Am Sonntag kommt der Osterhase. Und vielleicht auch eine chinesische Raumstation! Tiangong-1 fliegt seit März 2016 unkontrolliert um die Erde und ist mittlerweile so nahe, dass der endgültige Absturz kurz bevor steht. Aktuelle Prognosen zeigen an, dass die Raumstation zwischen dem 30. März und dem 2. April runter kommen wird – die Chancen für den Ostersonntag stehen also gut.

Und da fragt man sich jetzt natürlich sofort: Warum stürzt das Ding überhaupt ab? Wieso weiß man nicht, wann genau das stattfindet? Und wie groß ist die Gefahr, beim Eiersuchen von chinesischem Weltraumschrott erschlagen zu werden?

Modell von Tiangong-1 mit angedocktem Shenzou-Raumschiff (Bild: Leebrandoncremer, CC-BY-SA 4.0)

Modell von Tiangong-1 mit angedocktem Shenzou-Raumschiff (Bild: Leebrandoncremer, CC-BY-SA 4.0)

Warum stürzt das Ding überhaupt ab?

Tiangong-1 war (bzw. ist momentan immer noch) die erste chinesische Weltraumstation. Sie wurde im September 2011 ins All gebracht, bis 2013 zweimal von chinesischen Astronauten besucht und benutzt und hat danach als Erdbeobachtungssatellit gedient. 2016 wurde die Nachfolgestation Tiangong-2 ins All gebracht und 2016 gab die chinesische Raumfahrtbehörde auch bekannt, dass man den Funkkontakt mit Tiangong-1 verloren hatte. Wenn man die Station nicht mehr erreichen kann, dann kann man sie nicht mehr kontrollieren. Das wäre kein großes Problem, wenn das Ding weit, weit von der Erde entfernt wäre. Die Station befand sich aber – wie auch die Internationale Raumstation ISS – nur knapp 400 Kilometer von der Erdoberfläche entfernt. Das ist im Weltraum, aber noch nicht so tief im Weltraum, dass die Erdatmosphäre vollständig verschwunden ist. Auch in dieser großen Höhe gibt es noch ein paar Luftmoleküle und die verursachen eine “Reibung” die zum langsamen Absinken der Raumstation führt. Die ISS wird deswegen zum Beispiel regelmäßig wieder nach oben geschoben. Bei Tiangong-1 passiert das nicht und deswegen sinkt sie immer tiefer. Irgendwann wird sie so weit in der Atmosphäre stecken, dass sie komplett abstürzt. Und genau das wird demnächst passieren.

Wieso weiß man nicht, wann genau das stattfindet?

Weil es kompliziert ist! Natürlich weiß man prinzipiell, wie die Physik so eines Absturzes funktioniert und könnte theoretisch alles exakt vorher berechnen. Aber unsere Atmosphäre verändert sich. Wie dicht ihre oberen Schichten sind, hängt zum Beispiel von der Aktivität der Sonne ab und die kann man kaum und schon gar nicht für lange Zeiträume vorhersagen. Wie stark die auf die Station wirkende Reibungskraft ist, hängt auch davon ab, mit welcher Seite sie ankommt. Raumstationen im leeren Weltall müssen normalerweise ja nicht besonders windschnittig sein; wenn sich Tiangong-1 jetzt aber durch die immer dichter werdende Atmosphäre bewegt, dann kommt es durchaus auch auf die Aerodynamik an und ob jetzt zum Beispiel gerade ne große Fläche in Flugrichtung zeigt oder nicht. Die Station kann rotieren oder taumeln – und all das lässt sich eben nicht exakt vorher berechnen. Man kann die Station nur beobachten, ihre aktuelle Flughöhe aufzeichnen und daraus Prognosen für den Absturztag erstellen. Das machen die Raumfahrtorganisationen auch und so kommen sind sie auf den Zeitraum zwischen 30. März und 2. April gekommen.

Wie groß ist die Gefahr, beim Eiersuchen von chinesischem Weltraumschrott erschlagen zu werden?

Eher gering. Erst einmal ist die Raumstation klein. Mit zehn Metern Länge und drei Metern Tiefe ist das Ding bei weitem nicht so groß wie etwa die ISS, sondern ähnelt eher einem Autobus. Aber den möchte man natürlich auch nicht auf den Kopf kriegen! Tiangong-1 kommt aber auch nicht am Stück auf die Erde runter. Sie wird sich durch die Reibung in der Atmosphäre schon vorher in ihre Bestandteile auflösen. Jede Menge davon wird einfach in der Atmosphäre verglühen. Aber nicht alles! Da gibt es durchaus auch Komponenten, die zu dicht sind bzw. aus Materialien bestehen, die nicht verglühen. Wie viel übrig bleibt, lässt sich auch nicht vorhersagen. Aber von den 8,5 Tonnen die die Raumstation wiegt, könnten bis zu 40 Prozent übrig bleiben und am Ende auf der Erde einschlagen.

Will man nicht auf die Ostereier kriegen! Treibstofftank einer Delta-2-Rakete, "gelandet" 1997 in Texas (Bild: NASA, public domain)

Will man nicht auf die Ostereier kriegen! Treibstofftank einer Delta-2-Rakete, “gelandet” 1997 in Texas (Bild: NASA, public domain)

Das ist aber immer noch kein Grund zur Sorge. Wo genau der Krempel runterkommt, lässt sich – bis kurz zuvor – ebenfalls nicht vorhersagen. Aber die Chancen, dass es über dem Ozean geschieht, sind groß. Der macht immerhin zwei Drittel der Erdoberfläche aus. Von der Landfläche ist ein Großteil unbewohnt. Da muss man schon sehr, sehr viel Pech haben, von einem Trümmerteil getroffen zu werden. Ein Lottogewinn ist da sicherlich viel wahrscheinlicher. Und in Deutschland, Österreich und der Schweiz kann man sowieso ganz beruhigt im Freien Ostereier suchen gehen. Aufgrund der Neigung der Umlaufbahn von Tiangong-1 kann sie nur zwischen 43 Grad nördlicher und 43 Grad südlicher Breite einschlagen. Damit sind Nord- und Mitteleuropa raus aus der Gefahrenzone; wenn, dann muss man im südlichen Italien, Spanien und am Balkan aufpassen. Und in Mittel- und Südamerika, dem südlichen Asien, ganz Afrika, Australien und der Hälfte von Nordamerika. Aber wie gesagt: Die Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich Menschen zu schaden kommen, ist verschwindend gering (und so etwas ist bis jetzt auch noch nicht vorgekommen). Weltraummüll wie Tiangong-1 wird auch keinen großen Krater o.ä. erzeugen. Dafür kommt das Zeug viel zu langsam an, da es durch die Atmosphäre ja abgebremst wird.

Also: Ihr könnt beruhigt Ostern feiern. Und falls ihr den Osterurlaub in südlicheren Breiten verbringt, habt ihr ja vielleicht Glück und findet nicht nur ein Osterei sondern auch ein Stück Weltraummüll!

Kommentare (24)

  1. #1 Thomas
    26. März 2018

    Mich würde interessieren: besteht die Möglichkeit das Teil (gutes Wetter vorausgesetzt) beim Wiedereintritt verglühen zu sehen in Mitteleuropa?
    Könnte ja mitunter ein nettes Schauspiel werden.
    Grüße

  2. #2 schlappohr
    26. März 2018

    Weiß man, wie die Station mit Energie versorgt wurde? Kommt da vielleicht etwas herunter, das man nicht in der Athmosphäre oder im Meer und schon gar nicht am Boden haben möchte?

  3. #3 Florian Freistetter
    26. März 2018

    @schlappohr: Also das Ding hat zumindest auf dem Modell Solarpanele 😉 Und wenn da jetzt ein RTG oder sowas drin wäre, hätte China das sicher nicht geheim gehalten. Das können die sich auch nicht leisten; sowas würde man ja merken…

  4. #4 anton
    26. März 2018

    > Und da fragt man sich jetzt natürlich sofort:

    wieso wurde die Station nachdem sie verlassen wurde, nie wieder besucht?

  5. #5 Karsten
    26. März 2018

    Es gab mal ‘ne Serie – Dead like me – in der die Hauptperson am Beginn der 1. Episode von der Kloschüssel der abstürzenden Raumstation Mir erschlagen wurde (und sich danach als Untote wiederfand). Daher meine Fragen:
    Woraus bestehen die Toiletten in Raumstationen – und könnten sie tatsächlich den Wiedereintritt in einem Zustand überstehen, der es theoretisch ermöglichen würde, dass aus skuriller TV-Fiktion tatsächlich harte Realität wird – zumindest, was den ‘Erschlagen-werden’-Teil betrifft?

  6. #6 René
    26. März 2018

    @Florian Freistetter:

    Man kann die Station nur beobachten, ihre aktuelle Flughöhe aufzeichnen und daraus Prognosen für den Absturztag erstellen.

    – Wie ermittelt man die Flughöhe so eines Objektes?
    – Wie kann die Flughöhe fallen und zwischendurch wieder steigen (laut Beobachtung von Trackingseiten) statt einfach nur immer weiter zu fallen?
    Ich hoffe, die Fragen sind nicht zu blöd. :o)

  7. #7 Florian Freistetter
    26. März 2018

    @René: “Wie ermittelt man die Flughöhe so eines Objektes?”

    Radar…

  8. #8 Gerrit
    26. März 2018

    @René: “Wie kann die Flughöhe fallen und zwischendurch wieder steigen”
    Hast du einen Link? In der im Artikel verlinkten ESA Seite, nimmt die Flughöhe nur ab.

  9. #9 bruno
    26. März 2018

    …passend dazu: wann und warum kommt die ISS runter?
    https://www.spektrum.de/news/mehr-kommerz-im-all-wagen/1553762

  10. #10 René
    26. März 2018

    @Gerrit: Hier auf N2YO.com zum Beispiel. Wahlweise auch heavens-above.com oder calsky.com.

    Allerdings habe ich mir die zweite Frage glaube ich bereits selber durch Nachdenken beantwortet. Die Objekte um”kreisen” die Erde nicht im geometrisch exakten Sinne. Die haben eine elliptische Bahn mit einem ernächsten und einem erdfernsten Punkt, wie so ziemlich alles, was im Universum gegenseitig um sich kreist. :o)

    @Florian Freistetter: Danke auch für Deine Ausführung zu meinen Fragen.

  11. #11 Florian Freistetter
    26. März 2018

    @René: Vielleicht interessiert dich das hier noch – da beschreibt die ESA, wie sie Weltraummüll tracken: https://www.esa.int/Our_Activities/Operations/Space_Situational_Awareness/Space_Surveillance_and_Tracking_-_SST_Segment

  12. #12 Gerrit
    26. März 2018

    @René: Danke für die Links. Ich denke, dass du dir deine Frage auch richtig beantwortet hast.

    Noch als Anmerkung: Die Seiten zeigen keine Beobachtungen, sondern berechnen die Flugbahn vermutlich aus den letzten Beobachtungen. Bei N2YO.com stürzt Tiangong-1 auch nicht ab, sondern fliegt in 10 Tagen noch ;-).

  13. #13 Alderamin
    26. März 2018

    @Thomas

    Mich würde interessieren: besteht die Möglichkeit das Teil (gutes Wetter vorausgesetzt) beim Wiedereintritt verglühen zu sehen in Mitteleuropa?

    Denke nicht. Heavens-Above listet derzeit keine sichtbaren Passagen für meinen Wohnort im Rheinland und die ersten für München am 3. und 4. April, wenn sie schon Geschichte sein sollte. Wenn überhaupt krebst die Station am südlichen Horizont herum, weil sie ja nicht nördlicher als 43° kommt (siehe oben im Artikel). Falls der Verfall des Orbits nicht dafür sorgt, dass die Sichtbarkeitsperiode sich noch ein, zwei Tage nach vorne verschiebt, wird man im Süden nichts sehen können, und im Rheinland und im Norden Deutschlands ohnehin nicht – da gibt’s gar keine Passagen für längere Zeit auf Basis der aktuellen Bahnparameter.

  14. #14 René
    26. März 2018

    @Florian Freistetter: Danke für den Link. Ich freue mich, dass Du hier Wissenschaftskommunikation betreibst.

  15. #15 turtle of doom
    26. März 2018

    Ich finde es nur schade, dass man wohl nicht rechtzeitig das Verglühen von Tiangong-1 filmen kann. Und in einer so schönen Qualität wie hier… hier verglüht ATV-1 nach einem Versorgungsflug zur ISS:

  16. #16 René
    26. März 2018

    Ernsthaft? iframes in Kommentaren? Hätte nicht gedacht, dass das geht.

  17. #17 René
    26. März 2018

    Sorry @turtle of doom. Das sollte kein Angriff sein. Habe mich nur gewundert, zumal zunächst bei mir gar nicht erkennbar war, dass es sich um ein eingebettetes Video handelt. Ich hatte wohl einen Seitenladefehler.

  18. #18 PDP10
    26. März 2018

    @Rene:

    Das macht WP automatisch, wenn man einen harten Zeilenumbruch vor einer URI einfügt hinter der ein Video mit Vorschau steckt – die URI also in einer eigenen Zeile steht.

    Das lässt sich verhindern, wenn man die URI in ein A-Tag packt oder einfach in den Text ohne CR davor (kleiner Hint für Leute, die das nicht wollen weil das andere Leute mit mässiger Bandbreite oder begrenztem High-Speed Volumen nervt).

  19. #19 PDP10
    26. März 2018

    Aber was ich eigentlich sagen wollte war:

    Am Sonntag kommt der Osterhase. Und vielleicht auch eine chinesische Raumstation!

    *PLUMPS*

  20. #20 PDP10
    26. März 2018

    SCNR ;-).

  21. #21 René
    27. März 2018

    @PDP10: Danke für die Info. Das wusste ich nicht.

  22. #22 René
    29. März 2018

    Wie sieht das mit dem Flugverkehr in diesen Regionen aus. Ist der nicht etwas gefährdeter? Reicht ja schon ne kleine Schraube (ich weiß die würde wahrscheinlich vorher schon verglühen) die ins Triebwerk gelangt und plumps kommt statt ner kleinen Schraube nen Airbus runter 😉

  23. #23 Karl-Heinz
    1. April 2018
  24. #24 Karl-Heinz
    1. April 2018