Ich wette: Im Jahr 2018 wird irgendwo wieder behauptet werden man hätte eine “zweite Erde” entdeckt. Und wie in all den Jahren zuvor wird es nicht stimmen. Denn uns fehlt immer noch die Technik, mit der man genau herausfinden kann, wie sich die Atmosphäre eines Planeten bei einem anderen Stern zusammensetzt. Nur mit dieser Information aber können wir bestimmen, ob dort die gleichen lebensfreundlichen Bedingungen herrschen wie bei uns. Und nur mit dieser Information können wir herausfinden, ob es dort Leben gibt. Wir müssen nach “Biomarkern” in den Atmosphären anderer Planeten suchen und das können wir nicht. Noch nicht. Aber bald wird es so weit sein – und dann können wir uns zumindest eine Analyse sparen. Denn wie Astronomen im letzten Jahr herausgefunden haben, ist Chlormethan kein Biomarker.

Batis maritima, eine Art Strauch der gern an Küsten wächst - produziert Chlormethan (Bild: USGS, public domain)

Batis maritima, eine Art Strauch der gern an Küsten wächst – produziert Chlormethan (Bild: USGS, public domain)

Chlormethan (CH3Cl) oder auch Methychlorid galt bis dahin als sehr vielversprechender Biomarker. Auf der Erde finden wir dieses farblose, süßlich riechende und etwas ungesunde Gas in geringen Mengen in der Atmosphäre. Es ist die häufigste chlorhaltige Verbindung in der Luft und eine der Quellen dafür sind diverse industrielle Prozesse bei denen es freigesetzt wird (es ist aber auch Teil von Zigarettenrauch); es wird zum Beispiel auch als Kühlmittel eingesetzt. Die zweite Quelle aus der es entstehen kann, sind allerdings die natürlichen Ausgasungen diverser Pflanzen und von Bakterien beziehungsweise Plankton in den Ozeanen. Würde man Chlormethan in der Atmosphäre eines anderen Planeten nachweisen, dann wäre das ein gutes Zeichen dafür, dass auch dort irgendwelche Pflanzen existieren die denen auf der Erde ähnlich sind.

Dachte man zumindest bisher. Die Arbeit von Edith Fayolle vom Harvard-Smithonian Center für Astrophysik und ihrer Kollegen zeigt aber nun, das dem nicht so ist (“Protostellar and Cometary Detections of Organohalogens” (pdf)). Sie haben zwei ganz unterschiedliche Himmelskörper untersucht. Zuerst haben sie ALMA benutzt, das Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array, eine große Anlage in Chile zur Beobachtung von Radio- und Mikrowellen. Damit kann man herausfinden, welche Moleküle in den großen Gas- und Staubwolken im Weltall rumschwirren (wie das funktioniert habe ich hier ausführlich erklärt). Mit ALMA haben sie den 390 Lichtjahre entfernten Stern IRAS 16293-2422 beobachtet. Beziehungsweise den Protostern IRAS 16293-2422 – denn noch ist dieses Ding kein echter Stern. Es wird erst zu einem; noch ist ein sternähnliches Objekt, das von jeder Menge Gas umgeben ist. Und in diesem Gas fanden Fayolle und ihre Kollegen deutliche Spuren von Chlormethan.

Sternentstehungsregion im Sternbild Schlangenträger - hier gibts Chlormethan! (Bild: ESO/Digitized Sky Survey 2, Davide De Martin)

Sternentstehungsregion im Sternbild Schlangenträger – hier gibts Chlormethan! (Bild: ESO/Digitized Sky Survey 2, Davide De Martin)

Das zweite Untersuchungsobjekt der Astronomen war deutlich näher: Der Komet 67P/Tschurjumow-Gerassimenko, also der Himmelskörper der in den letzten Jahren ausführlich von der Raumsonde Rosetta untersucht worden ist. Dort hat man schon jede Menge interessante Moleküle entdeckt und nun auch Chlormethan.

Und wenn man Chlormethan in zwei so unterschiedlichen Regionen findet, die aber gleichermaßen beide definitiv nicht lebensfreundlich sind, dann kann es kein eindeutiger Biomarker sein. Weder auf dem Kometen noch in der Gashülle des Protosterns wird man irgendwelche Pflanzen finden, die Chlormethan freisetzen. Es muss also auch auf rein chemischen Weg ohne Beteiligung von Leben entstehen können und würde man es in der Atmosphäre eines extrasolaren Planeten nachweisen, dann wäre das kein eindeutiger Beleg für die Existenz von Leben oder lebensfreundlichen Bedingungen.

Das ist schade. Aber so ist halt die Realität. Und vor allem ist es trotz allem enorm interessant! Denn damit überhaupt irgendwo Leben entstehen kann, braucht es zuerst einmal ausreichend komplexe Moleküle. Wir wissen noch nicht genau, welche Moleküle welche Rolle spielen und wie die chemischen Verbindungen aussehen müssen, die nötig sind, damit Chemie zu Leben wird. Aber nun wissen wir, dass Chlormethan zu den Molekülen gehört, die sich auch ganz von selbst überall im Weltraum bilden können; ganz ohne Leben. Und was im Weltraum entsteht, kann auf die Oberfläche junger Planeten gelangen. Zum Beispiel durch Einschläge von Asteroiden und Kometen. Dass diese Himmelskörper die “Bausteine des Lebens” auf die Erde gebracht haben, gehört zu den spannendsten und vielversprechendsten Hypothesen, die die Wissenschaftler derzeit erforschen.

Rosettas Komet - das Chlormethan kann man nicht sehen; ist aber da (Bild:  ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/SSO/INTA/UPM/DASP/IDA)

Rosettas Komet – das Chlormethan kann man nicht sehen; ist aber da (Bild: ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/SSO/INTA/UPM/DASP/IDA)

Fayolle und ihre Kollegen haben in ihrer Arbeit abgeschätzt, welche Mengen an Chlormethan an die junge Erde geliefert worden sind. Wenn 67P/Tschurjumow-Gerassimenko ein typischer Komet ist, dann sollten zur Zeit der Planetenentstehung ungefähr 600 Tonnen Chlormethan auf die Erde gelangt sein; insgesamt 50 Gigatonnen. Welche Rolle das Molekül bei der Entstehung des Lebens gespielt hat beziehungsweise ob es überhaupt eine Rolle gespielt hat, ist noch unbekannt. Aber es sagt uns auf jeden Fall etwas über die Art und Weise wie aus Asteroiden und Kometen Planeten entstehen und wie die Einschläge dieser Himmelskörper das spätere Schicksal der Planeten prägen. Sollten wir in Zukunft auf einem anderen Planeten Chlormethan nachweisen können, dann ist das vielleicht kein Beleg für die Existenz von Leben. Aber eventuell ein Hinweise darauf, wie viele Kometen im Laufe der Zeit auf ihm eingeschlagen sind. Und das zu wissen ist wiederum interessant, wenn es um die Frage nach der Lebensfreundlichkeit geht.

Die zweite Erde ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit irgendwo da draußen. Und früher oder später werden wir sie auch finden. Und auf dem Weg dorthin jede Menge interessante Geschichten hören. Wie zum Beispiel die von Chlormethan im Weltraum…

Kommentare (17)

  1. #1 pane
    3. Januar 2018

    Langsam nervt das mit der zweiten Erde. Was soll das? Wie die Erde aussieht wissen wir. Und wenn nicht, dann untersuchen wir am besten den Planet, auf dem wir uns befinden und nicht irgendwas im Weltall.

    Viel interessanter sind doch Planeten, die völlig anders sind, als die die wir hier so kennen.

  2. #2 pane
    3. Januar 2018

    Hat schon mal einer eine Statistik über Exoplaneten gemacht? Wie häufig sind Planeten um einen Stern und in welchem Abstand?

    Planeten auf deren Bahnebene wir uns so ungefähr befinden, sind viel leichter zu entdecken, als solche, deren Bahnebene senkrecht zu der Blickrichtung von uns aus liegen. Auch Planeten, die Jahrzehnte für einen Umlauf brauchen, finden wir nicht. Außer man kann sie direkt sehen, was aber selten ist, da so ein Stern doch ganz schön hell ist.

    Ich weiß z.B. nicht, ob die Drehrichtungen der Sterne und damit die ihrer Planeten in der Milchstraße zufällig verteilt sind, oder ob eine Richtung bevorzugt wird.

  3. #3 Captain E.
    3. Januar 2018

    @pane:

    Soweit ich weiß, hat man bislang keine bevorzugte Ausrichtung entdecken können. Mit anderen Worten: Ein Sonnensystem kann seine Ekliptik in jeder beliebigen Ausrichtung liegen haben.

  4. #4 Alderamin
    3. Januar 2018

    @pane

    Klar. Hier kann man sich seine eigenen Diagramme plotten:

    https://exoplanetarchive.ipac.caltech.edu/cgi-bin/IcePlotter/nph-icePlotInit?mode=demo&set=confirmed

    z.B. Deins: Histogram, Column: Orbit semi-major semiaxis, logarithmischer Plot (Voreinstellung).

    Man kann auch als Scatter Plot die Inklination der Bahn (90°=wir blicken auf die Kante des Systems) über der großen Halbachse der Bahn plotten. Man kann berechnen, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Planet in welcher Entfernung des Sterns vor diesem noch durchzieht (man muss dafür die relativen Häufigkeiten der Sternradien berücksichtigen; die häufigen M-Zwerge sind kleiner als die Sonne, bis hinunter zu Jupitergröße), entsprechend kann man die registrierten Planeten wichten und auf die gesamte Milchstraße hochrechnen.

    Eine entpsrechende Arbeit: https://www.nasa.gov/mission_pages/kepler/news/17-percent-of-stars-have-earth-size-planets.html

  5. #5 Alderamin
    3. Januar 2018

    @pane

    Langsam nervt das mit der zweiten Erde. Was soll das? Wie die Erde aussieht wissen wir. Und wenn nicht, dann untersuchen wir am besten den Planet, auf dem wir uns befinden und nicht irgendwas im Weltall.

    Viel interessanter sind doch Planeten, die völlig anders sind, als die die wir hier so kennen.

    Sehe ich nicht so. Man will ja wissen, wie ungewöhnlich die Erde ist (oder nicht) und wie weit (oder nahe) die nächsten Planeten, auf denen es (höheres) Leben geben könnte. Sprich’, ob wir alleine sind oder nicht. Heiße Exo-Jupiter sind dagegen doch totlangweilig.

    Wenn’s um potenziell habitable Planeten geht, ist das unten in diesem Artikel aufgeführte Diagram das derzeit beste.

  6. #6 Floh
    3. Januar 2018

    Alles klar Chlor-Methan ist kein eindeutiger Indikator.
    Welche Indikatoren kommen sonst noch in Frage?
    Ozon vielleicht?

  7. #7 Alderamin
    3. Januar 2018

    @Floh

    Generell galt immer die Kombination von Sauerstoff (kann bei UV-Strahlung auch aus Wasser abgespalten werden) und Methan (kommt in reduzierenden Atmosphären häufig vor, z.B. Uranus, Titan) als Biomarker. In oxidierender Atmosphäre überdauert Methan hingegen nicht lange und muss ständig aufgefrischt werden. Das könnten allerdings auch Vulkane leisten.

  8. #8 Chemiker
    3. Januar 2018

    Ozon O₃ bildet sich durch Sonnen­einstrah­lung aus O₂ in der oberen Atmo­sphäre. Da ist kein Leben beteiligt.

    Ich glaube allerdings, daß O₂ auf einem Pla­ne­ten ohne Leben nicht lange stabil wäre. Es gibt ein­fach zu viel Zeug, mit dem es re­agie­ren kann, vor allem Eisen­mine­ra­lien, die zu­min­dest auf unserem Planeten in riesi­gen Men­gen vor­kom­men. So ge­sehen wäre der Nach­weis von jeder Art Sauer­stoff schon recht erfolg­ver­sprechend, da er einen Mecha­nis­mus zum stän­di­gen Nach­schub benötigt.

  9. #9 Karl-Heinz
    3. Januar 2018

    Die Forscher rund um Norio Narita vom National Institute of Natural Sciences (NINS) in Tokio postulieren im Fachjournal “Scientific Reports”, dass Sauerstoff auch durch photokatalytische Reaktionen von Titandioxid und Wasser freigesetzt werden könnte.

    Mal gucken, ob ich Titandioxid mal so einfach auf der Erde finde. 😉
    Sauerstoff muss kein Signal für Leben auf Exoplaneten sein

  10. #10 Alderamin
    3. Januar 2018

    @Chemiker

    Deswegen ja auch die Kombination aus O2 und CH4 als Biomarker. O3 entsteht aus O2, wenn O2 ausreichend vorhanden ist, aber ich habe mal in einem Paper gefunden, dass durch UV-Bestrahlung einer Wasserdampfatmosphäre bis über 40% O2-Anteil in der Atmosphäre gebildet werden könnte. Deswegen ist O2 (oder O3) alleine noch kein Biomarker.

  11. #11 Karl-Heinz
    3. Januar 2018

    @Alderamin

    Würde sich nicht sofort Ozon bilden, welches verhindert, dass Wasserdampf unterhalb der Ozonschicht photolysiert wird?

  12. #12 Alderamin
    3. Januar 2018

    @Karl-Heinz

    Genau, Photolyse war das Wort, das mir nicht einfiel. Das mit dem O3 klingt zwar logisch, aber das wird man in dem Paper wohl berücksichtigt haben. Dies hier ist zwar nicht das Paper, das ich damals gelesen hatte, aber es kommt zu ähnlichen Schlüssen:

    https://arxiv.org/pdf/1403.2713.pdf

    Wo wir gerade bei Biomarkern sind, es gibt wieder Hoffnung, dass das Methan auf dem Mars biologischen Ursprungs sein könnte:

    https://www.sciencemag.org/news/2018/01/mars-atmospheric-methane-sign-life-earth-changes-mysteriously-seasons

  13. #13 pane
    4. Januar 2018

    Der Planet mit dem höchsten prozentualen Sauerstoffanteil in unserem Sonnensystem ist der Merkur.

    Auch eine DNA ist ein Molekül. Fände man so etwas im All, wäre das schon ein eindeutiger Hinweis auf Leben. Das Problem ist, man findet es nicht, selbst wenn es existiert.

  14. #14 pane
    4. Januar 2018

    @Alderamin: war natürlich ein wenig übertrieben von mir. Interessierte man sich gar nicht für Erdähnliche Planeten so wäre das reichlich merkwürdig. Aber auch heiße Jupiter, kleine und große Neptune sowie Supererden sind interessant. Die Frage ist, ob man so einfach zwischen Supererde und Minineptun unterscheiden kann.

  15. #15 Karl-Heinz
    4. Januar 2018

    @pane

    Der Planet mit dem höchsten prozentualen Sauerstoffanteil in unserem Sonnensystem ist der Merkur.

    Du solltest schon dazusagen, dass die Gesamtmasse der Merkuratmosphäre nur 1000 Kilogramm beträgt. Auf der Erde wäre man im Labor froh, wenn man solch ein Vakkum, welches auf dem Merkur herrscht, erreichen könnte.

  16. #16 Roland B.
    5. Januar 2018

    Feinstaub wäre ein Indikator für menschenähnliches Leben – schließlich definiert sich menschliches Leben über das benutzte Auto.
    Ist natürlich interstellar nicht nachweisbar. Oder doch?
    Andere Chemikalien zeigen höchstens, daß es intelligentes Leben geben kann.

  17. #17 Roland B.
    5. Januar 2018

    [blockquote]Du solltest schon dazusagen, dass die Gesamtmasse der Merkuratmosphäre nur 1000 Kilogramm beträgt. Auf der Erde wäre man im Labor froh, wenn man solch ein Vakkum, welches auf dem Merkur herrscht, erreichen könnte.[/blockquote]
    Mit so einer pingeligen Einstellung müssten 99% aller Privatfernsehsendungen eingestellt werden.
    Willst du das wirklich?