Heute am 7. April vor 15 Jahren begann in Rwanda ein Massaker, bei dem je nach Schätzung zwischen 500’000 und einer Million Menschen das Leben verloren. Das gigantische Ausmass des Genozids ist immer noch schwer fassbar. Zum Jahrestag dieses Ereignisses möchte ich ein paar wenige Punkte aufgreifen, die aus der Sicht der Internationalen Beziehungen von spezieller Relevanz sind.

Die genauen Hintergründe können vielerorts nachgelesen werden. Ich werde diese Informationen hier nicht wiederkäuen. Hingegen möchte ich drei Elemente betonen, die mir besonders wichtig erscheinen und im allgemeinen Medienlärm leider etwas untergehen.

Genozid ist ein juristischer Begriff und kein politisches Argument

Ich habe dies hier im Blog schon mehrmals geschrieben und möchte es wieder betonen. Es handelt sich um eine spezielle schlimme Form eines Kriegsverbrechens und es gibt eine Konvention, die dies regelt (Übereinkommen vom 9. Dezember 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes auch auf Deutsch erhältlich). Dies ist wichtig weil der Begriff all zu oft politisch missbraucht wird. Als ‘Hammer’ benutzt wertet es aber die Schwere des Vergehens ab (auch wenn es meist ebenfalls schlimme Verbrechen sind auf die hingewiesen wird).

Hutu und Tutsi sind nicht festgesetzte ethnische Kategorien sondern konstruiert

Auch darüber habe ich auf zoon politikon schon geschrieben (einmal zum Kongo und einmal zu Lokalwahlen in Senegal). Dies ist im Fall von Rwanda von besonderer Bedeutung, da diese vermeintlich ‘ethnische’ Unterscheidung aus Kolonialzeiten stammt. Es war vor allem ein nützliches Instrument der Kolonialmacht um zu regieren (nach dem Motto divide et impera).

Warum haben soviele beim Morden mitgemacht?

Persönlich bin ich der Meinung, dass Menschen unter normalen Umständen nicht einfach zu Mördern werden. Vielleicht bin ich zu idealistisch. Vielleicht mache ich falsche Rückschlüsse ausgehend von mir selbst. Ich war nie vollständig überzeugt vom Milgram Experiment. Bei der grossen Mehrheit solcher Untaten sind tatsächlich nur kleine Gruppen beteiligt (oder dafür ausgebildete Soldaten oder Kämpfer). In Rwanda scheint aber dieses Argument zu versagen. Es ist schwer Zahlen zu finden, wie viele am Genozid beteiligt waren. Angeklagt wurden in einigen Provinzen bis 24% der Bevölkerung. Ich erinnere mich an Schätzungen von einer Partizipation von etwa 10%, kann die Zahlen aber nicht finden. Diese Zahlen sind schwer zu fassen und man muss sich fragen, wie ein so grosser Teil der Bevölkerung in so kurzer Zeit zur Partizipation mobilisiert werden kann. Wissenschaftlich ist dies schwer zu untersuchen, da man die ‘wahren’ Absichten fast nicht festmachen kann. Sie sind immer von Erklärungen und nachträglichen Rationalisierungen und Rechtfertigungen verzerrt. Darum gibt es wohl auch relative wenig Studien dazu.

Die UN und der Westen haben sich nicht mit Ruhm bekleckert während des Genozids in Rwanda. Ich glaube, dass trotz des Ausmasses der Verbrechen der Völkermord von 1994 in Rwanda immer noch sehr weit weg ist in den Köpfen der Menschen hier und auf einem anderen Planeten stattfand. Man schätzt, dass in einigen Regionen bis zu über 70% der Tutsi Bevölkerung ihr Leben verlor. In Rwanda ist der Genozid alles andere als überwunden und die ganze Region Afrikas ist nach wie vor instabil. Immerhin hat man sich der juristischen Aufarbeitung angenommen. Wie ein solches Trauma überwunden werden kann, kann ich mir jedoch kaum vorstellen.