Ein amerikanischer Präsident der sich in leidenschaftlichen Worten für die Förderung der Grundlagenforschung einsetzt? Kann man sich aktuell nicht so gut vorstellen, aber vor 200 Jahren sah die Sache noch anders aus.

John Quincy Adams (1843) Bild: Metropolitan Museomof Modern Art, gemeinfrei)

John Quincy Adams war zwischen 1825 und 1829 der sechste Präsident der Vereinigten Staaten. Und in seiner ersten “State of the Union”-Rede vom 6. Dezember 1825 hat er ein paar bemerkenswerte Worte zur Astronomie gesagt:

“In Bezug auf die Einrichtung einer Universität (bzw. auch unabhängig davon), könnte auch ein astronomisches Observatorium errichtet werden, mit Mitteln um einen Astronomen anzustellen, der für die dauerhafte Beobachtung der himmlischen Phänomene und die regelmäßige Veröffentlichung der Beobachtungsergebnisse zuständig ist. Als Amerikaner können wir nicht stolz darauf sein, dass auf dem vergleichsweise kleinen Gebiet Europas mehr als 130 solcher Leuchttürme des Himmels existieren während auf der gesamten amerikanischen Hemisphäre kein einziges zu finden ist. Wenn wir einen Moment über all die Entdeckungen nachdenken die in den letzten 400 Jahren in solchgen Gebäuden und den in ihnen arbeitenden Beobachtern über die Beschaffenheit des Universums gemacht worden sind, sollen wir da ihre Nützlichkeit für jede Nation bestreiten? Und während kaum ein Jahr vergeht das keine neue astronomische Entdeckung ans Licht bringt, die uns nur aus zweiter Hand aus Europa erreicht, hindern wir uns selbst daran, das Licht mit Licht zu vergelten da wir kein Observatorium und keinen Beobachter auf unserer Hälfte der Erdkugel haben und die Erde sich in ewiger Dunkelheit für unsere uninteressierten Augen weiter dreht.”

Im Original:

“Connected with the establishment of an university, or separate from it, might be undertaken the erection of an astronomical observatory, with provision for the support of an astronomer, to be in constant attendance of observation upon the phenomena of the heavens, and for the periodical publication of his observances. it is with no feeling of pride as an American that the remark may be made that on the comparatively small territorial surface of Europe there are existing upward of 130 of these light-houses of the skies, while throughout the whole American hemisphere there is not one. If we reflect a moment upon the discoveries which in the last four centuries have been made in the physical constitution of the universe by the means of these buildings and of observers stationed in them, shall we doubt of their usefulness to every nation? And while scarcely a year passes over our heads without bringing some new astronomical discovery to light, which we must fain receive at second hand from Europe, are we not cutting ourselves off from the means of returning light for light while we have neither observatory nor observer upon our half of the globe and the earth revolves in perpetual darkness to our unsearching eyes?”

Präsident ist, der sich da beschwert! Der frisch gewählte höchste Politiker Amerikas hält ein Plädoyer für die Grundlagenforschung!

Dass ist etwas, dass man in der Gegenwart kaum irgendwo finden kann. Wenn Politikerinnen und Politiker sich heute überhaupt zur Wissenschaft äußern, dann geht es fast immer um anwendungsorientiere Forschung. Es geht um “neue Technologien”, um “Fachkräfte”, um “Wirtschaftsstandorte”, und so weiter. Aber wann hat sich zum Beispiel in Deutschland oder Österreich die politische Spitze in letzter Zeit zur “Beschaffenheit des Universums” geäußert?

Natürlich muss man Adams Rede im Kontext seiner Zeit betrachten. Die USA waren noch eine recht junge Nation, was man auch im Rest des Textes gut sehen kann. Da geht es um die Beziehungen zu den amerikanischen Ureinwohnern, um die Erforschung des amerikanischen Kontinents, und so weiter. Und natürlich wollte das Land sich auch in der Wissenschaft als eigenständige Größe etablieren. Aber Adams hätte mit Sicherheit auch ein anderes Beispiel dafür finden können als gerade die Astronomie. Dieser Umgang mit der Grundlagenforschung zeigt deutlich wie sich die Einstellung zur Wissenschaft (und die Welt als ganzes) in den letzten 200 Jahren geändert hat.

Hopkins-Sternwarte heute (Bild: Daderot, gemeinfrei)

Aber auch Adams hatte schon mit den gleichen Problemen zu kämpfen wie die, die sich heute für die Förderung der Wissenschaft einsetzen. Während seiner Amtszeit setzte er sich weiter für die Errichtung einer amerikanischen Sternwarte ein; erfolglos – und der Ausdruck “Leuchttürme des Himmels” wurde von seinen Gegnern benutzt um ihm zu verspotten (siehe “Astronomy in the service of culture”, Marshall, 1943). Es hat bis 1834 gedauert, bevor mit der Hopkins-Sternwarte in Williamstown, Massachusetts (vermutlich) das erste Observatorium der USA gebaut wurde. Heute stehen in Amerika ein paar der gewaltigsten Sternwarten der Welt und die USA gehören zu den führenden Wissenschaftsnationen der Erde. Ein großer Teil unseres Wissens über das Universum stammt aus den “Leuchttürmen des Himmels” die sich Adams 1825 gewünscht hat.

Und was das Wissen selbst angeht, ist ein Satz den Adams in seiner Rede ebenfalls gesagt hat, heute noch exakt genau so gültig wie damals:

“Among the first, perhaps the very first, instrument for the improvement of the condition of men is knowledge.”

Kommentare (4)

  1. #1 hto
    13. Mai 2019

    Zur Beschaffenheit des Universums, können Politiker (“Grundlagenforscher” von und für wettbewerbsbedingten Wachtumswahnsinn) nur etwas sagen, wenn der “Mikrokosmos” von “Wer soll das bezahlen?” und “Arbeit macht frei” eine Möglichkeit zur Bewusstseinserweiterung zulässt, allerdings …!?

  2. #2 HF(de)
    13. Mai 2019

    @hto: wie war das noch mit Schwefelgeruch und Schwafelgeruch?

  3. #3 Daniel Rehbein
    Dortmund
    14. Mai 2019

    Es sind ja nicht nur die Politiker. Es ist, wie Florian es auch im Text beschrieben hat: Die “Einstellung zur Wissenschaft (und der Welt als ganzes)” hat sich geändert.

    Wir rühmen Deutschland zwar immer noch als “Land der Dichter und Denker”, aber die schönen Künste und das bloße Nachdenken sind nicht mehr gefragt. Begriffe wie “brotlose Kunst” oder “Kunst für die Kunst” werten Dinge ab, die nicht direkt einen sichtbaren praktischen Nutzen haben, und meistens bleibt das tatsächlich “brotlos”, also schlecht bezahlt.

    Es ist immer noch allgemeine Meinung, daß man das, was man in der Schule lernt, später ohnehin nicht mehr braucht – speziell die Mathematik. Lesen und Schreiben wird von vielen Menschen noch als nützlich angesehen, Fremdsprachen sicherlich auch, vielleicht auch noch Geographie. Aber zum Beispiel Mathematik? Die meisten Menschen rühmen sich doch eher damit, als Kinder selbst schon keine Ahnung von Mathematik gehabt zu haben und deswegen jetzt ihren eigenen Kindern zu sagen, daß sie das bloß irgendwie bis zum Abitur überstehen müssen.

    Dabei besteht unsere ganze Welt aus Mathematik:
    – Wir praktizieren die Energiewende, wir speisen dezentrale Energie in Stromversorgungsnetze. Für die Berechnung der Zusammenhänge in Wechselstromnetzen helfen uns komplexe Zahlen.
    – In unseren Kommunikationsnetzen brauchen wir sichere kryptographische Verfahren. Für unsere Sicherheit ist es wichtig, zumindest im Groben zu verstehen, was ein öffentlicher und was ein privater Schlüssel ist, und warum manche Verfahren sicher sind und andere nicht.
    – Als mündiger Bürger werden wir permanent mit Statistiken konfrontiert. Wir sollten einschätzen können, was wirklich stimmt und wo Interessenvertreter falsche Zusammenhänge behaupten und Zahlen falsch zuordnen.

    Menschen in meiner Generation sagen “Das habe ich noch nie verstanden, dann muß ich jetzt nicht damit anfangen”. Jüngere Menschen sagen “Ich muß das nicht verstehen. Wenn ich das brauchen sollte, dann macht das eine App für mich”.

    Sich grundsätzlich über die Welt Gedanken machen? Komplexe Sachverhalte verstehen wollen? Über nicht direkt greifbare Dinge nachdenken? Dann entspricht wohl nicht mehr dem heutigen Zeitgeist.

  4. #4 Captain E.
    15. Mai 2019

    Mathematik und Informatik sind getrennte Studiengänge, und es gibt auch noch den Beruf des Fachinformatikers, der ohne Studium auskommt. Aber trotzdem: Informatik ist ohne ein grundlegendes Verständnis der Mathematik nicht zu betreiben. Man könnte die Informatik vielleicht sogar als Spezialgebiet der Mathematik verstehen.

    Und was wäre das für eine Welt, in der kein Mensch etwas von Computern verstünde?