Bei all meinen Reisen in den letzten Tagen hätte ich fast die Geschichte über den Stern übersehen, der von einem schwarzen Loch zerrissen worden ist. Die ist nämlich wirklich cool!

Schwarze Löcher sind faszinierend. Was ihnen zu nahe kommt, kommt nicht mehr weg. Aber auch schon außerhalb dieser Grenze hinter der keine Rückkehr mehr möglich ist, können faszinierende Dinge passieren. Schwarze Löcher sind vor allem deswegen so außergewöhnlich, weil sie viel Masse auf wenig Raum vereinen. Oder anders gesagt: Sie haben eine sehr hohe Dichte. Das hat Folgen: In ihrer Nähe ist der Gradient der Gravitationskraft sehr groß. Das klingt kompliziert, bedeutet aber nichts anderes als dass die Gravitationskraft sehr schnell stärker wird je näher man dem Loch kommt. Man kann das mit der Situation auf der Erde vergleichen: Wenn der Mond etwa in der Nacht direkt über unseren Köpfen steht, dann ist unser Kopf dem Mond ja ein kleines Stück näher als es unsere Füße sind. Der Kopf spürt die Gravitationskraft die der Mond ausübt daher auch etwas stärker als die Füße. In der Realität ist der Unterschied so enorm winzig dass man ihn nicht spüren kann und er auch keinerlei Auswirkungen auf uns hat. Erst auf größeren Skalen hat dieser Effekt Folgen; zum Beispiel wenn man statt Menschen komplette Ozeane betrachtet: Dann erzeugt die durch den unterschiedlichen Abstand zum Mond verursachte unterschiedliche Stärke der Gravitation für die Gezeiten.

Der Gradient der Gravitationskraft des Mondes ist auf der Erde also kaum zu spüren. In der Nähe eines schwarzen Lochs ist das anders. Hier würden wir etwas spüren; sehr intensiv sogar. Das Loch würde an unserem Kopf so viel stärker ziehen als an unseren Füße, dass wir einfach auseinandergerissen würden. Nun halten sich Menschen normalerweise aber nicht in der Nähe schwarzer Löcher auf. Sterne aber schon. Und hier passiert es wirklich ab und zu, dass einer von ihnen auseinander gerissen wird. So etwas nennt man “Tidal Disruption Event (TDE)” und genau das wurde kürzlich beobachtet.

Auf der Erde müssen nur Schiffe auf die Gezeiten aufpassen…

Nicht zum ersten Mal, aber der Fall der von Thomas Holoien von der Carnegie Institution for Science und seinen Kollegen beschrieben wurde ist auf jeden Fall einzigartig (“Discovery and Early Evolution of ASASSN-19bt, the First TDE Detected by TESS”). Normalerweise entdeckt man TDEs, wenn man nach Helligkeitsschwankungen von Himmelskörpern sucht. Oder genauer gesagt: Man sucht nach plötzlich auftauchenden Lichtquellen am Himmel. Denn wenn so ein Stern zerrissen wird, dann “wickelt” sich ein Teil des Gases aus dem er besteht quasi um das schwarze Loch herum, bevor es darin verschwindet. Dabei wird es kurzfristig aufgeheizt und beginnt hell zu leuchten und das kann man sehen. Zum Beispiel von speziellen Teleskopen die auf die Suche nach Supernova-Explosionen ausgelegt sind (die sind ja auch nichts anderes als Sterne, die am Ende ihres Lebens explodieren und dabei plötzlich sehr hell werden). Solchen Suchprogrammen gehen immer wieder auch TDEs ins Netz – obwohl sie recht selten sind. In einer typischen Galaxie ist durchschnittlich einmal in 10.000 bis 100.000 Jahren mit einem TDE zu rechnen…

Das Problem an der Sache: Man sieht den TDE erst, wenn der Höhepunkt der Helligkeit erreicht ist. Und verpasst die Phase davor, also das eigentliche Zereissen des Sterns. Das ist schade, denn genau der wäre interessant wenn man dieses Phänomen verstehen will. Wie genau ein TDE abläuft hängt zum Beispiel davon ab, wie sich das Gas beim Zereissen um das schwarze Loch herum verteilt, den Eigenschaften des Sterns selbst, der Art und Weise wie die Strahlung sich durch das Gas bewegt, und so weiter. Das kann man am Computer modellieren – aber dazu braucht man vernünftige Beobachtungsdaten. Und die hat man eben nicht.

Bis jetzt – denn nun ist es gelungen, den Tod eines Sterns bei einem schwarzen Loch erstmals fast von Anfang an zu beobachten. Das ASAS-SN-Netzwerk aus Teleskopen zur Suche nach Supernova-Explosionen hat am 29. Januar 2019 ein TDE entdeckt. In einer Galaxie mit der Bezeichnung 2MASX J07001137−6602251, die so weit entfernt ist, dass das Licht von dort circa 375 Millionen Jahre bis zu uns braucht. Das Ereignis bekam die Bezeichnung ASASSN-19bt und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler machten sich auf die Suche nach mehr Daten dazu. Dabei stellten sie fest, dass das Weltraumteleskop TESS genau zur fraglichen Zeit den entsprechenden Abschnitt des Himmels beobachtet hat. Eigentlich ist es der Job von TESS nach den Planeten anderer Sterne zu suchen. Das tut es in dem es nach Helligkeitsschwankungen schaut die entstehen, wenn ein Planet von uns aus gesehen vor seinem Stern vorrüber zieht und dabei ein wenig von dessen Licht blockiert. In diesem Fall hat TESS aber die Helligkeitsänderungen beobachtet die stattfanden als der Stern vom schwarzen Loch zerissen wurde.

Man hat nun also auch den Anfang des schnellen Todes eines Sterns beobachtet. Und kann nun anfangen, ein paar Fragen zu beantworten die bisher schwer zu beantworten waren. Zum Beispiel: Wie viel des Gases aus dem der Stern bestand verschwindet im schwarzen Loch? Und wie viel entkommt ins All? Bisher ging man davon aus dass es jeweils circa die Hälfte ist, aber mit den neuen Daten kann man die Modelle nun anpassen und in Zukunft ähnliche Ereignisse wesentlich genauer analysieren. Man kann nun auch die Zeit wesentlich besser eingrenzen die es braucht, bis das Gas des Sterns seine größte Helligkeit erreicht: Im aktuellen Fall sind das circa 41 Tage. Man kann die Größe der Region die das Gas in der Nähe des schwarzen Lochs einnimmt viel genauer vermessen, und so weiter.

Aufgeheiztes Gas in der Umgebung eines schwarzen Lochs – der letzte Rest eines zerissenen Sterns (Künstlerische Darstellung: NASA’s Goddard Space Flight Center)

Dank TESS hat man nun den dramatischen Tod den ein Stern zu erwarten hat der einem schwarzen Loch zu nahe kommt viel besser verstanden als zuvor. Und – wie üblich – war das erst der Anfang. Früher oder später werden wir weitere TDEs beobachten und mit deren Daten die neuen Modelle noch besser machen können. Schwarze Löcher sind faszinierend – und langsam aber sicher werden wir ihre Geheimnisse entschlüsseln!

Kommentare (19)

  1. #1 pederm
    1. Oktober 2019

    Faszinierend!
    Mich hätt´s beim Lesen auch fast zerrissen vor Spannung, fragte ich mich doch, wie lange so ein TED wohl dauert. Und dann (in der siebtletzten Zeile – fies!) die Auflösung: 41 Tage bis zum Maximum der Helligkeit, also ein paar Wochen. Geht ja echt flott!

  2. #2 pederm
    1. Oktober 2019

    *TDE natürlich

  3. #3 Christian
    1. Oktober 2019

    Sollten die Prozesse die in der Nähe eines Schwarzen Loch stattfinden aus unserer Beobachtungsperspektive nicht deutlich langsamer ablaufen? Heisst das, dass die angegebene Phase von 41 Tagen Beobachtung in der Realität des Sternes deutlich kürzer ist?

  4. #4 Karl-Heinz
    1. Oktober 2019

    @Christian

    Sollten die Prozesse die in der Nähe eines Schwarzen Loch stattfinden aus unserer Beobachtungsperspektive nicht deutlich langsamer ablaufen? Heisst das, dass die angegebene Phase von 41 Tagen Beobachtung in der Realität des Sternes deutlich kürzer ist?

    Nein …
    Man muss schon ziemlich nahe am Ereignishorizont sein, damit sich die Zeitdilatation bemerkbar macht. Und da es in diesem schmalen Bereich aus unserer Perspektive eh zu einer sehr starken Rotverschiebung kommt, ist er nicht relevant und auch kaum beobachtbar.
    Meine persönliche Interpretation 🙂

  5. #5 Karl-Heinz
    1. Oktober 2019

    Man kann das mit der Situation auf der Erde vergleichen: Wenn der Mond etwa in der Nacht direkt über unseren Köpfen steht, dann ist unser Kopf dem Mond ja ein kleines Stück näher als es unsere Füße sind. Der Kopf spürt die Gravitationskraft die der Mond ausübt daher auch etwas stärker als die Füße.

    Des muss ich nachrechnen. Bin schon gespannt, wer einen stärkeren Gradienten in der Beschleunigung verursacht. Erde oder Mond? Was glaubt ihr?

  6. #6 rolak
    1. Oktober 2019

    Des .. nachrechnen

    Wieso ‘nach’, Karl-Heinz? Dieser GradientenVergleich mag ja trotz vorab klarem Gewinner noch irgendwelche Mathe-übenden interessanten Aspekte aufweisen, doch da oben im Text ist davon nicht die Rede.←’Erde’ verformt von schwarzem Satzbau

  7. #7 Karl-Heinz
    1. Oktober 2019

    @rolak

    Ich hätte genauer darauf hinweisen sollen.
    Der Gradient der Gravitationskraft über den FF ein bisschen philosophiert, ist in meinen Fokus gerückt.

  8. #8 Karl-Heinz
    1. Oktober 2019

    @rolak

    Und wer reißt dich mehr auseinander, Erde oder Mond? Bitte nur durch reines Nachdenken lösen!

  9. #9 rolak
    1. Oktober 2019

    rein

    Meinst Du in etwa so, KlementineHeinz?

    Wenn ‘mehr reißen’ dem ‘|Unterschied Gravitation Kopf-Füße| wird größer’ entspricht: Da die Steilheit des Gravitationsfeldes mit der Masse zu- und mit der Entfernung abnimmt, gewinnt die Erde mit 2 Punkten.

    Mich reißt es ja manchmal im Rücken…

  10. #10 Karl-Heinz
    1. Oktober 2019

    @rolak

    Bist jo eh ein Profi.
    Also der Gradient der Schwerebeschleunigung von Erde und Mond ist wie hoch bei dir?
    Der Gradient der Rotationsbeschleunigung ist wie hoch bei dir in Deutschland?
    Erbitte um eine Antwort. 🙂

  11. #11 Karl-Heinz
    1. Oktober 2019

    @rolak #9

    Du bist ka wirklich gut. 😉

  12. #12 Karl-Heinz
    1. Oktober 2019

    Misst Tippfehler

    @rolak #9

    Du bist ja! wirklich gut. 🙂

  13. #13 gerhard
    Amel
    1. Oktober 2019

    Ohne jetzt die Einsteinsche Gravitationsformel zu bemühen und mich allein auf die Newtonsche Formel basierend, denke ich, dass die Erde eindeutig der Gewinner ist. Dass Gravitationskräfte einen Einfluss ausüben, steht außer Zweifel, doch sind die Massen von Erde und Mond nicht so groß, dass sie mich zerreißen könnten. Sogar die Dinosauriere, die ja teilweise viel größer waren als ich, brauchten keine Angst zu haben, dass es sie zerreißt. Wenn selbst die Weltmeere außer dem Tidenhub keinen größeren Einfluss als die bekannten haben, noch immer auf der Erde bleiben, denke ich, dass ich mir kaum Sorgen machen muss.

  14. #14 Pete
    1. Oktober 2019

    “Auf der Erde müssen nur Schiffe auf die Gezeiten aufpassen…”

    Sieh an, Florian war mal in Husum…
    😉

  15. #15 RainerO
    1. Oktober 2019

    @ Karl-Heinz

    Misst Tippfehler

    Wer denn?

    *scnr*

  16. #16 Andreas
    1. Oktober 2019

    “Der Mond in der Nacht direkt über unseren Köpfen…” Aber nicht in (Mittel)Europa.

  17. #17 Bbr
    3. Oktober 2019

    Man muss eigentlich nur wissen, dass die Gezeitenkraft mit der 3. Potenz der Entfernung abnimmt. Dann ist ohne Rechnen klar, dass die Erde die deutlich größere Gezeitenkraft ausübt.

    Aber zur nächsten Frage: Auch die Masse eines Körpers nimmt man mit der 3. Potenz des Radius zu. Warum übt dann der Mond trotz Des gleichen scheinbaren Durchmessers eine stärkere Gezeitenkraft aus als die Sonne?

  18. #18 Karl-Heinz
    Graz
    4. Oktober 2019

    @Bbr

    Aber zur nächsten Frage: Auch die Masse eines Körpers nimmt man mit der 3. Potenz des Radius zu. Warum übt dann der Mond trotz Des gleichen scheinbaren Durchmessers eine stärkere Gezeitenkraft aus als die Sonne?

    Du spielst also auf die scheinbare Größe an, die wie wir ja durch die Sonnenfinsternis wissen, gleich groß ist. Wenn man jetzt die Gezeitenkraft von Mond und Sonne in Verhältnis setzt, muss man auch die unterschiedliche mittlere Dichte von Mond und Sonne berücksichtigen.
    mittlere Dichte Mond = 3,341 g/(cm)^3
    mittlere Dichte Sonne = 1,408 g/(cm)^3
    Damit übt der Mond um den Faktor 3,341/1,408 = 2,37 mal grösser Gezeitenkraft aus, als die Sonne.
    Ist es richtig so?

  19. #19 Bbr
    4. Oktober 2019

    Ja, genau richtig.