Die finale Staffel der Fernsehserie Game of Thrones hat begonnen. Wer sich dafür nicht interessiert kann den Artikel aber trotzdem gerne bis zum Ende lesen. Denn es geht nicht nur Fernseh-Fantasy, sondern um Astronomie, Klimatologie und (fast) echte Wissenschaft! Vor allem aber geht es um die fundamentale Frage: Was bitte ist da in Game of Thrones jetzt mit diesem Winter los? “Winter is coming!” heißt es die ganze Zeit über und dann auf einmal “Winter is here!”. Aber warum machen die Leute dort so einen Aufstand um die Jahreszeiten? Weil es eben keine normalen Jahreszeiten sind! Bei uns kommt der Winter eigentlich nicht überraschend (Ausnahme: die Deutsche Bahn) – wenn der Herbst langsam zu Ende geht kann man mit einiger Sicherheit mit einem baldigen Winter rechnen. Und wenn der Winter da ist, dann finden wir das je nach persönlicher Verfassung entweder nett oder doof, aber wir fangen keine den ganzen Kontinent umspannende Kriege an und stürzen auch die Machthaber nicht von ihren Thronen. Sondern trinken halt einen Glühwein oder zwei und warten auf den Frühling, der spätestens nach ein paar Monaten kommt. Auf Westeros, bei Game of Thrones, ist der Winter aber nicht die Zeit für Skiurlaube, Adventsmärkte und das traditionelle Überfressen im Kreis der Familie. Hier kommen neben Schnee und Kälte auch noch Eisriesen, Zombies und wenn es ganz blöd läuft sogar das Ende der Welt.

Man braucht keine blonde Perücke um Game of Thrones zu erkären. Aber es schadet auch nicht (Bild: ORF/Hubert Mican)

Denn die Jahreszeiten laufen dort komplett chaotisch ab. Niemand weiß wann der Winter kommt und wenn er kommt, weiß niemand wie lange er dauert. Und wenn er ganz lange dauert, kommen fiese White Walkers mit ihrer Zombie-Armee, wollen die Menschheit auslöschen und auf ewig in der “Langen Nacht” die zugefrorene Welt beherrschen. So weit die Fantasie. Man kann sie natürlich einfach Fantasie sein lassen. Aber viel lustiger ist es doch sich zu überlegen, wie ein Himmelskörper aussehen könnte, auf dem die Jahreszeiten wirklich so ablaufen können. Die Jahreszeiten auf der Erde sind ja nur deswegen so regelmäßig, weil sich die Erde halbwegs regelmäßig um die Sonne bewegt und um ihre eigene Achse dreht. Das muss aber nicht so sein. Im Laufe der Zeit haben sich jede Menge Leute Gedanken gemacht wie man den Winter bei Game of Thrones erklären kann. Von veränderlicher Sternhelligkeit, Vulkanausbrüchen und variablen Ozeanströmungen war da alles dabei. Das aber funktioniert alles nicht; das einzige was wirklich funktioniert ist ein Planet in einer ganz speziellen himmelsmechanischen Konfiguration: Dem sogenannten Sitnikov-System, bei dem sich ein Planet zwischen zwei Sternen auf und ab bewegt. Warum das wunderbar alles erklärt, was in Sachen Klima auf Westeros erklärt werden muss, habe ich gemeinsam mit meiner Kollegin Ruth Grützbauch im letzten Jahr in einem wissenschaftlichen Artikel erläutert (“Sitnikov in Westeros: How Celestial Mechanics finally explains why winter is coming in Game of Thrones”, der auch hier in meinem Blog veröffentlicht worden ist.

Ein Sitnikov-System: Zwei Sterne (m1 und m2) und ein Planet (m3), der sich durch den Massenschwerpunkt der Sterne entlang von z auf und ab bewegt

Wer den Text aufmerksam liest wird vermutlich schnell merken, dass die Sache nicht absolut ernst gemeint ist. Und nicht umsonst haben wir den Text damals am 1. April veröffentlicht. Aber die Wissenschaft die dort beschrieben wird, ist prinzipiell korrekt. Ein Planet der sich einem System befindet wie wir es dort beschrieben habe, würde wirklich eine so unvorhersagbare Abfolge von Jahreszeiten haben wie man sie bei Game of Thrones beobachten kann. Das haben jetzt auch Adiv Paradise von der Universität Toronto und seine Kollegen bestätigt. Seltsamerweise genau ein Jahr später, am 1. April 2019, haben sie einen Artikel mit dem Titel “The Long Night: Modeling the Climate of Westeros” veröffentlicht und darin das Modell von Ruth und mir aus klimawissenschaftlicher Sicht unter die Lupe genommen.

Wir hatten ja damals einfach nur behauptet dass die chaotische Bewegung des Planeten zu einer Game-of-Thrones-tauglichen Abfolge von Jahreszeiten führt. Der Planet ist den Sternen in seinem System manchmal sehr nahe; manchmal sehr fern und kann sich im Prinzip beliebig lange und beliebig weit entfernen. Je weiter weg er ist, desto kälter desto mehr Winter. Wir konnten zwar zeigen, dass man wirklich jede beliebige Abfolge von Abständen reproduzieren kann. Aber wenn man wissen will, welches Klima sich dann konkret auf dem Planeten einstellt, muss man natürlich auch eine ausführliche Klimastudie machen und nicht nur die Bewegung des Planeten untersuchen. Diese Arbeit haben wir uns gespart – weil wir erstens keine Ahnung haben welche Computerprogramme man da auf welche Weise einsetzen muss. Und weil es zweitens ja tatsächlich nur ein Aprilscherz-Artikel war…

Paradise und seine Kollegen haben sich von der Arbeit aber nicht abschrecken lassen. Und tatsächlich ein Klimamodell für einen Planeten in einer Sitnikov-Konfiguration gebastelt, komplett mit den passenden Kontinenten und Ozeanen die man auch in Game of Thrones findet. Ihr Resultat: Alles super, Ruth und ich haben Recht gehabt!

Modell einer Simulation des Klimas auf Westeros. Oben die Temperatur, unten die Menge an Eis auf den Meeren. Die 750 Jahre dauernde “lange Nacht” ist deutlich zu sehen (Bild: Paradies et al, 2019)

Gut, wenn man es ein bisschen genauer betrachtet, dann haben sie festgestellt, das wir zwar theoretisch Recht haben könnten, in der Praxis eine passende Abfolge von Jahreszeiten schwer zu erreichen ist. Will man einen extrem kalten und langen Winter haben, dann kriegt man in ihrem Modell immer auch irgendwann einen extrem heißen Sommer. So heiß, dass alles Leben auf dem Planet quasi verbrennen würde. Das ist doof, aber wie Paradise und seine Kollegen richtig sagen, eigentlich kein Problem. Man müsste nur ein paar riesige Spiegel oder ähnliches in die Umlaufbahn des Planeten stellen die ihn vor der Hitze der Sterne schützen. Und wer gewaltige Eismauern bauen kann, wird so etwas ja wohl auch noch hinkriegen.

Will man die Todessommer vermeiden, dann kriegt man passende Jahreszeiten auch hin, wenn die Rotationsachse des Planeten passend schwankt. Und auch wenn bei Game of Thrones nie von anderen Planeten gesprochen wird, sind da ja vielleicht doch ein paar irgendwo die genau für solche Störungen sorgen.

Die dritte Möglichkeit um eine Eiszombiefreundliche “Lange Nacht” zu kriegen besteht darin, sehr, sehr spezielle Anfangsbedingungen für die Konfiguration von Planet und Sternen zu wählen. Denn, und genau das war ja das, was Ruth und ich in unserer Arbeit erklärt haben, dass Sitnikov-System ist so enorm chaotisch, dass man JEDE beliebige Bewegung finden kann. Ok, vielleicht sind passende Konfigurationen enorm selten – aber das ist uns ja egal. Wir wollten zeigen, dass ein Sitnikov-System eine passende Lösung ist und dass das so sein kann, haben Paradise und seine Kollegen netterweise bestätigt. Am Ende ihres Artikels schreiben sie:

“We have used a modified 3D climate model to simulate the climate of Westeros assuming a Sitnikov orbital configuration, following the proposal in Freistetter & Grützbauch (2018). We find that there do exist configurations which result in both habitability and long, cold periods characteristic of the Long Night. We note however that this explanation is substantially less likely if the Children of the Forest have not constructed orbital megastructures. Introducing chaotic variations in axial tilt may make a Sitnikov explanation more likely […]”

Jetzt würde da noch ein “but” folgen, aber das muss euch nicht interessieren 😉

Wenns kalt wird kommen die White Walkers…
(Bild: Paradies et al, 2019)

Im Ernst: Ich kann euch nur empfehlen den Artikel von Paradise und seinen Kollegen zu lesen. Er ist nicht nur enorm interessant sondern auch sehr lustig. Und ich freue mich schon auf den 1. April 2020 – mal sehen, wer sich dann noch in die Debatte um das Klima auf Westeros einmischen wird!

Bis dahin könnt ihr mich gerne auch persönlich und live über die Wissenschaft von Game of Thrones reden hören. Die Science Busters werden in den nächsten Woche ihre Theatershow “Winter is coming – Die Wissenschaft von Game of Thrones” auf Bühnen in Österreich und Deutschland aufführen. Neben meinen astronomisch-physikalischen Ausführungen zu Jahreszeiten, Chaos und Eismauern könnte ihr dem Mikrobiologen Martin Moder zuhören, wie er Drachenfeuer und abgehackte Köpfe wissenschaftlich aufbereitet und die Verhaltensbiologin Elisabeth Oberzaucher wird sich den Geschlechtsorganen und Gehirnen der Bewohner von Westeros widmen. Dazu gibts Kostüme, Experimente und das offizielle wissenschaftliche Ende des Lieds von Eis und Feuer!

Der nächste Termin ist der 25.04.2019 in Graz, dann kommen Erlangen (01.05.2019), Frankfurt (02.05.2019), Landshut (03.05.2019), Berlin (04.05.2019), Wörgl (17.05.2019) und Hollabrunn (25.05.2019). Infos zu diesen und allen anderen Terminen mitsamt Möglichkeit des Ticketkaufs findet ihr hier.

Game of Thrones in der Science-Busters-Version zum Hören gibt es hier

Und wer nicht zu den Shows kommen kann um uns zu sehen, kann sich zumindest anhören wie wir klingen. Denn ab heute gibt es unsere Game-of-Thrones-Show auch als Live-Mitschnitt, erhältlich im Hörverlag (da kann man sich auch ne Hörprobe anhören).

Auf Westeros kommt jetzt also der Winter, bei uns in der echten Welt hoffentlich bald der Sommer. So oder so: Passt auf die Eiszombies auf und übertreibt es nicht beim Mauerbau!

Kommentare (2)

  1. #1 Wizzy
    16. April 2019

    Man muss auch noch die anderen astronomischen Randbedingungen aus GoT berücksichtigen, wenn man eine zum Original passende Lösung haben will. Eine Theorie sollte mit möglichst allen entscheidenden Beobachtungen vereinbar sein.
    1. Die Tage sind im Winter kürzer und im Sommer länger. Das passt mE nicht zum Sitnikov-System.
    2. Es gibt einen Mond ähnlich dem irdischen mit 12 Mondphasen je Jahr (ein Terminus “Mondphasen pro Jahr” ist unvereinbar mit Sitnikov).
    3. Es gibt genau eine Sonne. Das Sitnikov-System müsste dann ein Schwarzes Loch oder einen anderen sehr leuchtschwachen Körper m2 haben.
    4. Es gibt 7 bekannte Wandelsterne und dazu Kometen. Das wäre wohl vereinbar mit Sitnikov.
    5. Es gibt Jahre und die “Sommer” / “Winter” messen sich in Jahren, wobei die kurzen unter einem Jahr brauchen und die langen Winter bis zu 12 Jahre oder mehr. Zitat von George R. R. Martin: “In the world of Westeros, a year is a measure of a solar cycle, i.e., of how long it takes the earth to make one complete revolution around the sun.[10][11]” Das wäre so wie Martin es ausdrückt nicht mit Sitnikov vereinbar.

    Selbst wenn man das Autorenzitat weglässt: Vor dem Hintergund der veröffentlichten Empirie der Magister der Zitadelle ist die Sitnikov-Hypothese wohl zurückzuweisen.

  2. #2 Wizzy
    16. April 2019

    Aber, unabhängig davon: Geiler Artikel und geile Studie von Paradise et al ^^