Ed Hawkins, CC-BY-SA 4.0)

SG_LogoDas ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.

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Sternengeschichten Folge 368: Kosmische Strahlung und der Klimawandel

Das Klima der Erde verändert sich. So viel klar und klar ist mittlerweile auch, dass “Klimawandel” eigentlich das falsche Wort ist. “Wandel” klingt nach etwas langsamen, etwas was ganz natürlich passiert; die Dinge verändern sich halt. Aber das was derzeit mit dem Klima der Erde passiert ist weder langsam noch natürlich. Es ist eine dramatische Erwärmung; es ist eine “Klimakrise” in der wir stecken und für die wir selbst verantwortlich sind, weil wir mit unseren Treibhausgasemissionen den Kohlenstoffzyklus der Erde durcheinander gebracht haben, wie ich in Folge 242 der Sternengeschichten ja schon einmal erzählt habe. Es soll in der heutigen Folge aber nicht um Wörter gehen, sondern um die Frage, ob es nicht vielleicht auch doch andere Ursachen geben kann die die derzeitige extreme Erhitzung des Planeten verursachen.

Prinzipiell ist das ja durchaus möglich. Wir wissen dass unser Planet in der Vergangenheit schon oft deutlich kälter und deutlich wärmer war als heute. Eiszeiten und Warmzeiten wechseln sich ab und wir Menschen haben damit nichts zu tun gehabt. In Folge 55 der Sternengeschichten habe ich zum Beispiel über die sogenannten Milankovic-Zyklen gesprochen. Es geht dabei um die Tatsache, dass die Bahn der Erde um die Sonne nicht immer exakt die gleiche Ellipse ist. Die Umlaufbahn wird im Laufe der Zeit ein wenig größer und kleiner; sie wird ein wenig mehr oder weniger elliptisch und sie wackelt im Raum hin und her. Gleichzeitig schwankt auch die Ausrichtung der Erdachse und je nachdem wie all diese Faktoren zusammenspielen erreicht uns mehr oder weniger Energie von der Sonne. In den extremen Fällen können sich die Effekte so verstärken, dass wir eine lange Eiszeit kriegen oder eine lange Warmzeit.

Früher war mehr Eis. (Bild: NASA’s Goddard Space Flight Center)

Es braucht also keine Menschen, um das Klima der Erde zu verändern. Und vielleicht sind wir ja aktuell auch nicht schuld. Denn neben den Milankovic-Zyklen gibt es noch andere astronomische Faktoren die das Klima der Erde beeinflussen können. Es ist zum Beispiel klar, dass die Wolken in der Atmosphäre der Erde einen Einfluss auf das Klima haben. Die Wolken reflektieren einerseits einen Teil des Sonnenlichts bevor es auf die Erde gelangen kann. Andererseits nehmen sie einen Teil der Strahlung aber auch auf und schicken ihn als Wärmestrahlung zur Erde. Dieser zweite Effekt ist aber geringer; insgesamt sorgen Wolken für eine Abkühlung: Je mehr Wolken, desto kälter ist es auf der Erde.

Wie Wolken entstehen habe ich in Folge 105 der Sternengeschichten ja schon ausführlich erklärt. Abgesehen davon, dass genug Feuchtigkeit in der Luft vorhanden sein muss, braucht es auch noch etwas, an dem sich die ganzen Wassertropfen anlagern können. Denn genau das sind Wolken ja: Große Ansammlungen von Wassertropfen in der Atmosphäre. Solche “Wolkenkerne” können alles mögliche sein: Rußpartikel in der Luft, Pollen, Staub, sogar die Bakterien die überall durch die Luft schweben können als Ausgangspunkt der Wolkenbildung dienen. Man nennt diese Partikel auch “Aerosole” und mit Astronomie hat das alles noch nicht viel zu tun; höchstens insofern als dass die Wolken uns den Blick auf die Sterne verstellen. Aber tatsächlich können astronomische Phänomene Einfluss auf die Bildung von Wolken haben. In Folge 317 habe ich von der kosmischen Strahlung erzählt. Das sind, simpel gesagt, Teilchen die von der Sonne und anderen Sternen durchs All geschleudert werden. Die Sonne schickt nicht nur Licht und Wärme zu uns, sondern auch einen Strom aus Teilchen ihrer eigenen Atmosphäre. Dazu kommen – in geringerer Menge – Teilchen von anderen Sternen; Teilchen die von weit entfernt explodierenden Sternen, den Supernova-Explosionen, durch den Kosmos geschleudert werden und sogar das eine oder andere Teilchen das durch die hochenergetischen Prozesse in den Zentren ferner Galaxien beschleunigt und auf eine lange Reise durchs All geschickt wurde. All diese Teilchen sausen also überall durch den Weltraum und bilden das, was wir kosmische Strahlung nennen. Und die trifft nun natürlich auch von außen auf die Atmosphäre der Erde und die dort enthaltenen Aerosole.

Wer hat denn das Ding schon wieder gemacht? Bild: public domain

Die können dadurch elektrisch aufgeladen werden was dazu führt, dass sie noch besser als Ausgangspunkt für die Wolkenbildung dienen können. Je mehr kosmische Strahlung auf die Erde trifft, desto leichter können Wolken entstehen. Wie stark die Menge an kosmischer Strahlung ist die wir abkriegen hängt aber unter anderem von unserer eigenen Sonne ab. Die kosmische Strahlung all der anderen Objekte im Universum kommt von außen in das Sonnensystem hinein. Die kosmische Strahlung die von der Sonne selbst erzeugt wird, der sogenannte “Sonnenwind”, bläst von innen nach außen. Und kann die Strahlung von außen damit zum Teil abhalten. Je stärker die Sonne bläst, desto weniger fremde kosmische Strahlung kriegen wir ab. Wie stark der Sonnenwind ist, hängt wiederum von den Vorgängen im Inneren der Sonne ab. Die Stärke des Sonnenwindes verändert sich; damit verändert sich die Menge an kosmischer Strahlung die wir abkriegen, was die Wolkenbildung beeinflusst und damit am Ende das Klima unseres Planeten.

Haben wir also doch nichts mit der Klimakrise zu tun? Ist die Sonne an allem Schuld? Das behaupten zumindest immer wieder Menschen und sie berufen sich dabei auf die Arbeit des dänischen Physikers Henrik Svensmark der genau die eben von mir beschriebene Hypothese im Jahr 1997 aufgestellt hat. Die wurde damals durchaus ernst genommen; der Rest der wissenschaftlichen Welt hat Svensmarks Idee keineswegs ignoriert. Seine Arbeit wurde seitdem immer wieder zitiert; hunderte Male. Und überprüft; genau so wie es sein soll in der Wissenschaft. Allerdings mit einem Resultat, das Svensmark selbst nicht so gut gefiel.

Einerseits passen die Zeiträume nicht. Die Menge an kosmischer Strahlung verändert sich langsamer als es die Wolken tun. Und das Klima ändert sich schneller als es die Stärke des Sonnenwinds tut. Andererseits hat man auch konkrete Experimente gemacht. Nicht nur die Sonne kann geladene Teilchen mit hoher Geschwindigkeit durch die Gegend schleudern, das kriegen wir selbst auch hin, zum Beispiel in Teilchenbeschleunigern. Am CERN hat man im Jahr 2009 das sogenannte CLOUD-Experiment gestartet. Das steht für “Cosmics Leaving OUtdoor Droplets” und ist zwar ein elendiges Akronym aber ein sehr interessantes Projekt. Teilchen die der der kosmischen Strahlung entsprechen werden aus dem Beschleuniger in eine Kammer geleitet, in der künstliche Luft existiert anhand der man die Bildung von Wolken untersuchen kann. Das, was in der Atmosphäre unkontrolliert und schwer messbar hoch über unseren Köpfen abläuft kann bei CLOUD unter kontrollierten Bedingungen genau studiert werden. Das Ergebnis: Es gibt einen Einfluss der kosmischen Strahlung auf die Bildung von Wolken. Der ist aber deutlich geringer als das, was Svensmark angenommen hat. Und reicht definitiv nicht, um einen relevanten Einfluss auf das Klima zu haben.

CLOUD-Experiment am CERN (Bild: CERN)

Zu dem Ergebnis ist man seitdem immer wieder gekommen. Selbst wenn man den bestmöglichen Fall betrachtet, dann kann der Sonnenwind höchstens für 10 Prozent der Erwärmung verantwortlich sein, die wir in den letzten 50 Jahren beobachten.

Es ist verlockend, die Schuld an der Klimakrise auf ein natürliches Phänomen abwälzen zu können. Aber es geht in diesem Fall nicht. Nur weil sich das Klima in der Vergangenheit ohne menschlichen Einfluss verändert hat, folgt daraus nicht, dass jede Veränderung des Klimas nichts mit dem Menschen zu tun hat. Und gerade was die aktuelle Klimakrise angeht wissen wir mittlerweile mehr als sicher, dass es sich um kein natürliches Phänomen handelt sondern um die Auswirkungen unseres menschlichen Handelns. Abgesehen wäre es ja auch nicht weniger schlimm, wenn die Sonne für die Erwärmung des Klimas verantwortlich ist. Wir müssten immer noch einen Weg finden um mit den Auswirkungen klar zu kommen; mit dem Schmelzen der Pole, dem Anstieg des Meeresspiegels, den immer häufigeren immer extremeren Wettereignissen, den Dürren, Waldbränden, den Auswirkungen auf die Landwirtschaft und so weiter. Und auch wenn wir nichts für den Klimawandel könnten, würden uns in naher Zukunft die fossilen Brennstoffe ausgehen und wir müssten uns um nachhaltige Energieformen kümmern; was wir auch aus vielen anderen Gründen müssten; das Zeug ist ja auf viele unterschiedlichen Arten schlecht für die Umwelt in der wir leben. Aber die Sonne IST nicht schuld am Klimawandel. Wir sind es; wir können uns nicht rausreden. Beziehungsweise können wir schon. Die Ausreden haben eben nur keinerlei wissenschaftliche Grundlagen. Und das Problem verschwindet dadurch auch nicht.

Kommentare (4)

  1. #1 Wizzy
    13. Dezember 2019

    Vielen Dank für diese Podcast-Transkription, die interessant und lehrreich ist.

    In einem Punkt will ich Zweifel anmelden, nämlich “[uns würden] in naher Zukunft die fossilen Brennstoffe ausgehen” – Zitat Ende

    Das mag vielleicht für Öl zutreffen, wenn man als “nahe Zukunft” 50 Jahre ansetzt. Aber nicht für fossile Ressourcen an sich, vor allem da die Technologie immer mehr Ressourcen zu ökonomisch abbaubaren sogenannten Reserven aktiviert.

    “Die Reserven[!] der fossilen Brennstoffe reichen wohl maximal noch etwa 200 Jahre. Beim Erdöl war die statische Reichweite 1919 nur noch etwa 20 Jahre und ist seither auf etwa 35 bis 40 Jahre gestiegen, da neue Vorkommen und verbesserte Abbaumaßnahmen hinzukamen.” – Wikipedia, “Fossile Energie”

    “If fossil fuel use continues unabated, the researchers estimate we’ll reach about 2,000 ppm of CO2 by about 2250”
    https://www.sciencealert.com/if-co2-emissions-keep-up-earth-is-headed-back-to-the-triassic-period-or-worse

  2. #2 Christian
    Wien
    13. Dezember 2019

    Weil es irgendwie ganz gut dazu passt, hier ein Beitrag von addendum zum Thema Climate (oder Geo) Engineering: https://add.at/094_09

  3. #3 Dampier
    13. Dezember 2019

    Grad gestern las ich Kapitel 100 deines aktuellen Buches, wo es ja auch darum geht. Schönes Buch übrigens.

    Und danke für das Kapitel & diesen Artikel. Es kommen ja ständig Leute mit diesem Svensmark an, wenn es ums Klima geht. Nun haben wir was zum verlinken.

  4. #4 Nemesis
    Harte Wirklichkeit
    14. Dezember 2019

    Zitat aus dem Artikel:

    ” Die Ausreden haben eben nur keinerlei wissenschaftliche Grundlagen. Und das Problem verschwindet dadurch auch nicht.”

    Schön, dass auf die Naturgesetz im Kochtopf der Natur 100% Verlass ist.

    LG,
    Nemesis