Dieser Artikel entstand im Rahmen meiner Arbeit für das Lindau Nobel Laureate Meeting 2015. Ich habe für das Konferenzblog einige Artikel geschrieben die ich nun hier auch in meinem Blog veröffentliche. Dieser Artikel wird daher in den nächsten Tagen auch dort erscheinen.
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Seit ihrem Anfang im Jahr 1951 hat sich die Nobelpreisträgertagung in Lindau doch ein wenig verändert. Aber eines blieb immer gleich: Die Fahrt über den Bodensee am letzten Tag der Konferenz: Laut Tagungsprogramm aus dem Jahr 1951 machten sich Nobelpreisträger und Konferenzteilnehmer am 14. Juni auf eine “Fahrt mit dem Sonderdampfer nach der Insel Mainau” und 65 Jahre später stand am 3. Juli der “Baden-Württemberg Boat Trip to Mainau Island” im Terminkalender der jungen Wissenschaftler und der Laureaten. Das letzte Mal haben die Jungforscher aus aller Welt hier die Gelegenheit, in ungezwungener Atmosphäre mit den führenden Vertretern ihrer jeweiligen Disziplinen zu plaudern und sich Anregungen für ihre weitere wissenschaftliche Arbeit und Karriere zu holen. Das letzte Mal findet man ein paar Dutzend der angesehensten Wissenschaftler der Welt an einem Fleck versammelt. Das letzte Mal zumindest, bevor im nächsten Jahr das 66. Lindau Nobel Laureate Meeting stattfinden wird.

Die Abschlussfahrt nach Mainau (Picture/Credit: Christian Flemming/Lindau Nobel Laureate Meetings)

Die Abschlussfahrt nach Mainau (Picture/Credit: Christian Flemming/Lindau Nobel Laureate Meetings)

In der Zwischenzeit werden die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aber vielleicht auch an ihren Heimatuniversitäten die Möglichkeit haben, von erfahrenen Kollegen zu lernen. Denn so bedeutsam die Auszeichnung mit dem Nobelpreis auch tatsächlich ist: Wissenschaftliche Spitzenleistungen findet man auch anderswo. Schon allein deswegen, weil gar nicht jede Forschungsrichtung mit der begehrten Medaille aus Stockholm belohnt werden kann. Alfred Nobels Testament sieht Preise nur für wissenschaftliche Leistungen in Physik, Chemie, Medizin oder Physiologie vor. Nobel hatte dafür sicherlich seine Gründe (über die aber wenig bekannt ist und bis heute diskutiert und gestritten wird), aber ein kleines bisschen ungerecht ist es objektiv betrachtet schon, dass zum Beispiel Mathematiker, Geophysiker oder Biologen nicht auf die gleiche Weise geehrt werden können wie ihre Kollegen aus den “Nobel-Disziplinen”.

Die Königliche Schwedische Akademie der Wissenschaften, die für die Vergabe der Physik- und Chemie-Preise zuständig ist, scheint das ähnlich zu sehen; wenigstens seit dem Jahr 1982. Seit damals wird der Crafoord-Preis verliehen. Benannt und gestiftet wurde er, so wie der Nobelpreis, von einem schwedischen Industriellen: Holger Crafoord. Das Preisgeld beträgt “nur” etwa 4 Millionen schwedische Kronen (also knapp halb so viel wie beim Nobelpreis), aber dafür kann der Preis auch für Leistungen auf dem Gebiet der Mathematik, Geowissenschaften, Astronomie oder Biologie verliehen werden. Zu den Preisträgern gehören Spitzenforscher wie der britische Astronom Fred Hoyle, der herausfand wie Sterne in ihrem Inneren neue Elemente produzieren, der Meteorologe Edward Lorenz, der viele der Grundlagen zur modernen Chaostheorie gelegt und das bekannte Phänomen des “Schmetterling-Effekts” identifiziert und benannt hat oder der Mathematiker und Stringtheoretiker Edward Witten, der seit vielen Jahren die moderne Physik prägt wie kein anderer.

Witten ist auch Träger der Fields-Medaille, dem wohl angesehensten Preis den man als Mathematiker bekommen kann und der im Gegensatz zum Nobelpreis nur alle vier Jahre und auch nur an Forscher verliehen wird, die jünger als 40 Jahre alt sind. Und würde es einen Nobelpreis für Mathematik geben, würde Witten den wahrscheinlich auch noch irgendwann bekommen. Über die Tatsache, dass Alfred Nobel die Mathematik in seinem Testament nicht berücksichtigt hat, ranken sich ja einige hartnäckige Gerüchte: Nobels Frau soll ein Verhältnis mit einem Mathematiker gehabt haben, weswegen er diese Disziplin nicht in gleichen Ausmaß ehren wollte wie die anderen Wissenschaften. Aber da Nobel nie verheiratet war, handelt es sich dabei tatsächlich nur um ein Gerücht. Wahrscheinlich sah der Praktiker Nobel die theoretische Wissenschaft der Mathematik einfach nicht als relevant genug für einen Preis an.

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Kommentare (1)

  1. #1 MartinB
    16. Juli 2015

    Als Beispiel für berühmte Nicht-Preisträger hier noch Sommerfeld (laut Wikipedia):
    “Sommerfeld wurde insgesamt 81 Mal für den Nobelpreis vorgeschlagen (vorschlagsberechtigt sind nur ganz ausgewählte Personen, wie z. B. frühere Nobelpreisträger) – häufiger als jeder andere Physiker vor oder nach ihm.”
    Bekommen hat er ihn nie.