Ich bin derzeit zwar hauptsächlich damit beschäftigt durch die Gegend zu reisen und mit den Science Busters Wissenschaft unters Volk zu bringen. Aber ab und zu schaffe ich es dann doch noch, nach Hause nach Jena zu kommen. Das war am Mittwoch der Fall und da hatte ich gleich das Vergnüngen, zur Abwechslung mal einen Vortrag dort zu halten, wo ich wohne! Die Anreise zum Vortragsort ließ sich diesmal also mit der Straßenbahn erledigen und am Ziel warteten gleich die Sterne auf mich:

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Nein, in Jena gibt es (leider) keinen Weltraumbahnhof. Aber immerhin Raumfahrtindustrie! Und genau die habe ich besucht, denn ich war von Jena-Optronik eingeladen worden, für die Mitarbeiter einen Vortrag zu halten. Dessen Thema hatte allerdings gar nichts mit diffiziler Technik und Ingenieursarbeit zu tun. Es ging um eines meiner Lieblingsthemen: Bier und Astronomie:

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Zuerst bekam ich aber noch eine Führung durch den Betrieb. In Jena gibt es ja jede Menge Optik-Firmen, die alles mögliche machen. Ich habe zwar einen recht guten Überblick über die verschiedenen wissenschaftlichen Einrichtungen die sich in Jena mit astronomisch-optischen Themen beschäftigen; was die Industrie angeht habe ich mich aber bis jetzt nicht so sehr mit den Details beschäftigt. Insofern war ich sehr überrascht zu lernen, dass Jena-Optronik zu den weltweit führenden Firmen gehört, wenn es um bestimmte Bereiche der Raumfahrt geht.

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Dieses Teil hier zum Beispiel ist dafür verantwortlich dass das ATV, also das Automated Transfer Vehicle der Europäischen Raumfahrtagentur tatsächlich das machen kann, wonach es benannt ist: Nämlich automatisch von der Erde zur Raumstation fliegen. Dazu muss es sich im Weltraum orientieren und damit das klappt, braucht es sogenannte Sternsensoren.

Und genau die werden – unter anderem – bei Jena-Optronik hergestellt. Nicht einfach irgendwo, sondern unter Reinraumbedingungen und da ich diesen Teil der Firma auch besichtigen durfte, musste ich mich dazu erst einmal verkleiden:

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Durch Gänge die aus einem Science-Fiction-Film stammen könnten ging es dann zur Fertigung:

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Die Arbeitsplätze selbst sehen dann – zumindest für einen technischen Laien wie mich – wenig informativ aus. Jede Menge Leute machen dort jede Menge Dinge mit jeder Menge Elektronik 😉

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Aber zumindest das Prinzip der Sternsensoren ist leicht zu verstehen. Mit Kameras wird der Sternenhimmel sehr oft (mehrmals pro Sekunde) fotografiert. Die Aufnahmen werden dann mit einem gespeicherten Sternkatalog verglichen bis man eine Übereinstimmung zwischen Fotografie und Datenbank findet. Dann weiß das Raumfahrzeug wo es ist und kann seinen Kurs automatisch weiter verfolgen.

Klingt simpel, ist aber gar nicht so einfach umzusetzen. Ganz ohne komplizierte Technik war diese Kalibrierung von Himmelsfotografien und das Identifizieren von Sternenkonstellationen ja auch früher mal Teil meiner Arbeit an der Uni Heidelberg. Ich war aber schon froh, wenn ich eine Fotoplatte pro Tag geschafft habe; mehrere Bilder pro Sekunde hätte ich sicher nicht hinbekommen 😉

Da die Sternsensoren in der Raumfahrt eingesetzt werden, müssen sie natürlich entsprechend getestet werden. Es gibt also diverse Stationen in denen die Geräte dem Vakuum ausgesetzt, durchgeschüttelt, erhitzt, gekühlt und anderweitig strapaziert werden damit sicher gestellt ist, dass sie beim Einsatz in Satelliten und Raumfahrzeugen auch wirklich funktionieren.

Das Gerät vor dem ich hier stehe, ist besonders nett:

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Auf der rechten Seite simuliert eine enorm starke Lichtquelle die Sonne, während in der Vakuumkammer auf der linken Seite das Gerät darauf wartet, angestrahlt zu werden.

Die Leute, die dort arbeiten müssen sich selbstverständlich gut mit Optik, Technik und Raumfahrt auskennen. Ich war daher nach meinem Rundgang auch ein wenig skeptisch, ob ich ihnen als Astronom überhaupt noch etwas Neues über Astronomie erzählen kann. Aber ich hoffe, dass ich dann doch noch ein paar Geschichten gefunden habe, die für die Jena-Optroniker interessant waren. Beschwert hat sich zumindest niemand bei mir – und nach dem Vortrag gab es auch einige anspruchsvolle Fragen.

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Kommentare (3)

  1. #1 BreitSide
    Beim Deich
    18. Oktober 2015

    Wird das ATV wiederbelebt?

  2. #2 Dampier
    18. Oktober 2015

    Müssten nicht Bartträger in Reinräumen auch eine Tüte um den Bart bekommen? Mir erscheint das etwas inkonsequent, es gibt ja Untersuchungen, was alles so in einem durchschnittlichen Bart hängt …

  3. #3 brian
    18. Oktober 2015

    @Dampier: Die Inkonsequenz besteht nicht darin, dass er den Bart nicht abdeckt, sondern darin, dass er den Kopf bedeckt. Eins ist sicher: Florians Bart ist gewiss nicht durchschnittlich