bartusiakSchwarze Löcher gehören zu den faszinierendsten Objekten im Universum. Lange Zeit galten sie nur als mathematische Kuriosität; heute wissen wir, dass sie überall im Kosmos zu finden sind und großen Einfluss auf seine Entwicklung haben. Über schwarze Löcher gibt es viel zu erzählen und über sie existieren viele falsche Vorstellungen. Ich wollte schon seit längerer Zeit eine ausführliche Serie über schwarze Löcher schreiben. Und da Marcia Bartusiak kürzlich ein tolles Buch* zu diesem Thema veröffentlicht hat, nehme ich das als Anlass, um diese Serie endlich zu schreiben. Alle Teile der Serie findet ihr hier.
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Über “Dunkle Sterne”, von denen kein Licht entkommen kann und die deswegen “unsichtbar” sind, hat sich ja schon John Michell im 18. Jahrhundert Gedanken gemacht. Seine Überlegungen basierten damals noch auf nicht ganz korrekten Vorstellungen über Gravitation und die Natur des Lichts. Es musste erst Albert Einstein kommen und die Newtonsche Mechanik mit Maxwells Elektrodynamik vereinen. So schuf er die Relativitätstheorie, die zur Grundlage unseres modernen Verständnis der schwarzen Löcher werden sollte.

Aber auch das hat ein wenig gedauert. Im November 1915 präsentierte Einstein die Gleichungen seiner Allgemeinen Relativitätstheorie, mit der sich die Wirkung der Gravitation auf ganz neue Art und Weise beschreiben ließ. Aber wie das mit Gleichung so ist: Sie brauchen immer auch eine Lösung. Und die war schwer zu finden. Einstein selbst konnte anfangs nur eine Näherungslösung berechnen, die aber immerhin gut genug war, um zum Beispiel die Bewegung des Planeten Merkur genauer zu beschreiben als zuvor (die Tatsache, das Newtons Theorie nicht in der Lage war, Merkurs Bewegung vernünftig zu erklären, hat die Astronomen ziemlich lange genervt…).

Karl Schwarzschild (Bild: gemeinfrei)

Karl Schwarzschild (Bild: gemeinfrei)

Einstein war eigentlich auch überzeugt, dass es ziemlich lange dauern würde, bis jemand eine exakte Lösung seiner Gleichungen finden würde. Aber da hatte er nicht mit dem Genie von Karl Schwarzschild gerechnet! Der Astronom und Physiker hatte sich schon im Jahr 1900 mit der Frage beschäftigt, ob man das Universum vielleicht nicht auch mit einer anderen Geometrie beschreiben könnte, als der “normalen”. Man ging ja damals immer noch im wesentlichen von den gleichen Grundlagen aus, die schon in der griechischen Antike gelegt worden sind. Also der klassischen “euklidischen Geometrie”, mit der sich eine “flache” Welt beschreibt lässt. Aber Schwarzschild dachte darüber nach, wie sich die Welt beschreiben lassen würde, wenn der Raum gekrümmt wäre und war damit perfekt vorbereitet, als Einstein dann 15 Jahre später in seiner Relativitätstheorie exakt das beschrieb: Eine Raumzeit, die durch die Anwesenheit von Masse gekrümmt wird.

Schwarzschild, der diesen gekrümmten Raum als “geometrisches Märchenland” bezeichnete, war der erste, der eine exakte Lösung für Einsteins Gleichungen finden konnte. Damit konnte er nun zum Beispiel auch berechnen, wie sich Lichtstrahlen durch den von einem Stern gekrümmten Raum ausbreiten. Und entdeckte dabei, dass etwas seltsames passiert, wenn immer mehr Masse auf immer kleinerem Raum zusammengedrängt wird. Ab einer gewissen Grenze wird die Raumzeit so stark gekrümmt, dass ein Lichtstrahl (oder sonst irgendwas), der diese Grenze einmal überschreitet, keinen Weg mehr zurück findet. Die Masse unserer Sonne zum Beispiel verteilt sich über eine Kugel mit einem Durchmesser von 1,4 Millionen Kilometer. Das ist ziemlich groß und – sehr, sehr vereinfacht gesagt! – kann man wegen dieser Größe nie nahe genug an große Mengen ihrer Masse kommen, um die seltsamen Effekte eines schwarzen Lochs zu erleben.

Würde man die Sonne aber auf eine Sphäre von nur 6 Kilometer Durchmesser zusammenpressen, dann sitzt ihre gesamte gewaltige Masse auf einem einzigen Fleck der Raumzeit und man kann daher auch dieser gesamten gewaltigen Masse sehr nahe kommen! Nahe genug, um das zu überschreiten, was heute “Schwarzschild-Radius” oder “Ereignishorizont” genannt wird. Die Physiker der damaligen Zeit fanden es zwar äußerst cool, das eine Lösung für die Einsteinschen Gleichungen gefunden wurde und sie fanden es auch halbwegs interessant, dass diese Lösung unter anderem Objekte beschreibt, die nichts aus ihre Nähe entkommen lassen. Aber man war sich eigentlich auch ziemlich sicher, dass es sich dabei nur um mathematische Kuriositäten handelt. Man konnte sich keinen Mechanismus denken, der Materie so enorm stark komprimieren kann, um sie tatsächlich über den Ereignishorizont hinaus zu verkleinern. Der große britische Astronom Arthur Eddington nannte diese Grenze einen “magischen Kreis” und die französischsprachigen Wissenschaftler bezeichneten sie als “Katastrophensphäre”, weil dort die Physik offensichtlich nicht mehr funktionierte. Aber dass es sowas wirklich geben konnte, dachte niemand.

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Kommentare (5)

  1. #1 Ludger
    11. Mai 2015

    Karl Schwarzschild ist schon ein faszinierender Mensch gewesen. Um so tragischer war sein früher Tod. Früher Tod ist ein echtes Handicap beim wissenschaftlidhen Ruhm. Schwarzschild war schon ein Thema bei uns, als ich 14 Jahre alt war. Damals wusste von uns noch keiner was von Ereignishorizonten. Wir beschäftigten uns aber mit fotografischen Langzeitbelichtungen für Nachtaufnahmen.

    [Wikipedia, Schwarzschildeffekt]
    Der Astronom und Physiker Karl Schwarzschild entdeckte 1899, dass die Empfindlichkeit einer Fotoschicht bei Belichtungen über einer Sekunde (die Zeit ist abhängig von dem verwendeten Filmmaterial) exponentiell abnahm, also die erwartete Schwärzung nicht mit der erreichten Schwärzung übereinstimmte. Die Aufnahmen waren – bei gleicher Lichtdosis doch längeren Zeiten – unterbelichtet. Um diesen Effekt auszugleichen, sind die Aufnahmen länger zu belichten.

  2. #2 PDP10
    11. Mai 2015

    ” Der große britische Astronom nannte diese Grenze einen “magischen Kreis” […]”

    “Der grosse britische Astronom [Name bitte hier einsetzen … ] …”

    😉

  3. #3 phunc
    12. Mai 2015

    “Das ist ziemlich groß und – sehr, sehr vereinfacht gesagt! – kann man wegen dieser Größe nie nahe genug an große Mengen ihrer Masse kommen, um die seltsamen Effekte eines schwarzen Lochs zu erleben.”

    “Würde man die Sonne aber auf eine Sphäre von nur 6 Kilometer Durchmesser zusammenpressen, dann sitzt ihre gesamte gewaltige Masse auf einem einzigen Fleck der Raumzeit und man kann daher auch dieser gesamten gewaltigen Masse sehr nahe kommen! ”

    Diese beiden Sätze verwirren mich. Das “nahe kommen” ist es wohl. Man kann sich doch allem nähern oder etwa nicht?

  4. #4 Florian Freistetter
    12. Mai 2015

    @phunc: “Diese beiden Sätze verwirren mich. Das “nahe kommen” ist es wohl. Man kann sich doch allem nähern oder etwa nicht?”

    Wenn du dich direkt mittig vor die Sonne stellst, ist ein Teil ihrer Masse 1,4 Millionen km weit weg von dir (der Kram genau gegenüber auf der anderen Seite). Links und rechts von dir und auch Richtung oben und unten ist das Zeug bis zu 700000km weit weg. Komprimierst du das alles aber entsprechend, dann ist die GESAMTE Masse nie weiter weg als 6km. Und da die Gravitationskraft proportional zumQuadrat des Abstands ist, ist sie so VIEL stärker. Bzw du kannst sie VIEL stärker spüren, weil du eben viel näher an die ganze Masse ran kommst.

  5. #5 phunc
    12. Mai 2015

    @Florian

    Danke, das hat geholfen!