Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern als im Jahr 2008 ein Planet beim Stern Fomalhaut entdeckt wurde. In den Jahren davor habe ich ja an der Sternwarte Jena gearbeitet und die extrasolaren Planeten waren dort das wichtigste Forschungsgebiet. Insbesondere ging es darum, den ersten dieser Planeten direkt zu beobachten. Also nicht nur indirekt nachweisen; durch die vom Planet ausgelösten Veränderungen in der Bewegung oder Helligkeit des Sterns. Sondern tatsächlich Licht im Teleskop einzufangen das direkt vom Planet reflektiert wird. Viele verschiedene Arbeitsgruppen (darunte auch die der Sternwarte in Jena) hatten entsprechende Kandidaten für Bilder von Exoplaneten veröffentlicht; aber überall gab es Kleinigkeiten die die Sache nicht ganz eindeutig gemacht hatten. Mal war unklar ob es wirklich ein Planet ist oder doch nur ein kleiner Stern. Mal waren die Bilder nicht im sichtbaren Bereich des Lichtspektrums aufgenommen worden sondern mit Infrarotteleskopen. Mal war nicht zu bestimmen, ob das abgebildete Objekt den Stern tatsächlich umkreist. Und so weiter. Aber am 13. November 2008 wurde bekannt gegeben, dass das Hubble-Weltraumteleskop einen Planeten fotografieren konnte, der den Stern Fomalhaut umkreist. Ich habe damals in meinem Blog darüber berichtet und den Entdecker, Paul Kalas, zitiert: “Ich bekam fast einen Herzinfarkt, als sich Ende Mai herausstellt, dass sich Fomalhaut b tatsächlich um den Stern herum bewegt. Es ist ein tiefschürfendes und überwältigendes Erlebnis, einen Planeten mit eigenen Augen zu betrachten, der noch nie vorher gesehen wurde.”. Nun stellt sich aber heraus, dass dieser Planet vermutlich nie existiert hat.

Damals dachte man noch da wäre ein Planet (Bild: NASA/ESA/Kalas)

Der Planet mit der Bezeichnung Fomalhaut b und dem offiziellen Namen “Dagon” war immer schon ein wenig seltsam. Seine Masse wurde auf die dreifache Jupitermasse geschätzt; war aber viel heller als er es angesichts dieses Werts eigentlich sein sollte. Anfangs vermutete man daher, dass es vielleicht von einem großen Ringsystem aus Eisbrocken umgeben ist und deswegen mehr Licht reflektiert als erwartet. András Gáspár und George Rieke von der Universität Arizona haben sich die alten Daten nochmal genau angesehen und mit neuen Bildern kombiniert (“New HST data and modeling reveal a massive planetesimal collision around Fomalhaut”. Ihr Schluss: Da war nie ein Planet!

Aber was war dann auf den Aufnahmen des Jahres 2008 zu sehen? Denn zu sehen war da ja definitiv etwas! Das war, so die beiden Astronomen, eine Staubwolke! Staub gibt es bei Fomalhaut genug, was man auch schon vorher wusste. Der 25 Lichtjahre entfernte Stern ist von einer Scheibe aus Staub umgeben. So etwas ist nicht ungewöhlich, vor allem bei jungen Sternen zu denen Fomalhaut mit einem Alter von circa 400 Millionen Jahren noch gezählt werden kann. Es ist natürlich nicht mehr die protoplanetare Staubscheibe die aus der Entstehungszeit des Sterns übrig ist und aus der sich dann später Planeten bilden. Sondern eine sogenannte “Trümmerscheibe”; also Staub der entsteht wenn sich schon Planeten beziehungsweise viele kleine “Planetesimale” (im wesentlichen das was wir auch “Asteroiden” nennen) gebildet haben. Die können miteinander kollidieren, tun das auch und dabei entsteht Staub. Erst wenn die Planetesimale zu Planeten wurde und weniger Kollisionen stattfinden, verschwindet die Trümmerscheibe irgendwann, da der Staub durch die Strahlung des Sterns quasi davon gepustet wird.

Bei Fomalhaut war also einerseits mit Staub zu rechnen. Andererseits mit Kollisionen. Und genau das ist laut Gáspár und Rieke auch der Ursprung des nicht-existenten Planeten. Zwei größere Planetesimale sind dort miteinander zusammengestoßen. Dabei entstand eine große Staubwolke, die auf den Bildern des Jahres 2008 den Eindruck eines Planeten erweckte. Sie verhielt sich dann aber ganz anders. Einerseits wurde der “Planet” im Laufe der Zeit immer dunkler. Andererseits schien er immer größer zu werden. Sowas machen Planeten nicht – Staubwolken aber durchaus! Die dehnen sich aus, und je weniger dicht der Staub ist, desto schwächer wird auch das reflekierte Licht. Vor ein paar Jahren war der “Planet” dann gar nicht mehr zu sehen – und auch seine bis dahin aufgezeichnete Umlaufbahn war keine – sondern sah so aus als würde er den Stern verlassen anstatt ihn zu umkreisen. Was wiederum sehr gut zum Verhalten einer Staubwolke passt, die von der starken Strahlung des hellen Sterns aus dem System gepustet wird.

Links: Fomalhaut mit Staubscheibe und “Planet”. Rechts: Simulation der verschwindenen Staubwolke (Bild: NASA, ESA, and A. Gáspár and G. Rieke (University of Arizona))

Alles sieht also danach aus als hätte es den Planeten nie gegeben. Was aber gar nicht tragisch ist. Planeten bei anderen Sternen haben wir schon jede Menge entdeckt. Was wir aber noch nie direkt beobachtet haben sind die Spuren von großen Kollisionen in extrasolaren Systemen! Gáspár und Rieke haben das Verhalten der Staubwolke simuliert und am besten passt dazu die Kollision von zwei etwa 200 Kilometer großen Asteroiden. Wir wissen, das so etwas passiert; auch in unserem Sonnensystem sehen wir überall Spuren solcher Ereignisse. Aber eben nur indirekt. Wenn wir den Vergleich mit einem Autounfall bemühen, dann können wir unserem Sonnensystem vielleicht noch die eine oder andere Delle am Auto finden. Bei Fomalhaut b sehen wir aber noch den rauchenden Motor und die davonrollenden Reifen! Es ist enorm selten, so ein Ereignis in der Deutlichkeit zu beobachten. Der Zusammenstoß dort muss nur ein paar Jahre vor den ersten Hubble-Beobachtungen (die im Jahr 2004 gemacht wurden) stattgefunden haben.

Fomalhaut kann sich weiterhin der Aufmerksamkeit der Astronomie sicher sein. Auch wenn Dagon kein Planet ist, ist es doch absolut plausibel, dass dort ein paar echte Planeten ihre Runden ziehen. Ihre Wechselwirkung mit all dem Staub in der Scheibe führt zu Veränderungen in ihrer Umlaufbahn. Wodurch die Planeten, sofern sie existieren, die Bahn von anderen Planetesimalen stören und sie zur Kollision bringen können. Wer weiß, vielleicht sehen wir den nächsten planetaren Zusammenstoß dann live und von Anfang an.