Bild: W.pseudon, CC-BY-SA 4.0)

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Sternengeschichten Folge 340: Mauerquadrant und Mittagsrohr

Heute ist die Astronomie eine sehr aufregende Wissenschaft. Sie ist extrem vielfältig und erforscht alles von Asteroiden, über Planeten und Sterne bis hin zu Galaxien und dem gesamten Universum. Sie untersucht die Entstehung und das Vergehen dieser Himmelskörper, ihre Bewegung, ihre Zusammensetzung und die Art und Weise wie sie miteinander wechselwirken. Diese Vielfalt der Forschung ist aber seit einigen Jahrzehnten möglich; im Wesentlichen seit es einerseits Techniken wie die Astrofotografie und die Spektralanalyse gibt; und andererseits seid das theoretischen Hintergrundwissen von Quantenmechanik und Relativitätstheorie vorhanden ist.

In all den Jahrhunderten und Jahrtausenden davor war die Astronomie eine ganz andere Wissenschaft. Nicht unbedingt eine Wissenschaft die langweiliger war als heute. Aber auf jeden Fall eine mit anderen Zielsetzungen und anderen Methoden. So lange das Teleskop noch nicht erfunden war, war die Auswahl an Messinstrumenten sehr eingeschränkt. Man konnte im Wesentlichen nur mit freiem Auge zum Himmel schauen. Und auch danach hatte man mit dem Teleskop zwar einen besseren Blick auf den Himmel. Aber man musste trotzdem immer noch selbst schauen.

Man konnte feststestellen wie hell ein Stern war. Und man konnte feststellen, wo er sich am Himmel befindet. Das war es im wesentlichen und das hat bedeutet, dass die Arbeit der Astronomie darin bestand, diese wenigen Daten so genau wie möglich zu bestimmen. Die Resultate der astronomischen Arbeit waren nicht die schönen bunten Bilder die wir heute kennen. Sondern lange Kataloge mit Zahlenreihen. Wie gesagt – wenig spektakulär aber trotzdem wichtig. Genau solche Kataloge sind auch heute noch die Grundlage des astronomischen Wissens.

Und genau deswegen hat die Astronomie im Laufe der Zeit immer bessere Geräte entwickelt, um Sternpositionen messen zu können. Eines der ersten Instrumente ist der sogenannte “Quadrant”. Schon vor knapp 2000 Jahren soll Claudius Ptolemäus dieses Gerät benutzt haben: Es besteht aus einem Viertelkreis, dessen Rand mit einer Skala versehen ist. Also im wesentlichen ein Lineal, das zu einem Kreisbogen verformt ist. An der Oberseite befinden sich Kimme und Korn über die man einen Stern anvisieren kann. Im Mittelpunkt des Viertelkreises hängt eine Schnur mit einem Lot immer genau senkrecht nach unten. Wenn man nun also mit einem solchen Quadranten einen Stern anvisiert, muss man das Gerät logischerweise unterschiedlich weit nach oben halten je höher der Stern am Himmel steht. Je weiter der Stern über dem Horizont steht, desto größer ist sein sogenannter “Höhenwinkel” und den kann man direkt am Quadrant ablesen, je nachdem wo das Lot herabhängt.

Ptolemäus mit Quadrant (Bild: gemeinfrei)

Natürlich wird die Messung um so genauer, je größer der Viertelkreis ist. Denn dann hat man auch mehr Platz um die Skala feiner zu machen. Noch besser ist es, wenn man das Ding nicht in der Hand halten muss und ständig herum wackelt, sondern wenn der Quadrant irgendwo fix montiert ist. So sind Mauerquadranten entstanden: Die funktionieren genau so wie die transportablen Quadranten. Nur sind sie deutlich größer. Der Quadrant wurde dann entweder an einer Mauer fixiert oder aber gleich direkt aufgemauert; bestand dann also aus einem gemauerten Viertelkreis.

Diese Quadranten waren dann auch immer fix in Nord-Südrichtung orientiert. Denn so konnte man den Meridiandurchgang eines Sterns besonders leicht messen. Der “Meridian” ist ein wichtiges Konzept wenn es darum geht die Position eines Sterns zu bestimmen. Wenn man irgendwo auf der Welt steht hat man den Horizont um sich herum und den Himmel über sich. Exakt über dem eigenen Kopf ist der “Zenit”, exakt unter den Füßen der “Nadir”. Zieht man nun einen Kreis, der vom Nordpunkt am Horizont über den Zenit zum Südpunkt und dann unter dem Horizont über den Nadir zurück zum Nordpunkt verläuft, ist genau das der Meridian. Dieser Kreis dreht sich natürlich mit der Erde und dem Beobachter mit. Oder anderes gesagt: Beobachtet man den Himmel von der Erde aus, erscheint es so, als würden sich die Sterne von Osten nach Westen in Kreisbögen über den Himmel bewegen. Dabei kreuzen sie auch den Meridian und sie tun es immer dann, wenn sie ihre größte Höhe über dem Horizont erreichen.

Großer Mauerquadrant von Tycho Brahe (Bild: gemeinfrei)

Die exakte zeitliche Messung so eines “Meridiandurchgangs” ist enorm wichtig, weil das die Grundlage für die Berechnung der Position des Sterns ist. Man wartet also mit dem Quadrant darauf, dass der Stern genau die Nord/Süd-Richtung überschreitet und registriert den Höhenwinkel und den Zeitpunkt des Durchgangs. Und das war – ein wenig vereinfacht gesagt – die Arbeit der beobachtenden Astronomie bis zur Erfindung des Teleskops. Und auch dann nutzte man das Instrument nicht um die Mauerquadranten abzuschaffen sondern um sie zu verbessern. Denn mit einem Teleskop kann man einen Stern natürlich deutlich exakter anvisieren als mit freiem Auge über Kimme und Korn.

Die großen Quadranten der Sternwarten wurden also mit jeder Menge Messgeräten, Messfernrohren, Ablesehilfen, etc ausgestattet. Aber schon bald ging man dazu über, komplett neue Geräte zu bauen. Eines davon war ein sogenanntes “Passageninstrument” das der dänische Astronom Ole Rømer Ende des 17. Jahrhunderts entwickelte. Es besteht aus einem Teleskop, das sich nicht frei herum schwenken lässt, sondern nur in der vertikalen Achse, also unterschiedlich stark nach oben und unten neigen kann. Das ganze Ding stellt man, wie einen Mauerquadranten in Nord/Süd-Richtung auf. Im Teleskop ist ein Netz aus dünnen Fäden direkt in der Optik verbaut um den Meridian möglichst exakt anzuzeigen. Dazu hat man früher tatsächlich Spinnenfäden verwendet – die sind besonders dünn und je dünner der Faden, desto genauer kann man messen, wenn ein Stern bei seiner Bewegung diesen Faden überschreitet.

Diese Passageninstrumente, die auch “Mittagsrohr” genannt werden, weil ja auch die Sonne auf ihrem Weg über den Himmel der Erde den Meridian genau zu Mittag überschreitet, gehörten im 19 Jahrhundert zu den wichtigsten Instrumente in der Astronomie. Aus dem Zeitpunkt des Meridiandurchgangs und der Höhe die der Stern dabei über dem Horizont hat, kann man seine Koordinaten am Himmel berechnen und alle Sternkataloge die zur damaligen Zeit erstellt wurden, basierten auf diesen Daten. Um die Genauigkeit so gut wie möglich zu steigern hat man sich immer weitere Verbesserungen einfallen lassen. Zum Beispiel sogenannte “Registrierapparate”. Das waren im Prinzip Pendeluhren, die aber bei jedem Ausschlag einen Stromkreis geschlossen und dann über ein angeschlossenes Gerät einen Punkt auf einem Papierstreifen erzeugt haben. Man erhielt also einen Streifen mit einem Punkt pro Sekunde. Gleichzeitig konnte man die Aufzeichnung eines Punktes aber per Taste auch manuell auslösen. Man sah also durch das Mittagsrohr, wartete bis der Stern den Meridian erreicht und drückt dann auf die Taste. Später konnte man dann die Abstände der Punkte auf den Papierstreifen vermessen und Zeitangaben auf Zehntel- oder Hundertstelsekunden genau machen.

Passageninstrument der Kufffner-Sternwarte in Wien (Bild: Haeferl, CC-BY-SA 4.0)

Mittlerweile ist alles natürlich sehr einfach geworden. Die astronomische Beobachtung erfolgt komplett digital und alle Daten und Zeitpunkte werden automatisch aufgezeichnet. Trotzdem lohnt es sich, eine Sternwarte zu besuchen wo man diese alten Instrumente noch beobachten kann. Sie mögen nicht mehr für die Wissenschaft eingesetzt werden. Aber sie sehen immer noch sehr beeindruckend aus und zeigen, welch lange Geschichte die Astronomie hat und wie kreativ die Menschen waren, um dem Himmel seine Geheimnisse zu entlocken.

Kommentare (1)

  1. #1 R. Andreas Hofer
    Rattenberg
    7. Juni 2019

    Wir waren mal mit unseren Kindern im Rahmen des Mausöffnertages bei der Universitäts-Sternwarte München. Dort stand (oder steht noch) auch so ein Mittagsrohr. Leider konnte es keiner von den Studenten mehr bedienen. Der letzte der es konnte war ein alter Professor, der auch im Ruhestand fast jede Nacht kam, bis er dann starb.
    Damals war der Plan, das Gerät mit Hilfe des Herstellers (Fa. Zeiss) zu restaurieren und wieder in Betrieb zu nehmen.