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Sternengeschichten Folge 299: Der Jupitermond Io

Jupiter ist der größte Planet des Sonnensystems und hat von allen Planeten auch die meisten bekannten Monde. Fast 80 Stück hat man schon entdeckt; die meisten davon aber sind aber nur kleine Felsbrocken. Einige sind aber deutlich größer, allen voran die vier galileischen Monde, über die ich in Folge 131 der Sternengeschichten schon ein bisschen erzählt habe. Diese vier Monde – Ganymed, Kallisto, Io und Europa – stehen in der Liste der größten Monde des Sonnensystems auf den Plätzen 1, 3, 4 und 6. Über Europa habe ich in Folge 290 schon sehr ausführlich gesprochen. Heute möchte ich mich ein wenig mit Io beschäftigen.

Dieser Mond hat einen Durchmesser von 3643 Kilometern, was ihn knapp 170 Kilometer größer als unseren Erdmond macht. Er befindet sich 421.000 Kilometer von Jupiter entfernt und ist von den großen Monden dem Jupiter am nächsten. Für eine Umrundung des Planeten braucht er einen Tag und 18 Stunden, ist also ziemlich flott unterwegs.

Wer möchte, kann den Mond schon in einem Fernglas oder kleinen Teleskop sehen; zusammen mit den anderen drei galileischen Monden ist er dort als kleiner Lichtpunkt sichtbar. Viel interessanter wird es aber, wenn man genauer hinschaut. Dazu musste man aber bis zu Beginn der 1970er Jahre warten als die beiden Voyager-Sonden der NASA an Jupiter vorbei flogen und dabei auch die ersten Aufnahmen des Mondes machten.

Bis dahin dachte man, dass die Monde des Jupiters alle mehr oder weniger so aussehen wie der Mond der Erde. Eine tote Welt, ein kalter Felsbrocken ohne Atmosphäre mit jeder Menge Kratern. Das trifft für viele Monde des Jupiters zwar tatsächlich zu. Bei Io war diese Erwartung aber spektakulär falsch! Schon bevor die Voyager-Sonden vor Ort waren, vermuteten manche Wissenschaftler, dass dort die Dinge ein wenig anders laufen könnten. Im Vergleich zu den anderen Galileischen Monden beobachtete man mit Teleskopen von der Erde aus von dort erhöhte Mengen an Infrarotstrahlung; der Mond war als stellenweise wärmer als gedacht.

Kurz bevor die Sonden dann tatsächlich bei Io ankamen, sagten der amerikanische Astrophysiker Stanton Peale und seine Kollegen vorher, dass man dort Vulkanismus beobachten können würde. Denn sie hatten sich die Bewegung von Io um Jupiter genau angesehen und festgestellt, dass sie sehr speziell war und das Auswirkungen auf den Mond selbst haben würde. Da ist zuerst einmal die Nähe zu Jupiter. Io ist nur wenig weiter von Jupiter entfernt als unser Mond von der Erde. Jupiter hat aber dreihundert mal mehr Masse als die Erde! Deswegen ist auch die Gezeitenkraft die Jupiter auf Io ausübt, viel größer. Mehr als 6000 mal so stark. Und dann sind da noch die Monde Europa und Ganymed, der eine nur wenig kleiner als Io selbst, der andere größer als der Planet Merkur! Beide befinden sich nicht weit außerhalb der Bahn von Io und üben ebenfalls eine Gezeitenkraft aus.

Vulkanausbruch auf Io, beobachtet von der Raumsonde Galileo (Bild: NASA/JPL/University of Arizona, gemeinfrei)

Vulkanausbruch auf Io, beobachtet von der Raumsonde Galileo (Bild: NASA/JPL/University of Arizona, gemeinfrei)

Das allein ist aber noch nicht entscheidend, denn Io weist eine gebundene Rotation auf. Soll heißen, dass er genau so lange für einem Umlauf um Jupiter braucht, wie er auch braucht um sich einmal um seine Achse zu drehen. Oder anders gesagt: Er zeigt Jupiter immer die selbe Seite. Wenn das schon alles wäre, dann würden die Gezeitenkräfte zwar wirken, aber sie würden sich nicht ändern. Wenn Io sich auf einer exakt kreisförmigen Bahn um Jupiter bewegen würde und immer die gleiche Seite zum großen Planeten zeigen würde, dann würden die Gezeitenkräfte gewaltige Deformationen in der Kruste des Mondes hervorrufen. Es gäbe Gezeitenberge von bis zu 300 Metern Höhe (zum Vergleich: Bei der Erde sind die Auswirkungen durch die Gezeitenkraft des Mondes Verformungen in der Kruste von 20 bis 30 Zentimeter). Aber die würden sich immer am gleichen Ort von Io befinden; es wäre eine Situation die sich nie verändert.

Die Realität auf Io sieht anders aus. Die Gezeitenkräfte und die entsprechenden Verformungen sind tatsächlich vorhanden so enorm. Aber zusätzlich gibt es noch die gravitativen Störungen durch Europa und Ganymed. Die führen dazu, dass Io sich nicht auf einer Kreisbahn um Jupiter bewegt sondern einem elliptischen Orbit folgt. Der Abstand zwischen Io und Jupiter verändert sich also im Laufe eines Umlaufs. Und die Gezeitenberge stehen nicht still, sondern wandern periodisch hin und her. Oder anders gesagt: Die Gezeitenkraft von Jupiter knetet den Mond regelrecht durch und heizt in dadurch auf. Der Gesteinsmantel, der den Eisenkern von Io umgibt ist dadurch auf jeden Fall zum Teil aufgeschmolzen. Unter der Oberfläche des Mondes befindet sich also eine etwa 50 Kilometer dicke Schicht aus teilweise geschmolzenen Magma, das immer wieder und überall die Kruste durchbricht und an die Oberfläche dringt.

Die Vorhersage von Vulkanen auf Io durch Peale und seine Kollegen wurden durch die Bilder der Voyager-Sonden eindrucksvoll bestätigt. Die Oberfläche des Mondes sieht überhaupt nicht so aus, wie die unseres Mondes. Krater sieht man dort so gut wie keine. Die Oberfläche ist geologisch extrem jung und nur wenige Millionen Jahre alt. Überall auf Io sind hunderte Kilometer große und mehrere Kilometer tiefe Calderen, also die großen Becken die bei Vulkanausbrüchen entstehen, wie ich in Folge 297 erklärt habe. Es gibt vulkanische Schlote, die mit flüssigem Schwefel gefüllt sind und der Schwefel hat sich auch überall am Mond abgelagert, was ihm ein vergleichsweise buntes Aussehen gibt. Er ist gelb, rot, grün, schwarz – ein wenig wie eine etwas unappetitliche, leicht angeschimmelte Pizza.

Culann Patera auf Io, eine der vielen aktiven Regionen (Bild: NASA/JPL/University of Arizona, gemeinfrei)

Culann Patera auf Io, eine der vielen aktiven Regionen (Bild: NASA/JPL/University of Arizona, gemeinfrei)

Und als ob das noch nicht genug wäre, hat man auf den Fotos die Voyager 1 im Jahr 1979 gemacht hat, auch noch direkt einen Beweis für aktiven Vulkanismus entdeckt. Die Bilder, die die Sonde am 8. März dieses Jahres gemacht hat, sollten eigentlich zur Navigation dienen. Man wollte damit die Position exakt bestimmen und nicht unbedingt die Oberfläche des Mondes im Detail analysieren. Als die Astronomin Linda Morabito aber die Bilder zu diesem Zweck analysierte, fand sie auf einer Aufnahme etwas, was sie auf den ersten Blick für einen weiteren Mond hielt, der von Io teilweise verdeckt wurde. Bei genauerer Betrachtung stellte sich die Struktur aber als 300 Kilometer große Wolke heraus, die sich von Ios Oberfläche hinaus bis ins All erstreckte.

Es war eine Wolke, die aus der aktiven Region Pele kam, einer etwa 30 Kilometer langen und 20 Kilometer breiten Furche, die zum Teil von einem Lavasee gefüllt ist. Von dort wird immer wieder Material und Rauch bei Ausbrüchen hoch hinauf geschleudert; und dank der geringen Schwerkraft auf Io viel weiter als es bei den Vulkanen auf der Erde möglich ist. So hoch, das die Rauchwolke auch auf der Aufnahme der Voyager-Sonde sichtbar war und von Linda Morabito entdeckt werden konnte.

Erste Beobachtung eines aktiven Vulkans außerhalb der Erde (Bild: NASA/JPL, gemeinfrei)

Erste Beobachtung eines aktiven Vulkans außerhalb der Erde (Bild: NASA/JPL, gemeinfrei)

Damals war das eine kleine Sensation, denn man hatte den ersten Himmelskörper neben der Erde gefunden, der aktiven Vulkanismus zeigte. Und was für einen Vulkanismus! Io ist mit Abstand der vulkanisch aktivste Himmelskörper im Sonnensystem. Bis jetzt hat man dort über 150 aktive Vulkane beobachtet und schätzt das es mindestens 400 geben muss. Andere Raumsonden haben immer wieder Ausbrüche und gigantische Wolken über der Oberfläche des Mondes beobachtet. Vergleiche von Bildern die im Abstand von nur wenigen Jahren gemacht wurden, zeigen deutlich, wie die Ausbrüche die Oberfläche verändert haben.

Der Vulkanismus auf Io übertrifft alles, was wir auf der Erde erleben. Und es ist noch dazu ein ganz spezieller Vulkanismus. Die Erde erzeugt ihre Aktivität aus sich selbst heraus; ihr Inneres wird durch den Zerfall radioaktiver Elemente aufgeheizt. Io wäre, sich selbst überlassen, vermutlich ein toter Himmelskörper ohne Aktivität. Aber seine Nähe zu Jupiter, die Gezeitenkraft und die gravitativen Störungen seiner Nachbarmonde heizen ihn auf und machen ihn zu einem einzigartigen Himmelskörper im Sonnensystem.

Es wäre eigentlich schon längst an der Zeit, dieses faszinierenden Mond mit einer speziellen Mission im Detail zu erforschen. So etwas steht aber für die Zukunft derzeit nicht am Programm. Der Vulkanmond Io kann also noch eine Zeit lang ungestört seinen Schwefel durch die Gegend schleudern.

Kommentare (4)

  1. #1 bruno
    17. August 2018

    olala! nächsten freitag wird aber (mal wieder) gefeiert. 299…

  2. #2 Crazy Eddie
    17. August 2018

    Als ich vor 30 Jahren das erste Mal diese Fotos von Io sah, dachte ich: Wow! Sieht aus wie eine Schatzkammer. Wenn man jemals die wirtschaftliche Ausbeutung von Himmelskörpern jenseits des Mondes angehen wollte, steht Io bestimmt ganz oben auf der ToDo Liste.

    Elon Musk, call your office!

  3. #3 Artur57
    18. August 2018

    Wie sieht das eigentlich mit der Energieerhaltung aus? Das Durchkneten verursacht ja Reibungswärme und die muss irgendwo her kommen. Wenn sie dem Gesamtsystem entnommen wird, müsste sich die Bahn des Mondes ändern, die Umlaufbahn würde näher zum Planeten hin verschoben. Was aber nicht beobachtet wird. Ist der Energiebetrag zu klein, um wahrgenommen zu werden? Was sagen wir, wenn der Kopp-Verlag in absehbarer Weise behauptet, es sei Energie aus dem Nichts gewonnen worden?

  4. #4 Florian Freistetter
    18. August 2018

    @Artur57: Gezeitenreibung führt tatsächlich zu ner Bahnhänderung. Sieht man auch bei unserem Mond: https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2008/05/07/der-mond-die-gezeiten/?all=1