Bei Geograffitico hat Jürgen darauf hingewiesen, dass sexuelle Gewalt als Waffe in Konflikten durchaus auch gegen Männer eingesetzt wird. In den Kommentaren tauchten mehrmals Fragen zu Definitionen auf. Was ist eine Vergewaltigung und inwiefern unterscheidet sie sich von Folter (oder eben nicht)? Hier ein paar kurze Einblicke in Definitionen von internationalen Gerichten gegeben werden.

Ich kann (und will) keine lückenlose Beschreibung liefern, wie sich die Definition von Vergewaltigung im Völkerrecht entwickelt hat. Ich werde vor allem ein paar Passagen aus Urteilen präsentieren aus zwei bekannten Fällen. Beide stammen von den ad hoc Tribunalen für Ruanda und für das ehemalige Jugoslawien (International Criminal Tribunals for Rwanda [ICTR] and International Criminal Tribunals for the Former Yugoslavia [ICTY]). Das Konzept der Vergewaltigung ist relativ neu im Völkerrecht (das heisst jedoch nicht, dass es vorher nicht verboten war). So fand es zum Beispiel keine explizite Erwähnung in den Nürnberger Prozessen.

Beide Urteile stammen aus dem Jahre 1998 wobei der Fall aus Ruanda von den Richtern im zweiten Urteil zitiert wird. Für Ruanda ist es der Fall Akayesu und für das ehemalige Jugoslawien der Fall Celebici gegen den Wärter Delalic im gleichnamigen Gefangenenlager. Hier folgen nun ein paar von mir übersetzte Zitat aus den beiden Urteilen. Sie sprechen vorerst mal für sich selbst:

Although the prohibition on rape under international humanitarian law is readily apparent, there is no convention or other international instrument containing a definition of the term itself.

Obwohl das Verbot von Gewaltigung im humanitären Völkerrecht offensichtlich ist, existiert keine Konvention oder internationales Instrument, welches eine Definition des Begriffs beinhaltet. [Celebici §478 p. 173]

Considering the extent to which rape constitute crimes against humanity, pursuant to Article 3(g) of the Statute, the Chamber must define rape, as there is no commonly accepted definition of this term in international law. While rape has been defined in certain national jurisdictions as non-consensual intercourse, variations on the act of rape may include acts which involve the insertion of objects and/or the use of bodily orifices not considered to be intrinsically sexual.

Um zu betrachten inwiefern Vergewaltigung ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt, muss die Kammer gemäss Artikel 3(g) ihres Statuts, Vergewaltigung definieren, da keine allgemein akzeptierte Definition des Begriffs im Völkerrecht existiert. Obwohl Vergewaltigung von einigen nationalen Gerichten als nicht-einvernehmlicher Geschlechtsverkehr definiert wurde, beinhalten Variationen eines Vergewaltigungsaktes Handlungen wie das Einführen von Objekten und/oder das verwenden von Körperöffnungen welche nicht intrinsisch als sexuell gelten. [Akayesu §596]

The Chamber considers that rape is a form of aggression and that the central elements of the crime of rape cannot be captured in a mechanical description of objects and body parts. (…) Like torture, rape is used for such purposes as intimidation, degradation, humiliation, discrimination, punishment, control or destruction of a person. Like torture, rape is a violation of personal dignity (…).

Die Kammer betrachtet Vergewaltigung als eine Form der Agression und glaubt nicht, dass zentrale Elemente des Verbrechens der Vergewaltigung auschliesslich in einer mechanischen Beschreibung von Objekten und Körperteilen festgehalten werden können. (…) Wie Folter wird Vergewaltigung zum Zwecke der Einschüchterung, Herabwürdigung, Erniedrigung, Diskriminierung, Bestrafung, Kontrolle und Zerstörung einer Person eingesetzt. Wie Folter, verletzt Vergewaltigung die individuelle Würde (…). [Akayesu §597]

The Chamber defines rape as a physical invasion of a sexual nature, committed on a person under circumstances which are coercive. Sexual violence which includes rape, is considered to be any act of a sexual nature which is committed on a person under circumstances which are coercive.

Die Kammer definiert Vergewaltigung als physisches Eindringen mit sexuellem Charakter, begangen gegen eine Person unter Umständen von Zwang begangen wird. Sexuelle Gewalt, was Vergewaltigung mit einschliesst, ist jeglicher Akt von sexuellem Charakter welcher gegen eine Person unter Zwang begangen wird. [Akayesu §598]

Rape and other forms of sexual assault harm not only the body of the victim. The more significant harm is the feeling of total loss of control over the most intimate and personal decisions and bodily functions.

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Kommentare (3)

  1. #1 YeRainbow
    Juli 25, 2011

    Stimme rundherum zu.
    Bisher habe ich nicht mit Völkerrecht zu tun gehabt, aber mir fällt beim lesen sofort auf, daß das keineswegs nur auf ein Geschlecht oder bestimmte Altersgruppen reduziert wird.

    Klare Benennung halte ich für shr sinnvoll.
    Das Ausschließen aufgrund irgendwelcher merkmale dagegen nicht.

    man kann hoffen, daß das Völkerrecht überall so progressiv ist….

  2. #2 threepoints...
    Juli 26, 2011

    “Es muss eine Handlung oder Unterlassung vorliegen, welche schwerwiegende Schmerzen oder Leiden verursacht, sei dies psychisch oder physisch.”

    -> Allein diese Aussage erklärt schon den größten Teil aller möglichen Vergehen an Menschen – auch ausserhalb militärischer Konflikte … etwa in familiären Begebenheiten.

    Angesichts von “Handlung” oder “Unterlassung” welches schwerwiegende …Leiden verursacht – “psychisch” oder “physisch”…(oder beides)… mag man einmal darüber nachdenken, ob nicht viele Eltern tatsächlich wegen ihres Erziehungs- und Umgangsstiles mit ihren oder fremden Kindern verurteilt werden könnten. Ich deute mehr auf die psychischen Leiden hin, die später im leben leider eine noch große aber vielfach unbewusste Rolle spielen.

  3. #3 threepoints...
    Juli 26, 2011

    “Es muss eine Handlung oder Unterlassung vorliegen, welche schwerwiegende Schmerzen oder Leiden verursacht, sei dies psychisch oder physisch.”

    -> Allein diese Aussage erklärt schon den größten Teil aller möglichen Vergehen an Menschen – auch ausserhalb militärischer Konflikte … etwa in familiären Begebenheiten.

    Angesichts von “Handlung” oder “Unterlassung” welches schwerwiegende …Leiden verursacht – “psychisch” oder “physisch”…(oder beides)… mag man einmal darüber nachdenken, ob nicht viele Eltern tatsächlich wegen ihres Erziehungs- und Umgangsstiles mit ihren oder fremden Kindern verurteilt werden könnten. Ich deute mehr auf die psychischen Leiden hin, die später im leben leider eine noch große aber vielfach unbewusste Rolle spielen.