Der Internationale Strafgerichtshof (International Criminal Court, ICC) der 1998 mit dem Römer Statut ins Leben gerufen wurde. Bisher hat es zwar noch keine Verurteilung gegeben doch seine Verteidiger sehen seinen Erfolg in der Prävention von solchen Verbrechen.

Am 31. Mai begann die Review Conference des Internationalen Strafgerichtshofes (ICC) in Kampala. Sie wird noch bis am 11. Juni dauern. Eines der umstrittensten Themen ist die Definition des Begriffs Aggression (Angriffshandlungen). Die Verbrechen, die in den Zuständigkeitsbereich des ICC fallen werden im Römer Statut aufgelistet. Man könnte sagen, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Genozid haben sich als Kernkompetenzen des ICC etabliert. Aggression soll nun dazu kommen. Das Problem ist aber wie der Begriff zu definieren ist.

Ausgangspunkt ist die Charta der Vereinten Nationen. In Artikel 1 (Ziele und Grundsätze) im ersten Abschnitt heisst es:

Die Vereinten Nationen setzen sich folgende Ziele:

1. den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen, Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu unterdrücken und internationale Streitigkeiten oder Situationen, die zu einem Friedensbruch führen könnten, durch friedliche Mittel nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu bereinigen oder beizulegen [meine Betonung]

Das Prinzip ist einfach: Niemand soll einen Angriffskrieg führen. Da die UN Charta im Grunde ein internationaler Vertrag ist, der von allen Nationen dieser Erde unterzeichnet wurde (d.h. UN Mitgliedsländer), kann man dies problemlos als allgemein geltendes Recht betrachten. Trotzdem finden natürlich zwischenstaatliche Kriege statt. Die Crux ist dass es oft gar nicht so einfach ist zu festzustellen, wer die Angriffshandlung begangen hat und diese moralisch einzuordnen. Sind Schüsse über die Grenze schon ein Angriff? Wer muss schiessen, mit welchen Waffen, dass es einer ist? Gibt es etwas wie präventive Verteidigung? Sind Truppenansammlungen schon eine Angriffshandlung oder muss man warten bis die Panzer die Grenze überschreiten? Im Artikel 2 des Arbeitsdokuments gibt es eine Auflistung wie man das Verbrechen Angriffshandlung definieren kann. Es mutet zwar leicht zirkulär an, weil es als solche Handlungen im Widerspurch zur UN Charta definiert, doch lässt man sich doch auf ein paar konkrete Aussagen ein

Dem ICC geht es jedoch noch um eine spezifischere Frage. Das Gericht hat die Möglichkeit Individuen zu belangen die für Angriffshandlungen die Schuld tragen. In vielen der 111 Mitgliedstaaten (und auch einigen Nicht-Mitgliedern) geht natürlich die Angst um, dass dies Tür und Tor öffnen würde ihre Politiker auf die Abschussliste zu setzen, sollten sie einen Krieg gestartet haben (Kosovo? Irak?). Angriffskriege werden immer nur von den anderen geführt, selbst hat man immer eine gute Rechtfertigung und jede gegenteilige Anschuldigung ist per Definition politisiert. Darum sind die Verhandlungen um eine Definition alles andere als einfach.

Das bisherige Ergebnis ist entsprechende Sprachgymnastik. Die Definition im Moment lautet wie folgt (Artikel 1, Arbeitsdokument):

For the purpose of this Statute, “crime of aggression” means the planning, preparation, initiation or execution, by a person in a position effectively to exercise control over or to direct the political or military action of a State, of an act of aggression which, by its character, gravity and scale, constitutes a manifest violation of the Charter of the United Nations

Im Rahmen dieses Statuts, bedeutet ‘Verbrechen einer Angriffshandlung’ das Planen, Vorbereiten, Auslösen oder Durchführen einer Angriffshandlung, welche in ihrem Charakter, Schweregrad und Ausmass eine manifeste Verletzung der Charta der Vereinten Nationen darstellt und zwar durch eine Person, die in der Position ist, um effektiv die Kontrolle über einen Staat oder die Führung der politischen und militärischen Handlungen desselben zu übernehmen. [Eigener Versuch einer Übersetzung]

Es stellen sich verschiedene zusätzliche Fragen. Grundsätzlich ist das Thema delikat, geht es doch auch um staatliche militärische Handlungen und beschränkt sie sich nicht auf die Beurteilung von Individuen. Dann stellt sich die Frage wer entscheidet was eine solche Angriffshandlung ist? Typischerweise wäre das der Sicherheitsrat. Nur sind deren Mitglieder nicht Deckungsgleich mit ICC Unterzeichnern. Auch würde das die Unabhängigkeit des ICC untergraben und den Vetomächten noch mehr Einfluss geben. Wie kann man verhindern, dass ein unabhängiges Gericht nicht als politischer Spielball benutzt wird und schlussendlich seine Glaubwürdigkeit und damit Autorität sichern kann? Gleichzeitig soll es auch keine Straffreiheit mehr geben.

Auf jeden Fall wird es eine Gratwanderung. Immerhin herrscht inzwischen zumindest verbal ein Konsens, dass es Verbrechen gibt, die nicht ungeahndet bleiben dürfen. Dies ist nicht zuletzt auch ein Verdienst des ICC.

Kommentare (3)

  1. #1 KommentarAbo
    Juni 8, 2010

  2. #2 S.S.T.
    Juni 13, 2010

    Es ist in der Tat sehr schwer einen Angriffskrieg in Relation zu einem Präventivschlag zu definieren.
    In meinen Augen waren z.B.
    – Der Sechstage-Krieg
    – Der Nato-Angriff auf Ex-Jugoslawien
    – Der Einmarsch in Afganistan
    gerechtfertigt.

    Nicht gerechtfertigt in diesem Sinne war der zweite Irak-Krieg, obwohl man unter moralischen Gründen anderer Ansicht sein könnte, was widerum zur globalen Kriegsführung bei einer halbwegs konsequenten Haltung führen müsste.

    Es gab mal die These, dass Stalin seine Truppen (die in der Tat jeder anderen Armee der Welt zahlenmäßig weit, weit überlegen waren) 1941 zu einem Angriff auf den Rest von Europa gestaffelt hatte. Ich halte von dieser These rein garnichts. Aber mal angenommen, diese These wäre richtig. Würde das das Unternehmen Barbarossa rechtfertigen?

  3. #3 Gwendolan
    Juni 13, 2010

    Der ICC hat z.T. leider manchmal die Tendenz zu juristischen Dehnübungen. Man lese nur einmal die Entscheide im Fall Erdemovic, da stehen einem aus Sicht einer kontinentaleuropäischen Strafrechtsdogmatik die Haare mehr als zu Berge.

    Die Ansicht, dass es “Verbrechen gebe, die nicht ungeahndet bleiben dürfen” erachte ich in dieser Absolutheit auch als Problematisch. Letztlich basiert sie nämlich allein auf dem Strafzweck der Vergeltung, den wir eigentlich (zurecht) so gut wie möglich hinter uns lassen und für sich alleine als Strafbegründung im innerstaatlichen Recht nicht mehr anerkennen.