Es nervt. Es nervt langsam wirklich. Ständig wird irgendwo über “Wissenschaftskommunikation” diskutiert und ich habe das Gefühl, dass da von den immer gleichen Leuten die immer gleichen Argumente ausgetauscht werden. Dabei ist es an sich ja wünschenswert, darüber zu diskutieren, wie man Wissenschaft am besten unter die Leute bringt. Wenn das ganze am Ende nicht immer auf die Frage hinaus laufen würde, ob denn nun Wissenschaftblogs den Wissenschaftsjournalismus ersetzen und ob Blogger Journalisten sind oder nicht. Denn diese Frage ist nicht nur schon mehr als genug diskutiert worden, sie ist vor allem völlig unsinnig.
Erst vorgestern ist bei Spiegel-Online ein “Streitgespräch über Wissenschaft in den Medien” erschienen. Was Wissenschaftshistoriker und Autor, Ernst Peter Fischer, Wissenschaftsjournalist und Journalismus-Professor Holger Wormer und Kommunikationswissenschaftlerin Corinna Lüthje da über den Status Quo der Wissenschaftkommunikation gesagt haben, will ich gar nicht weiter kommentieren. Das war im wesentlichen das, was anderswo auch schon oft genug gesagt worden ist. Aber am Ende geht es dann eben wieder um die Wissenschaftsblogs und da im Artikel dazu extra das Spiegel-Interview mit mir verlinkt wurde, fühle ich mich ein wenig angesprochen.
Die Frage, die in der Diskussion gestellt wurde, lautete:
“Können vielleicht Forscher-Blogs die Wissenschaft besser kontrollieren?”
Wie ein umfassende und gute Antwort auf diese Frage aussehen kann, hat Markus Pössel nebenan in einem lesenswerten Artikel gezeigt. Holger Wormer hat sich dagegen entschieden, eine ganz andere Frage zu beantworten und bringt den angeblichen Widerspruch zwischen Bloggern und Journalisten an:
“Dass Wissenschaftsblogs Journalismus betreiben oder ihn gar ersetzen könnten, ist ein Mythos, der im Wesentlichen von Wissenschaftsbloggern verbreitet wird. Blogs sind meinungsstärker und quellenärmer als Massenmedien. Die sozialen Medien scheinen sogar den Korpsgeist unter Forschern zu fördern, Widerspruch wird oft bestraft. Zudem erreichen selbst die deutschen Top-Wissenschaftsblogs vergleichsweise winzige Leserschaften.”
Ich weiß nicht, von welchem Mythos Wormer hier spricht und wer ihn unter den Wissenschaftsbloggern verbreitet haben soll… Was ich allerdings für einen Mythos halte ist die Behauptung, es wäre der Zweck von Wissenschaftsblogs “Journalismus zu betreiben oder ihn zu ersetzen”. Und ich verstehe nicht, wieso immer wieder diskutiert wird, ob Blogger nun Journalisten sind bzw. Blogs Journalismus ersetzen können.
Es ist doch eigentlich offensichtlich. So offensichtlich, dass man es auch eigentlich nicht erklären müsste. Aber ich tue es trotzdem: Ein Blog ist ein Medium! Und das war es auch schon wieder. Ein Blog ist ein Medium. Eine Möglichkeit, Texte zu publizieren. Zu fragen, ob ein Medium “Journalismus” ist oder nicht, ist sinnlos! Fragt sich Herr Wormer auch, ob das “Fernsehen Journalismus betreibt oder ihn gar ersetzen kann”? Vermutlich nicht. Denn auch “das Fernsehen” ist ein Medium und es kommt darauf an, was man mit diesem Medium anstellt! Es gibt im Fernsehen (fürs Radio gilt das ganz genau so) Sendungen, in denen Inhalte auf journalistische Art und Weise aufgearbeitet und präsentiert werden. Das ist dann Journalismus. Und dann gibt es Sendungen, in denen irgendetwas anderes passiert. Das Dschungelcamp, ein Formel-1-Rennen oder Joko & Klaas. Das ist dann kein Journalismus.
Es ist völlig sinnlos zu fragen, ob ein Blog Journalismus ersetzen kann. Diese Frage würde nur dann Sinn machen, wenn man impliziert, dass Journalismus nur in einem ganz bestimmten Medium stattfinden kann und in anderen nicht. Man kann sich meinetwegen fragen, ob das Medium Blog irgendwann das Medium Fernsehen oder das Medium Zeitung ersetzen kann (auch wenn ich die Frage ebenfalls nicht für sonderlich zielführend halte). Aber “Journalismus” wird es immer dort geben, wo jemand auf journalistische Art und Weise Informationen publiziert. Ob das in einer gedruckten Zeitung passiert, in einer Radiosendung oder eben in einem Blog ist völlig irrelevant! Journalismus kann überall stattfinden.
Wenn ein Wissenschaftblogger journalistisch Arbeit leistet, dann findet in seinem/ihren Blog Wissenschaftsjournalismus statt. Wenn nicht, dann nicht. Es muss dabei nicht einmal jeder Artikel eines Blogs journalistisch geschrieben sein. Denn das passiert ja anderswo auch nicht. Nicht einmal in den Zeitungen, wie aktuell dieser sehr lesenswerte Artikel über Schleichwerbung in der Süddeutschen Zeitung zeigt. Nicht alles was auf Papier gedruckt als Zeitung verkauft wird, ist Journalismus. Und genau so ist nicht alles, was in Blogs veröffentlicht wird, kein Journalismus.
Ich würde mich freuen, wenn diese Debatte endlich mal ein Ende finden würde. Ich kann mir auch nicht wirklich vorstellen, warum sie immer noch geführt wird? Zumindest den Journalisten sollte doch eigentlich klar sein, dass journalistische Arbeit in jedem Medium stattfinden kann (und auf jedem Fall sollte das einem Professor für Journalistik klar sein). Ist es Neid oder Angst der diese Debatte immer wieder anfeuert oder etwas anderes, das ich nicht verstehe?
Vielleicht sage ich noch ein kleines Wort zu dem zweiten Satz, den Holger Wormer gesagt hat:
“Blogs sind meinungsstärker und quellenärmer als Massenmedien.”
Ok, dass Blogs meinungsstärker sind als die Massenmedien ist durchaus plausibel. Können sie ja auch ruhig sein, weil in ihnen eben alles stattfinden kann und nicht nur klassisch objektiver Journalismus, bei dem die Journalisten selbst nicht in Erscheinung treten dürfen. Aber auch “quellenärmer”? Ernsthaft? Ich weiß nicht, wie oft ich mich darüber ärgere, dass in einem Zeitungsartikel über Wissenschaft keine Quellen verlinkt oder angegeben werden. Ich lese immer wieder etwas über eine interessante Forschungsarbeit, aber in den seltensten Fällen wird dann auch genau angegeben, in welcher Ausgabe welcher Fachzeitschrift die besprochene Arbeit erschienen ist. In den Online-Ausgaben der Zeitschriften gibt es ab und zu mal entsprechende Links (aber meistens verzichtet man darauf und verlinkt lieber irgendwas aus dem eigenen Angebot) aber in den Printausgaben bekommt man selten exakte Quellenangaben. Ich habe mich über die Praxis der fehlenden Quellenangaben früher schon mal ausführlich aufgeregt und nicht gemerkt, dass sich da etwas wesentlich daran geändert hat. Gerade Blogs verlinken viel bereitwilliger auf die Quellen ihrer Informationen; bei den “Massenmedien” kann man schon froh sein, wenn da etwas wie “Quelle: Internet” oder “Quelle: YouTube” steht und sie einem die Inhalte nicht komplett klauen (wie in diesem aktuellen Fall; ein Link der übrigens aus dem BildBlog stammt in dem anscheinend, weil es ja ein Blog ist, kein Journalismus stattfinden kann…). Den Mehrwert der Quellenangaben und weiterführenden Informationen finde ich zumindest meiner persönlichen Erfahrung nach eher in den Blogs (aber dass Holger Wormer das völlig anders und Blogger nur als die sieht die schreiben was ihnen “morgens unter der Dusche eingefallen ist”, hat er ja früher schon gesagt).
Was die “winzige Reichweite” der “Top-Wissenschaftsblogs” angeht, mag Wormer sogar recht haben (Obwohl – würde ich die täglichen Nutzerzahlen meines Blogs mit der Auflage einer Zeitung vergleichen, würde ich in dieser Liste je nach Tagesform irgendwo zwischen der Heidenheimer Neuen Presse und den Sinsheimer Nachrichten landen 😉 Und bei der wöchentlichen Auflage bin ich dem Bayernkurier hart auf den Fersen!). Aber ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich sinnvoll ist, die Auflage einer überregionalen großen Zeitung oder einem großen Fernsehsender mit einem Wissenschaftsblog zu vergleichen. Mag sein, dass BILD eine deutlich größere Reichweite hat als ein Wissenschaftsblog. Aber dafür steht in der BILD auch nix über Wissenschaft und die ganze Reichweite bringt in Sachen Wissenschaftskommunikation nicht viel…
Dass mich die ganze Wissenschaftskommunikationsszene immer ein wenig ratlos zurück lässt, habe ich ja früher schon festgestellt. Ich finde auch die ganze Spielerei mit den Bezeichnungen wenig zielführend. Und die ewige Streiterei über den Journalismus. Wissenschaftsjournalismus ist wichtig. Es handelt sich um einen Weg, um über Wissenschaft zu sprechen und zu informieren. Ein Weg, der nicht nur in Zeitungen stattfinden kann, sondern überall. Und vor allem ist Wissenschaftsjournalismus nicht der einzige Weg der Wissenschaftskommunikation. Wo ist das Problem, wenn Wissenschaftler oder andere Leute (zum Beispiel) in Blogs über Wissenschaft reden und Wissenschaftsjournalisten in ihrem Medium ihren Wissenschaftsjournalismus betreiben? Sportjournalisten diskutieren ja auch nicht darüber, ob der Fußballstammtisch in der Kneipe den Sportjournalismus ersetzen wird oder kann. Warum können Wissenschaftsjournalisten ihre wissenschaftsjournalistische Arbeit machen ohne sich dabei von Leuten angegriffen zu fühlen, die auf andere Art und Weise öffentlich über Wissenschaft reden? Und angegriffen scheint sich zumindest Holger Wormer zu fühlen, wie seine letzte Antwort zeigt:
“Es gibt in Forschungsinstituten die Idee, man könne unter Umgehung der bösen kritischen Journalisten, die sowieso immer nur falsch berichten, direkt den Endnutzer erreichen. Diese Traumvorstellung ist so verführerisch, dass ich ihr wahrscheinlich auch erläge, wenn ich keine Ahnung von Medien hätte.”
Soll Wissenschaft wirklich nur durch den wissenschaftjournalistischen Filter kommunziert werden können? Zumindest meiner persönlichen Erfahrung als Wissenschafler und als Wissenschaftsautor nach, muss ich das verneinen. Natürlich können sich die Wissenschaftler direkt an die Öffentlichkeit wenden! Warum auch nicht? Und warum soll das die Wissenschaftsjournalisten bei ihrer Arbeit stören? Ich verstehe das alles nicht… und ich habe übrigens auch absolut kein Problem mit dem Journalismus! Ja, ich bin Blogger und die Texte hier in meinem Blog sind in den meisten Fällen tatsächlich kein Journalismus bzw. stelle ich an die meisten meiner Texte keine journalistischen Ansprüche. Aber ich schreibe auch regelmäßig Texte für andere Medien und die sind dann Journalismus, weil ich da eben journalistische Ansprüche stelle. In beiden Fällen kommuniziere ich Wissenschaft, aber eben auf unterschiedliche Art und Weise. Wo liegt das Problem? Ich verstehe das alles wirklich nicht.
P.S. Auf meiner Visitenkarte steht übrigens weder “Blogger” noch “Journalist”. Da steht “Astronom und Wissenschaftsautor”.
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