Wenn Beobachtungen die Modelle der Wissenschaft bestätigen, dann ist das gut. Es ist ein Zeichen dafür, dass man einigermaßen verstanden hat, wie die Dinge funktionieren. Fast noch interessanter ist es aber, wenn man Fälle findet, in denen ein Modell nicht mehr funktioniert. Das bedeutet, dass man an den Grenzen der aktuellen Erklärung angelangt ist. Man braucht neue Ideen und neue Ideen führen zu neuen Entdeckungen und einem ganz neuen Verständnis der Welt.

Genau das scheint derzeit mit unserem Verständnis der Sternentwicklung zu passieren. Australische Wissenschaftler haben untersucht, wie bestimmte Sterne ihr Leben beenden. Und sie tun das offensichtlich nicht so, wie es von den derzeitigen Modellen erwartet wurde.

Was mit einem Stern am Ende seines Lebens passiert, hängt hauptsächlich von seiner Masse ab. Das liegt am Zusammenspiel zwischen den zwei grundlegenden Kräften, die in einem Stern wirken. Bei Sternen mittlerer Masse wie unserer Sonne sieht das in etwa so aus: Die Gravitationskraft will den Stern unter seinem eigenen Gewicht zusammenfallen lassen. Ihr entgegen wirkt der Strahlunsdruck der im Kern des Sterns entstehenden Strahlung, die nach außen drängt. Normalerweise halten sie sich die Waage und der Stern bleibt stabil. Ist aber der Wasserstoff im Kern des Sterns verbraucht, sinkt der Strahlungsdruck und die Gravitation gewinnt wieder mehr Einfluss. Dadurch wird der Stern zusammengedrückt und die Temperaturen steigen. Im Kern wird es heiß genug, um neue Fusionsreaktionen zu ermöglichen. Jetzt kann auch Helium zu Sauerstoff und Kohlenstoff fusioniert werden. Und in den äußeren Schichten des Sterns ist es warm genug, um den Wasserstoff zu verbrennen, der sich dort noch befindet. Ein Kern, in dem Helium fusioniert ist nun von einer Schicht aus fusionierendem Wasserstoff umgeben. Die Heliumfusion im Kern erzeugt mehr Strahlung als zuvor und der Stern dehnt sich aus. Er wird ein roter Riese. Irgendwann ist aber auch das Helium im Kern zu Ende. Der Kern des Sterns besteht nun aus Kohlenstoff und Sauerstoff; der von Schalen umgeben ist, in denen immer noch Wasserstoff und Helium fusioniert werden. Es ist die letzte Phase im Leben des Sterns. Er ist nun ein AGB-Stern (das steht für “Asymptotic Giant Branch” und hat mit der Position des Sterns im Hertzsprung-Russell-Diagramm zu tun), enorm groß und leuchtkräftig. Der AGB-Stern verliert enorm viel Masse; starke Sternwinde tragen die aus der Kernfusion neu geschaffenen Elemente hinaus ins All, wo daraus neue Sterne und Planeten entstehen können. Am Ende bleibt vom Stern nur noch der dichte, kleine Kern zurück: Ein weißer Zwerg.

So weit die Theorie. Neue Beobachtungen zeigen nun allerdings, dass nicht jeder Stern die AGB-Phase durchläuft. Viele scheinen sie einfach auszulassen. Zu dem Schluss kommen Simon Campbell von der Monash University in Melbourne, Australien und seine Kollegen. Im Gegensatz zu den anderen Phasen der Sternentwicklung lassen sich AGB-Sterne schwer untersuchen. Das liegt einmal daran, dass sie sich nur kurz in dieser Phase befinden; nur ein paar 10.000 bis 100.000 Jahre. AGB-Sterne lassen sich aber auch schwer von roten Riesensternen unterscheiden. Man sollte daher homogene Regionen von Sternen untersuchen, in denen man sicher sein kann, viele AGB-Sterne zu finden. Zum Beispiel Kugelsternhaufen und genau da haben Campbell und seine Kollegen ihre Untersuchungen durchgeführt.

Bild: ESO

Bild: ESO

Der Kugelsternhaufen NGC 6752 befindet sich am südlichen Himmel und besteht aus etwa 160.000 Sternen. Er hat einen Durchmesser von 2,7 Lichtjahren und ist 13.000 Lichtjahre entfernt. Campbell und seine Kollegen haben ihn mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte beobachtet und das Licht der Sterne dort analysiert. Sie haben vor allem gemessen, welche chemischen Elemente man in ihnen finden kann. Denn so sind sie überhaupt auf die Frage gestoßen, ob die AGB-Phase wirklich von allen Sternen durchlaufen wird. Frühere Arbeiten anderer Wissenschaftler zeigten hier nämlich seltsame Ergebnisse.

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Kommentare (23)

  1. #1 Gustav
    3. Juni 2013

    “Wenn Beobachtungen die Modelle der Wissenschaft bestätigen, dann ist das gut. Es ist ein Zeichen dafür, dass man einigermaßen verstanden hat, wie die Dinge funktionieren.”

    Es ist immer nur ein Zeichen dafür, dass man in der Annahme bestätigt wurde, etwas gut zu verstehen – das kann Morgen schon wieder ganz anders aussehen. 😉 Und es ist immer interessanter, wenn eine Beobachtung nicht mit dem Modell übereinstimmt. Wobei das keine Falifikation für die Theorie ist (das wäre eine Sofortfalsifikationen), sondern ein Zeichen dafür, dass mit dem gesamten System etwas nicht stimmt, das ganze System aus “Theorie, die Theorie sagt einen was man beobachten kann, Beobachtung” ist falsifiziert. Der Widerspruch im System muss aufgelöst werden.

    Ansonsten (wobei du kannst meinen Einwand, wegen eines simplen Einleitungssatzes, auch gerne als Klugscheisserei ad acta legen 😉 ) danke für den – wie immer – interessanten Artikel.

  2. #2 eumenes
    3. Juni 2013

    Jetzt wird es noch schlimmer. Nur massereiche Sterne haben überhaupt den Bereich der Riesen erreicht. Wenn aber nicht alle Masser über “Sonnenwind” u.a. abgeben, sondern direkt zu weißen Zwergen werden, wo sind sie dan? Die Durchschnittsmasse der WD beträgt ca. 0,7 Sonnenmassen, alleine diese Zahl ist viel zu niedrig. Also müsste es nur so von – von der Presse so geliebten – Schwarzen Löchern wimmeln. Aber die gibt es eben als Messergebnis auch nicht.

  3. #3 Bullet
    3. Juni 2013

    @eumenes:
    hä? Hab ich nicht verstanden.
    a) Wieso sollen Sterne keine Masse über Sternwinde verlieren?
    b) wieso ist 0,7 Sonnenmassen zu niedrig?
    c) wieso sollen da jetzt Schwarze Löcher sein?

  4. #4 Florian Freistetter
    3. Juni 2013

    @eumenes: Ich verstehe nicht was du meinst. Mit schwarzen Löchern hat das nichts zu tun. Die entstehen bei ganz anderen Prozessen.

  5. #5 eumenes
    3. Juni 2013

    @ Bullet
    a. der Masseverlust nach derzeitigen Modellen beträgt maximal 2% durch Sonnenwind
    b. Sterne ddr 2. Generation, die heute schon WD sind mussten deutlich über 1 Sonnenmasse gehabt haben, die Grenze zum Neutronenstern liegt bei 1,5 Sonnenmassen; aber kaum ein WD über 0,7 Sonnenmassen. Beispiel Sirius B muss durch Massenaustausch ca. 2 Sonnenmassen gehabt haben.
    c. Jenseits der Neutronensterne, also ab ca. 2 Sonnenmassen gibt es keine bekannte stabile Form.

  6. #6 Florian Freistetter
    3. Juni 2013

    @eumenes: Lies dir doch mal das paper durch: https://www.eso.org/public/archives/releases/sciencepapers/eso1323/eso1323a.pdf
    Vielleicht wird dir dann klarer, worum es geht und worum nicht.

  7. #7 Alderamin
    3. Juni 2013

    @eumenes

    Schwarze Löcher und Weiße Zwerge haben zunächst einmal nichts miteinander zu tun – die ersten (jedenfalls die mit stellaren Massen) brauchen große Supernova-Explosionen und somit Vorgängersterne jenseits von 20 Sonnenmassen, letztere brauchen Vorgängersterne von ungefähr Sonnenmasse, die gerade nicht explodieren können.

    Zum zweiten hat man hier einen Kugelsternhaufen in 13000 Lichtjahren Entfernung untersucht. Während Rote Riesensterne sehr hell, auffällig und weit zu sehen sind, sind es Weiße Zwerge gerade nicht: der Begleiter von Sirius hat gerade einmal 11,4. Größenklasse in nur 8,46 Lichtjahren Entfernung. Im Kugelsternhaufen, der 1500 mal weiter entfernt ist, erschiene er nur mit 27. Größenklasse und wäre in dem Gewimmel des Kugelsternhaufens folglich nicht zu entdecken.

    Zum Dritten sind alle Kugelsternhaufen der Milchstraße sehr alt und Sterne von mehr als 0,8 Sonnenmassen haben die Hauptreihe dort bereits verlassen. Es sind also nicht nur die massereichsten Sterne schon zu Riesen geworden (es sei denn, Du rechnest Sterne von 1 Sonnenmasse bereits zu den massereichen – es gibt ja in der Tat weitaus mehr masseärmere Rote Zwerge).

  8. #8 Adent
    3. Juni 2013

    @Florian Freistetter
    Bischen offtopic, aber ich denke hier findest du es am schnellsten: Bei deinen Juni-Terminen ist der falsche Monat (Mai) angegeben.

  9. #9 eumenes
    3. Juni 2013

    Danke für Erklärungen.
    Allerdings eine Frage an Alderamin.
    Gehen wir davon aus, dass Sirius A und B gleichzeitig entstanden sind, so muss durch Austausch über die Roche-Grenze B Materie von A abgezogen haben und dann die HR verlassen haben, in den Riesenast und dann jede Menge Masse verloren haben.
    Wo sind die mindesten 2 Sonnenmassen geblieben?

  10. #10 Alderamin
    3. Juni 2013

    @eumenes

    Das steht hier.

    Wo hast Du die höchstens 2% Verlust durch Sternwinde her? Für welche Sterne gilt die, scheint eher die Hauptreihe zu betreffen als Rote Riesen. Schließlich bilden Rote Riesen ja auch planetarische Nebel, und die haben alleine schon bis zu einer Sonnenmasse (Quelle).

  11. #11 Alderamin
    3. Juni 2013

    @eumenes

    Noch was zu Sirius: der hat eine große Halbachse von 20 AE mit einem Periastron von 8 AE; wenn der Abstand (aufgrund der ehemals höheren Masse von B) nicht erheblich geringer war (unter 2 AE), dann kann es keinen Massentransfer gegeben haben (außer dem, was A so an Sternenwind von B einfangen konnte; jedenfalls keinen direkten Transfer über die Roche-Grenze). Dafür sind die Sterne zu weit voneinander entfernt.

    Rote Riesen werden nicht viel größer als 300, 400 Sonnenradien oder 1,8 AE. Überriesen sind wieder was anderes, die werden zwar größer, aber keine Weißen Zwerge, sondern Neutronensterne.

  12. #12 JaJoHa
    3. Juni 2013

    Warum ist im Diagramm denn der Verhältnis im Vergleich zu Fe? Ist H oder He nicht sinnvoller, vorallem weil die ersten Sterne ganz ohne Fe waren.

  13. #13 Florian Freistetter
    3. Juni 2013

    @JaJoHa: Gute Frage. In der Astronomie nimmt man immer Eisen als Vergleich; ist halt Konvention. Frag mich nicht warum – wir Astronomie bezeichnen ja auch alles außer H und He als “Metall”. Wir haben da manchmal komische Ideen…

  14. #14 Sotho Tal Ker
    3. Juni 2013

    Die 2.7ly sind wohl der Kerndurchmesser, insgesamt hat der Haufen etwa einen Durchmesser von ~100ly, zumindest laut APOD: https://www.starobserver.org/ap120210.html

  15. #15 Sepp
    3. Juni 2013

    @Gustav: Hättest du doch wenigstens den ganzen ersten Absatz gelesen und nicht nur den ersten Satz. Dann hättest du dir deinen ganzen Text sparen können 😉

  16. #16 Bullet
    4. Juni 2013

    @JaHoHa, Florian:

    Gute Frage. In der Astronomie nimmt man immer Eisen als Vergleich; ist halt Konvention

    Glaub ich nicht (also das “ist halt Konvention”). Ausgerechnet Eisen ist doch der Endpunkt der exothermen Fusionsreihe. Hat der Stern erst Fe erbrütet, fällt das aus allen energiefreisetzenden Gleichungen raus. Es würde mich schwerst wundern, wenn dieser Umstand nicht zur Eichung herangezogen würde.

  17. #17 Florian Freistetter
    4. Juni 2013

    @Bullet: “Glaub ich nicht (also das “ist halt Konvention”). Ausgerechnet Eisen ist doch der Endpunkt der exothermen Fusionsreihe. Hat der Stern erst Fe erbrütet, fällt das aus allen energiefreisetzenden Gleichungen raus. Es würde mich schwerst wundern, wenn dieser Umstand nicht zur Eichung herangezogen würde.”

    Naja, klar wirds auch nen Grund geben. Aber man könnte genau so gut ein anderes Element nehmen und auch dort nen Grund finden. Insofern ist die Wahl von Eisen halt schon Konvention. Aber am Ende ist es auch egal… Hauptsache man weiß, worum es geht.

  18. #18 Gustav
    4. Juni 2013

    @Sepp: Den hab ich gelesen. 😉 Aber egal, war wie gesagt nur Klugscheisserei bei einem Einleitungstext, mir war halt fad… 😉

  19. #19 Ludger
    4. Juni 2013

    Weil es hier auch um Kugelsternhaufen geht, kann ich vielleicht eine Frage loswerden, die mich umtreibt, seit ich mal Messier 13 (Kugelsternhaufen im Sternbild Herkules) im Teleskop angeschaut habe: Wie hell ist es zwischen den Sternen im Kugelsternhaufen? Wenn ich die oben angegebenen Zahlen überdenke (Der Kugelsternhaufen NGC 6752 hat etwa 160.000 Sterne und einen Durchmesser von 2,7 Lichtjahren), ist dort dunkel, es sei denn, man ist in der Nähe eines Sternes. Im Kleinteleskop sieht das aber aus, als sei alles hell erleuchtet.

  20. #20 Alderamin
    4. Juni 2013

    @Ludger

    Hab’ mal gelesen, das sei dort so als ob alle hellen Sterne so hell wie die Venus wären. 100 Venusse sind aber mit -9.5 mag immer noch dunkler als ein Vollmond mit -12 mag. Also nicht so hell, dass es zum Lesen reichte (ich hab’ bei Vollmond schon lesen können). Dennoch sicherlich spektakulär.

  21. #21 Ludger
    8. Juni 2013

    Ich hab mal das Kugelvolumen bei einem Durchmesser von 2,7LJ ausgerechnet (10 Kubiklichtjahre) und durch die Zahl der Sterne des Haufens (160000) geteilt: Jeder Stern hat dort im Mittel einen Raum von 0,000064412 Kubiklichtjahren zur Verfügung. Das entspricht einem Würfel mit einer Kantenlänge von 0,04Lichtjahren . Mit anderen Worten: der mittlere Abstand eines Sternes zum Nachbarstern beträgt im Kugelsternhaufen 0,04Lichtjahre. Das sind etwa 2500 AE. Im Zentrum werden die Sterne im Kugelsternhaufen aber wohl deutlich enger beieinander stehen.

  22. #22 Alderamin
    8. Juni 2013

    @Ludger

    Nur wird’s da nicht viele Planeten geben: kaum Metalle wegen der alten Sternenpopulation und viele enge Begegnungen, bei welchen die Planeten ins All katapultiert werden. Also niemand da, der die schöne Aussicht würdigen könnte.

  23. #23 Ludger
    8. Juni 2013

    Alderamin:”…niemand da, der die schöne Aussicht würdigen könnte.”
    Dazu käme noch ein eindrucksvoller Blick auf unsere Milchstraße. Schade, eigentlich, dass niemand das anguckt.