Im Laufe der letzten Woche habe ich ja ausführlich von der Himmelsmechanikkonferenz berichtet. Ich habe vom himmelsmechanischen Werkzeugkasten erzählt und darüber, wie man nach Leben auf anderen Planeten sucht. Ich habe beschrieben, wie Chaos für die wunderbaren Strukturen in Spiralgalaxien sorgt und wie Gezeitenkräfte ein Planetensystem verändern können (und was wir dort zum Frühstück bekommen haben und wie tief der Schnee in Bad Hofgastein war habt ihr auch noch erfahren). Aber natürlich gab es bei der Konferenz noch viel mehr und darum möchte ich euch noch ein paar kurze Zusammenfassungen einiger übriger Vorträge geben die mir gut gefallen haben.


Anne Lemaitre von der Universität Notre-Dame de la Paix in Belgien sprach über die “Dynamics of non natural bodies”. Dieses Thema ist besonders interessant, wenn es um den Weltraummüll geht. Der wird zu einem immer größeren Problem. Dazu gab es hier in meinem Blog schon mal eine kleine Serie (Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4) und bei Raumzeit gibt es dazu einen spannenden Podcast. Anne Lemaitre hat uns in ihrem Vortrag erklärt, wie es mit der Bewegung dieser Objekte aussieht. Denn bei den eher kleinen Weltraummüllbrocken – man schätzt das es immerhin 15000 Objekte gibt die größer als 10 cm sind und dramatische 30 Millionen die mindestens 1 mm durchmessen – spielt nicht nur die Gravitation eine Rolle sondern auch andere Kräfte. Zum Beispiel der Strahlungsdruck der durch das Licht der Sonne entsteht. Hier ist besonders das Verhältnis von Oberfläche zu Gewicht relevant. Lemaitres Rechnungen zeigen, dass ab einem Wert von 1 Quadratmeter pro Kilogramm chaotische Effekte ins Gewicht fallen. Und leider befindet sich der Weltraumschrott mit diesen unregelmäßigen Bahnen genau in der Gegend, wo sich die wichtigen geostationären Satelliten aufhalten. Früher oder später werden wir nicht umhin kommen, uns mit diesem Problem zu beschäftigen und uns effiziente Entsorgungsmechanismen ausdenken müssen. Es wird zwar jetzt schon an der Vermeidung von neuem Schrott gearbeitet – aber das ändert nichts daran, dass schon jede Menge Müll da draussen seine Bahnen zieht…

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Himmelsmechaniker hören zu

Zoran Knezevic von der Universität Belgrad beschäftigte sich dann wieder mit den natürlichen Asteroiden. Er untersucht Asteroidenfamilien und hier besonders die mit großen Bahnneigungen. In seinem Vortrag “Families in the highly inclined asteroid region” erklärt er, warum es wichtig ist, solche Familien zu untersuchen. Ein Asteroidenfamilie, also eine Gruppe von Asteroiden mit ähnlichen Bahnen, entsteht normalerweise bei einer Kollision zweier Objekte und wenn man besser verstehen will, wie solche Kollisionen zwischen Asteroiden ablaufen, dann kann man aus der Untersuchung der Familien einiges lernen. Das ist nicht nur wichtig, wenn man die Asteroiden an sich besser verstehen will. Solche Kollisionen können auch dafür sorgen, dass eigentlich harmlose Asteroiden die sich weit enfernt von der Erde befinden plötzlich ihre Bahn ändern und Kurs auf unseren Planeten nehmen…

Knezevic hat die sogenannte Phocaea-Familie untersucht und wollte herausfinden, ob es sich hier um eine echte bei einer Kollision entstandene Familie handelt oder nur um eine zufällige Gruppierung von Asteroiden die sich in einer der Stabilitätsregionen des Asteroidengürtels zusammengefunden hat. Dazu muss man das Zusammenspiel von Resonanzen und dem Yarkovsky-Effekt untersuchen. Dieser Effekt wird durch die unterschiedliche Erwärmung der unterschiedlichen Hemisphären eines Asteroiden verursacht. Die verschiedenen Temperaturen verursachen verschieden starke Wärmeabstrahlungen und das verursacht einen asymmetrischen Strahlungsdruck. Die Kraft die dadurch auf den Asteroiden wirkt ist gering – aber bei so kleinen Körpern kann sie durchaus relevante und meßbare Auswirkungen auf die Bewegung haben. Am Ende der komplexen Analyse stellte Knezevic fest, dass die Phocaea-Familie bei einer Kollision vor etwa 2.9 Millionen Jahre entstanden ist.

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In Österreich hab ich auch wieder mal die Kronen Zeitung gelesen. Hätte ich bleiben lassen sollen; sie ist immer noch so dumm wie früher…

Mit der Vergangenheit des Sonnensystems hat sich auch Kleomenis Tsiganis beschäftigt. Er gehört zu den Wissenschaftlern, die vor einigen Jahren das sogenannte “Nice-Model” entwickelten. Dieses Modell (benannt nach der Stadt in der es entstanden ist: Nizza) beschreibt, wie sich die Bahnen der Planeten im frühen Universum geändert haben und welche Auswirkungen das hatte. Dazu gehört auch das “Late Heavy Bombardement”; eine Phase in der Geschichte des Sonnensystems als die durchschnittliche Einschlagsrate von Asteroiden auf Himmelskörper 20000 Mal stärker war als normal. Grund dafür war die planetare Migration; also die Bewegung der Planeten Saturn, Uranus und Neptun in äußere Bereiche des Sonnensystems und die Wanderung des Jupiters näher an die Sonne. Das Nice-Modell erklärt viele Dinge im Sonnensystem sehr gut; hat aber auch ein paar Probleme die uns Kleomenis erklärte. Zum Beispiel die Anfangsbedingungen. Wir wissen, dass die großen Planeten nicht dort entstanden sind, wo sie sich heute befinden sondern erst im Laufe der Zeit dorthin migriert sind. Das Nice-Modell kann diese Migration wunderbar erklären – aber nicht, wie die Planeten dorthin gekommen sind, wo sie vor der Migration waren. Diese Werte werden händisch in das Modell eingesetzt obwohl es eigentlich viel eleganter wäre, die korrekten Anfangsbedingungen direkt aus einem Modell der Planetenentstehung ableiten zu können. Genau das wurde nun in einer Erweiterung des Modells getan. Nun hat man sich aber ein neues Problem eingehandelt: das Timing stimmt nicht mehr so richtig. Aber das liegt vermutlich daran, dass man für die Planetenentstehung ja auch die Scheibe aus Gas und Staub berücksichtigen muss die die junge Sonne umgeben hat und aus der die Planeten entstanden sind. Die Interaktion zwischen Scheine und Planeten zu berechnen; die Eigengravitation der Scheibe und den Energieaustausch zwischen beiden Komponenten ist ziemlich kompliziert. Erste Rechnungen zeigen, dass die Timing-Probleme verschwinden, wenn man alles richtig berücksichtigt. Ob es aber wirklich klappt wird sich erst zeigen, wenn das “Nice II”-Modell komplett entwickelt ist.

Asteroiden sind auf jeder Himmelsmechanikkonferenz ein Thema und Ákos Bazsó von der Uni Wien hat sich ebenfalls damit beschäftigt. Er wollte wissen, wie stark der Einfluss des Mondes auf die Asteroiden ist, die mit der Erde zusammenstossen. Sein Fazit: der Einfluss ist äußerst gering. Nur bei 15 Fällen von 1500 untersuchten gab es eine relavante Bahnänderung. Solche “negativen” Ergebnisse sind zwar meistens nicht sonderlich populär und werden auch leider immer seltener publiziert – aber wichtig sind sie trotzdem! Denn zu wissen, welche Dinge keinen Einfluss auf das zu untersuchende Problem haben ist oft genauso wichtig wie herauszufinden, was relevant íst.

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Zum Abschluss der Konferenz besucht uns noch der Bürgermeister von Bad Hofgastein (ganz links). Die Kollegen aus Griechenland schauen allerdings skeptisch 😉

Es war eine spannende Woche in Bad Hofgastein! Es war schön, mal wieder die diversen Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt wiederzusehen und es war schön, aus dem alltäglichen Trott heraus zu kommen und sich die neuesten Forschungsergebnissen anzusehen. Eigentlich geht Rudolf Dvorak, der Organisator der HCM-Konferenzen, ja im Herbst in Pension. Aber ich hoffe, diese Konferenzserie wird trotzdem irgendwie weitergeführt…


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Kommentare (5)

  1. #1 Andi
    29. März 2011

    Ja, Konferenzen sind irgendwo recht witzig, besonders, wenn sie überschaubar, nicht so groß sind. Diese scheint ja auch eher übersichtliche Teilnehmerzahlen gehabt zu haben. Ich mußte erst mal bei G-Maps schauen, wo das liegt 😉
    Mir persönlich geht aber die hohe Vortragsfrequenz bei den großen Konferenzen ein bißchen auf die Nerven. Ich war dieses Jahr auf der LPSC in Houston. Die üblichen 12+3 Minuten, dann geht das großen Gerenne los, um zur Nachbarsession zu hetzen. Und in 12 Minuten kann man nicht wirklich was erzählen, man muß sich also einen Teilaspekt seiner Arbeit raussuchen, um nicht alles zu überfrachten. Viele meinen aber trotzdem, die Ergebnisse mehrerer Jahre präsentieren zu müssen, d.h. die Slides sind total überfrachtet + unübersichtlich und die Redner bekommen fast Schluckauf, weil sie so schnell reden. Mein Doktorvater hatte mir damals beigebracht, daß pro Slide/Folie nur 1 Diagramm und wenige Worte gehören, damit die Zuhörer auch wirklich was verstehen + mitnehmen vom Vortrag. Mein jetziger Chef runzelte bloss die Stirn und meinte, für leere Flächen auf der Folie kriegt man nix…
    Ich finde, bei den großen Konferenzen (LPSC ca. 2000, EGU ca. 15000 (sic!) Teilnehmer), sollte man die (Zahl der) Vorträge radikal kürzen und stattdessen mehr, viel mehr Poster zulassen, ggf. auch mehr als eins pro Person. In den Poster-Sessions (mit Bier in der Hand) diskuttiert es sich doch viel besser…
    Zur MetSoc kommen jedes Jahr ca 300 Leute. Das ist eine schöne Zahl. Das Topic der Konferenz ist ausreichend speziell, es wird aber nicht langweilig, und man kennt die Meisten (zumindest vom Sehen)
    Naja, darüber könnte man sich noch lange auslassen. Das lasse ich jetzt aber mal aus.

    Wie wärs, Florian, die MetSoc ist dieses Jahr im Juli in London? Asteroiden sind da ein Schwerpunkt. Sind auch immer viele Astrophysiker da…

    Gruß, ein Kosmochemiker

  2. #2 Florian Freistetter
    29. März 2011

    @Andi: “Wie wärs, Florian, die MetSoc ist dieses Jahr im Juli in London? Asteroiden sind da ein Schwerpunkt. Sind auch immer viele Astrophysiker da…”

    Sorry, weitere Konferenzreisen kann ich mir nicht mehr leisten…

  3. #3 Noblinski
    29. März 2011

    Warum nimmt man bei der Planetenentstehung nicht einfach an, daß alle Objekte, die ausreichend magnetisch sind, zuerst zusammenfinden?

  4. #4 Andi
    29. März 2011

    @Florian, jaja, die Gelder 😉

    PS: ich meinte oben die AGU, nicht EGU

    @Noblinski: Soviel Eisen (und anderes magnetisches Material) ist da gar, zumindest nicht ausreichend konzentriert, um Massen zu bewegen. Außerdem muss da auch ein Magnetfeld sein. Weit entfernt von der Sonne (Planetenbahnen) ist das nur noch sehr schwach.
    Zuerst sind da Kondensate aus Gas (“Sternenstaub”), der sich durch elektrostatische Kräfte zusammenfindet (Koagulation). Später werden es größere Körper, dann spielt die Graviation die wichtige Rolle. Alle chemischen Elemente sind dann noch gleichmäßig verteilt. Hat ein Körper mehrere 100 km Durchmesser, beginnt im Inneren die Aufschmelzung, die Wärme kommt vom radioaktiven Zerfall kurzlebiger Isotope. Als Folge “sinken” die schwereren Elemente (insbes. Eisen + Nickel) nach innen (oder unten), während andere Elemente (z.B. Silizium) sich in der Kruste anreichern, es entsteht der typische Schalenbau (z.B. Erdkern, -mantel, -kruste). Das Objekt ist jetzt auch annähernd kugelrund

  5. #5 Florian Freistetter
    29. März 2011

    @Noblinski: Magnetismus spielt bei so großen Objekten keine Rolle. Magnetismus generell nicht so – aber andere Spielarten des Elektromagnetismus können in der Frühphase durchaus relevant gewesen sein: https://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2010/02/vanderwaalskrafte-halten-die-asteroiden-zusammen.php