethal Weapons (manchmal auch als Less Lethal bezeichnet) also Nicht-tödliche Waffen konzentriert (1). Die Polizei zeigt auch vermehrt Interesse an solchen Geräten. Solche Waffen sind aber nicht wirklich ‘humaner’.

Der Daily Mail (welcher hier nur via Boing Boing verlinkt sein soll) berichtet von solchen Projekten der Britischen Polizei. Da der Daily Mail als Quelle eher zweifelhaft ist, werde ich auf die dort beschriebenen Geräte nicht eingehen. Es ist jedoch bekannt, dass Militär und Polizei Anstrengungen in diese Richtung unternehmen.

So gab es zum Beispiel die Diskussionen um den Taser. Die Schweiz hat diesen als erstes europäisches Land für Polizeikräfte zugelassen.

Neben altbekanntem wie Tränengas, Wasserwerfern und Pfefferspray enthält das entsprechende Waffenarsenal Gadgets, die den Ideen eines Science Fiction Autors entstammen könnten. Hier ein paar Beispiele:

  • Active Denial System (ADS) ein Mikrowellengerät welches auf der obersten Hautschicht Hitze erzeugt (2).
  • Ein Gerät welches den menschlichen Körper auf hohe Fiebertemperaturen erhitzt (2).
  • Geräte, die Stimmen oder Geräusche im Hirn erzeugen (2).
  • Klebriger Schaum um Personen bewegungsunfähig zu machen.
  • Das Long Range Acoustic Device (LRAD), eine Art Superlautsprecher der gezielt Lärm aussenden kann.
  • Laserwaffen, die entwickelt wurden, um das Opfer zu blenden (führt in der Regel zur Erblindung).

Nun könnte man meinen es ist eine gute Sache, wenn in Zukunft auf dem Schlachtfeld und bei der Polizei Waffen benutzt werden, die weniger lebensbedrohend sind als althergebrachte Schusswaffen. Doch so einfach ist die Sache nicht.

Es ist zu erwarten, dass die Hemmschwelle Waffen einzusetzen sinkt, wenn deren Wirkung ‘harmloser’ ist. Der genaue Effekt auf den Körper und allfällige Langzeitschäden sind natürlich kaum untersucht. Ausserdem ist die Bezeichnung ‘nicht-tödlich’ irreführend. Es gibt Berichte über Todesfälle im Zusammenhang mit dem Einsatz solcher Waffen.

Schafft sowas in einem Krieg denn nicht eine Humanisierung könnte man sich fragen. Wohl nicht zuletzt wegen der im Westen geänderten Einstellung zum Krieg werden diese Waffen schliesslich entwickelt. Krieg ist nicht mehr so heroisch wie ehemals und soll sauber sein. Jeder eigene getötete Soldat ist ein Problem, nicht primär ein militärisches sondern eines für die öffentliche Akzeptanz.

Doch können wir uns auch auf dem Schlachtfeld keine wirkliche Verbesserung durch solche Waffen erhoffen. Erstens ist die Todesrate bei Feuergefechten normalerweise erstaunlich tief und Verwundung, nicht Tod ist die Norm. Was passiert nun wenn der Gegner en Masse Bewegungsunfähigkeit gemacht wird? Es gibt Untersuchungen die belegen, dass die Todesrate durch Feuerwaffen in solchen Fällen stark ansteigt. Ausserdem verstossen vermutlich viele dieser Waffen gegen das erste Zusatzprotokoll der Genfer Konventionen von 1949. Da steht (Artikel 35, zweiter Abschnitt):

Es ist verboten, Waffen, Geschosse und Material sowie Methoden der Kriegführung zu verwenden, die geeignet sind, überflüssige Verletzungen oder unnötige Leiden zu verursachen.

Es bleibt noch eine letzte Anmerkung: Die Tatsache, dass die Waffen entwickelt wurden um nicht zu töten schafft ein weiteres Problem. Da sie gezielt Schmerzen und Unbehagen erzeugen sollen, sind sie ideale Folterinstrumente. Das Risiko, dass solche Waffen zum Beispiel in den Händen der Polizei missbraucht werden, ist gross und wenn es auch nur vereinzelte Missbrauchsfälle wären, sind diese zu viel. Das Folterverbot muss absolut bleiben.

(1) Übersetzt so in etwa Nicht tödliche oder Weniger tödliche Waffen, was wohl eine weniger irreführende Bezeichnung ist.
(2) Eine Einschätzung durch das US Militär dieser Waffen kann hier nachgelesen werden (Vorsicht: 4 MB grosses pdf).

Kommentare (3)

  1. #1 isnochys
    September 11, 2008

    Ich denke, dass viel Wissen über die Taserwaffe eben durch die Folter gewonnen wurde.
    Wie reagiert der Mensch darauf, wie weit kann man gehen, etc.
    Siehe CIA Berater in diversen 3. Welt Länder..
    *seufz*

  2. #2 catta
    September 11, 2008

    Wow. Das ist so ziemlich der intelligenteste Beitrag, den ich zu dem Thema bis jetzt gehört habe — Leider ist viel von dem, was zu solchen Waffen und spezifisch zum Mikrowellen-ADS im Internet zu finden ist, definitiv im Bereich der paranoiden Schizophrenie anzusiedeln und führt dann entweder zu völlig falschen Vorstellungen von der Technik oder dazu, die Systeme selbst nicht ernst zu nehmen. Dass diese Waffen bedenklich sind, auch wenn die Regierung einem nicht heimlich nachts damit die Zehen ankokelt, wird leider viel zu wenig diskutiert.

    Ach ja, und Kudos fürs nicht-direkt-verlinken der Daily Mail. 🙂

  3. #3 Ludmila
    September 12, 2008

    Ich hab da auch mal dazu recherchiert und einerseits ist die Tödlichkeit speziell bei Tasern ziemlich gering, andererseits sind aber die Schmerzen, die man dabei hat so extrem, dass das fast schlimmer als eine Schussverletzung ist. Und weise das außerdem mal nach ein paar Tagen nach, dass Du getasert wurdest.

    Und wie Du sagtest: Die Hemmschwelle die Waffen einzusetzen, ist erschreckend niedrig. Es ist wirklich bequemer, als jemandem hinterherzurennen.

    Wenn man sieht, dass in den USA in manchen republikanischen Kreisen waterboarding als völlig legales Mittel angesehen wird, weil man ja das Opfer nicht dauerhaft verletzt, dann machen sich viel zu wenige Menschen klar, dass auch Demütigung und Todesangst Folterinstrumente sind.