SG_LogoDas ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video. Und den ganzen Podcast findet ihr auch bei Spotify.

Mehr Informationen: [Podcast-Feed][iTunes][Bitlove][Facebook] [Twitter]

Wer den Podcast finanziell unterstützen möchte, kann das hier tun: Mit PayPal, Patreon oder Steady.

Über Bewertungen und Kommentare freue ich mich auf allen Kanälen.

—————————————————
Sternengeschichten Folge 467: Hayashi-Tracks

Heute geht es um einen seltsamen Begriff: Den Hayashi-Track. Das klingt ein wenig wie eine Wanderroute in Japan. Tatsächlich geht es aber – natürlich – um Astronomie. Es geht um Linien in einem Diagramm. Das ist ein wenig abstrakt, aber so ist die Wissenschaft. Linien in Diagrammen sind wichtig, denn wir kritzeln die ja nicht aus Spaß an der Freude einfach irgendwo hin. Die Linien beschreiben etwas, sie stehen für etwas und sie können etwas erklären. Und in diesem Fall geht es um nichts weniger als das Leben und Sterben von Sternen.

Alle die, die ein wirklich gutes Gedächtnis haben, werden sich jetzt vermutlich an die Folge 6 der Sternengeschichten erinnern, die vor fast 10 Jahren erschienen ist. Die hatte genau diesen Titel – “Vom Leben und Sterben der Sterne” – und darin habe ich vom sogegannten “Hertzsprung-Russell-Diagramm” erzählt. Und gleich zu Beginn erwähnt, dass es zu den allerwichtigsten Werkzeugen in der Astronomie gehört. Und für alle die, die sich nicht mehr so ganz genau an damals erinnern können, gibt es jetzt noch mal eine kurze Zusammenfassung. Denn man muss dieses Diagramm kennen, wenn den Hayashi-Track verstehen will.

Das Hertzsprung-Russell-Diagramm wurde im Januar 1913 das erste Mal veröffentlicht und basiert auf der Arbeit des dänischen Astronoms Ejnar Hertzsprung und des Amerikaners Henry Norris Russell. Es wird auch manchmal “Farben-Helligkeits-Diagramm” genannt und das verrät ziemlich genau, was man dort finden kann. Auf der einen Achse dieses Diagramms ist die Farbe eines Sterns aufgetragen; man kann stattdessen natürlich auch die Temperatur oder die Spektralklasse nehmen – am Ende stehen diese Werte ja alle für die selbe Eigenschaft eines Sterns. Rote Sterne haben eine niedrigere Temperatur als gelbe Sterne, die wieder eine niedrigere Temperatur haben als blaue und weiße Sterne. Und Farbe bzw. Temperatur sind eine der hauptsächlichen Eigenschaften, die man zur Spektralklassifikation der Sterne verwendet. Aber damit es nicht zu verwirrend wird, bleiben wir vorerst einfach mal bei der Temperatur bzw. der Farbe der Sterne. Auf der zweiten, der y-Achse, wird nun die absolute Helligkeit der Sterne aufgetragen. Also nicht die Helligkeit, mit der wir hier von der Erde aus einen Stern leuchten sehen. Sondern die “wahre” Helligkeit – also die Helligkeit, die man sehen würde, wenn man alle Sterne aus einer normierten Entfernung aus beobachten könnte. Ansonsten wüsste man ja nicht, ob ein Stern zum Beispiel nur schwach leuchtet, weil er halt wenig Leuchtkraft hat. Oder ob er nur schwach leuchtet, weil er zwar eigentlich eh stark leuchtet, aber halt enorm weit weg von uns ist.

Das Hertzsprung-Russell-Diagramm! Wichtig!!

So – Temperatur und absolute Helligkeit. Das sind zwei grundlegende Eigenschaften eines Sterns und Ejnar Hertzsprung hat sie für viele verschiedene Sterne in ein Diagramm eingetragen. Und dabei etwas sehr interessantes entdeckt. Man könnte ja denken, dass die Sterne in so einem Diagramm irgendwie verteilt sind. Das also alle Kombinationen von Helligkeit und Temperatur möglich sind. Das aber ist nicht der Fall. Man findet die Sterne typischerweise entlang einer Linie verteilt, die von links oben im Diagramm nach rechts unten verläuft. Also von dort, wo sich heiße und helle Sterne befinden bis da, wo die kühlen, schwach leuchtenden Sterne sind. Diese Linie hat man – wenig originell – die “Hauptreihe” genannt und trotz des langweiligen Namens ist sie enorm wichtig.

Die Hauptreihe ist der Ort, an dem ein normaler Stern sein Leben verbringt. Wo genau auf der Linie man den Stern findet, hängt im Wesentlichen von seiner Masse ab. Sterne mit viel Masse sind auch enorm heiß. Die ganze Masse drückt auf das Zentrum, dort wird die Temperatur sehr hoch, der Stern wird heiß, die Fusion läuft sehr heftig ab und es wird sehr viel Energie erzeugt. Sterne mit wenig Masse kriegen nur vergleichsweise geringe Temperaturen zustande. Massereiche Sterne leuchten also hell und eher weiß/blau, massearme Sterne leuchten schwächer und sind eher rötlich. Die Sonne liegt mit ihrem gelb/weißem Licht irgendwo dazwischen.

Jetzt haben wir also die Hauptreihe – beim Hayashi-Track geht es aber um das, was mit einem Stern passiert, bevor er die Hauptreihe betritt. Und dazu müssen wir wissen, was ein hydrostatisches Gleichgewicht ist. Das kann erstaunlich komplex werden; wir belassen es aber bei der simplen Version: Wenn wir eine bestimmte Schicht aus heißem Gas in einem Stern betrachten, dann wirken dort vor allem zwei Kräfte. Von oben bzw. außen drückt das ganze restliche Material des Sterns mit seinem Gewicht. Und von innen kommt die ganze Strahlung und es wirkt der thermische Druck. Wenn der den Druck der ganze Masse von außen gerade ausgleicht, befindet sich der Stern im hydrostatischen Gleichgewicht. In der Realität ist das natürlich komplexer; der Stern rotiert zum Beispiel, was alles ein bisschen komplizierter macht. Aber fürs erste reicht das, was das hydrostatische Gleichgewicht angeht.

Was passiert jetzt, wenn ein Stern entsteht: Alles fängt mit einer großen Wolke an, die unter ihrem Gewicht in sich zusammenfällt. Dabei zerfällt sie in jede Menge Klumpen. So ein Klumpen ist dichter als die Umgebung, übt daher auch eine größere Gravitationskraft aus, zieht noch mehr Material an, wird noch schwerer, klumpiger und dichter und fällt unter seiner Masse noch weiter in sich zusammen. Wir haben hier jetzt also definitiv noch kein hydrostatisches Gleichgewicht, sonst würde der Klumpen ja nicht immer weiter schrumpfen. Es fehlt ausreichend viel Kraft von innen, um der ganzen von außen wirkenden Masse und etwas entgegen zu setzen. Der Klumpen kollabiert also weiter und das geht natürlich nicht wahnsinnig schnell; das dauert ungefähr 100.000 Jahre. Und während dieser Zeit wird dieser Noch-Nicht-Stern immer wärmer, weil beim Kollaps der Wolke Gravitationsenergie in Wärmeenergie umgewandelt wird. Dieser Prozess endet irgendwann. Irgendwann ist die Temperatur des Gases so hoch, dass die Atome aus denen es besteht sich schnell genug bewegen, um den gravitativen Kollaps zu stoppen. Das ist bei ungefähr 4000 Grad der Fall, zumindest bei Sternen die nicht extrem massereich sind. Jetzt sind wir auf dem Hayashi-Track angekommen.

Hayashi-Tracks (die blauen senkrechten Linien). Die Hauptreihe ist schwarz; die blauen Linien zeigen den Entwicklungsweg unterschiedlich schwerer Sterne zur Hauptreihe (Bild: gemeinfrei)

Diese Bezeichnung stammt vom japanischen Astronomen Hayashi Chūshirō. Der hat sich in den 1960er Jahren mit der Frage beschäftigt, wo im Hertzsprung-Russell-Diagramm überhaupt ein hydrostatisches Gleichgewicht existieren kann. Das hängt natürlich immer von der Masse ab, die man betrachtet. Je mehr Masse ein sich gerade bildender Stern hat, desto mehr Temperatur braucht es auch, bis der Kollaps gestoppt werden kann. Die Hayashi-Linien sind jetzt quasi die Grenze zwischen dem Bereich, wo für eine bestimmte Masse ein hydrostatisches Gleichgewicht möglich ist und denen, wo das nicht mehr geht. Im Hertzsprung-Russell-Diagramm sind sie nahezu vertikale Linien. Warum das so ist, werden wir gleich sehen. Noch sind wir ja erst am Anfang des Hayashi-Tracks. Der Noch-nicht-Stern hat vorerst aufgehört, in sich zusammenzufallen; hat eine gewisse Masse und eine gewisse Temperatur, nämlich genau die Temperatur, die für diese Masse nötig ist, um das hydrostatische Gleichgewicht sicherzustellen. So bleibt es aber nicht. Denn da ist immer noch Zeug in der Wolke um den sich bildenen Stern herum. Immer wieder fällt ein wenig davon auf den Stern, dadurch erhöht sich seine Masse und er fällt ein bisschen weiter in sich zusammen. Dadurch leuchtet er weniger hell, denn er ist ja kleiner geworden und hat weniger Oberfläche, über die er Licht abstrahlen kann. Die Temperatur bleibt dabei aber annähernd konstant. Der sich bildende Stern wird nur sehr langsam schwerer und verglichen mit der Veränderung der durch die Kontraktion verringerte Leuchtkraft ist die Änderung in der für das hydrostatische Gleichgewicht nötige Temperatur sehr gering. Oder anders gesagt: Wenn man sich das ganze im Hertzsprung-Russell-Diagramm anschaut, wandert der fast fertige Stern langsam entlang einer senkrechten Linie nach unten. Die Leuchtkraft – auf der y-Achse aufgetragen – wird kleiner; die Temperatur – auf der x-Achse – aber bleibt fast gleich.

Irgendwann ist der Stern aber dann in seinem Inneren heiß genug geworden, so dass dort die echte Kernfusion einsetzt. Jetzt kommt ausreichend Strahlung von dort um ein wirklich dauerhaftes hydrostatisches Gleichgewicht sicherzustellen. Der Kollaps des Sterns endet. Und jetzt ist es wirklich ein Stern; jetzt befindet er sich auf der Hauptreihe im Diagramm und bleibt dort bis zu seinem Ende. Wenn wir das nochmal zusammenfassen – was keine schlechte Idee ist, denn es ist immer schwer, wenn man über ein Diagramm nur reden kann anstatt es anzuschauen, dann startet die Entwicklung des Sterns an einem seiner Masse entsprechenden Punkt im Diagramm, der sich aber immer überhalb der Hauptreihe befindet. Von dort wandert er entlang einer senkrechten Linie nach unten, auf die Hauptreihe zu, bis er sie irgendwann erreicht. Diese senkrechte Linie ist der Hayashi-Track und dort findet die Geburt eines Sterns statt. Je nachdem wie man es definieren möchte, kann man den Zeitpunkt, an dem die kollabierende Wolke am Anfang der Hayashi-Linie auftaucht als Geburt bezeichnen. Oder den Punkt am Ende, wo der sich bildende Stern schließlich auf der Hauptreihe landet.

Das mit der senkrechten Linie war natürlich nur eine sehr vereinfachte Darstellung. Sie gilt für Sterne mit geringer Masse. Liegt die Masse eines sich bildenden Sterns bei Eintritt in den Hayashi-Track zwischen 0,5 und 3 Sonnenmassen, sieht die Sache ein wenig anders aus. Zuerst geht es auch hier senkrecht im Diagramm nach unten. Der Noch-nicht-Stern wird kleiner, leuchtet weniger hell und die Temperatur bleibt fast gleich.
Dann aber dreht sich der Prozess um. Jetzt steigt die Temperatur, während die Leuchtkraft konstant bleibt beziehungsweise nur minimal steigt. Die senkrechte Hayashi-Linie knickt also im Diagramm waagerecht ab.

Der Grund dafür ist die Art und Weise wie die Energie im Inneren eines sich bildenden Sterns transportiert wird. Zuerst ist der Klumpen aus dichtem Gas ja eher undurchsichtig. Die Energie kommt also schlecht in Form von Strahlung durch. Stattdessen erwärmen sich die inneren Schichten, das warme Material steigt auf, kühlt dort ab – gibt also erst DORT seine Wärme in Form von Strahlung ab – und sinkt wieder nach unten wo der Zyklus erneut anfängt. Das nennt man “Konvektion”. Wenn ein sich bildender Stern aber viel Masse hat, dann wird sein Inneres auch sehr heiß. So heiß, dass er eine “Strahlungszone” entwickeln kann. Wenn es zu heiß wird, können Atome die Photonen schlechter absorbieren; der Stern wird also quasi ein wenig durchsichtiger als vorher. Die Energie kommt jetzt also direkt in Form von Strahlung vorwärts, so weit, bis das Material des Sterns kühl genug ist, um die Strahlung zu stoppen. Von da an geht es wieder per Konvektion weiter nach außen.

Sterne und Linien. Immer ne gute KombinationBild: Public Domain

Die Hayashi-Linien gelten nur für komplett konvektive Sterne. Also für Sterne, wo die Energie nur per Konvektion transportiert wird; wo – vereinfacht gesagt, heißes Material aus dem Zentrum des Sterns bis ganz nach außen aufsteigt und von dort wieder bis ins Zentrum zurück absinkt. Das geht nur, wenn der Stern nicht zu viel Masse hat. Denn ansonsten wird sein Zentrum zwangsläufig irgendwann heiß genug, so dass sich eine Strahlungszone ausbildet. Ein ausreichend massereicher Stern erhöht in dieser Phase seine Temperatur sehr viel schneller als die Leuchtkraft und deswegen bewegt er sich nun nicht mehr auf einer senkrechten Linie auf die Hauptreihe zu, sondern auf einer annähernd waagerechten bzw. einer leicht schrägen Linie. Die wird jetzt nicht mehr Hayashi-Track genannt, sondern Henyey-Linie, nach dem amerikanischen Astronomen Louis Henyey. So oder so wird auch dieser entstehende Stern auf seinem Track irgendwann auf der Hauptreihe eintreffen. Sterne die aus einem WIRKLICH massereichen Klumpen entstehen, lassen den Hayashi-Track gleich aus und wandern direkt auf einer fast waagrechten Henyey-Linie auf die Hauptreihe und die ganz großen Brocken kollabieren so schnell, dass sie quasi direkt auf der Hauptreihe selbst entstehen und fast sofort als fertiger Stern anfangen, ohne die Entwicklungsphasen die durch Hayashi- und Henyey-Linie dargestellt werden.

Man kann noch viel mehr Linien ins Hertzsprung-Russell-Diagramm einzeichnen. Das hier war nur ein sehr kurzer und vereinfachter Blick auf die Entwicklungslinien von Sternen. Und nach ihrer Zeit auf der Hauptreihe verschwinden sie ja auch nicht einfach – sondern verlassen sie auf neuen Wegen. Wie sie sich zu den “Sternfriedhöfen” bewegen ist aber wieder ein ganz anderes Thema für eine andere Folge der Sternengeschichten.

Kommentare (4)

  1. #1 snail
    5. November 2021

    Jetzt bin ich neugierig: was ist denn der kleine “Zacken” ganz links am Ende einer solchen Linie, speziell bei sehr massereichen Sternen? also sie bewegen sich tendenziell erst waagrecht nach links, aber dann abrupt nach rechts unten, und dann aber wieder waagrecht … why?!

  2. #2 snail
    5. November 2021

    auch interessant ist der Beginn der Linie, die letzllich bei 3.0 endet – die bewegt sich erst mal steil nach links oben, während alle andern entweder erst senkrecht fallen oder gleich waagrecht starten. Der Reihe nach müsste im Übergang eher eine Links-Unten-Richtung stattfinden?

  3. #3 Karl-Heinz
    Graz
    6. November 2021

    @snail

    Jetzt bin ich neugierig: was ist denn der kleine “Zacken” ganz links am Ende einer solchen Linie, speziell bei sehr massereichen Sternen? also sie bewegen sich tendenziell erst waagrecht nach links, aber dann abrupt nach rechts unten, und dann aber wieder waagrecht … why?!

    Bin mir jetzt nicht ganz sicher, aber das könnte die Ursache sein. WIKIPEDIA schreibt leider nur:
    Verursacht durch das Einsetzen der Kernfusion sinkt die Leuchtkraft eines Sterns kurz vor Erreichen der Hauptreihe leicht ab.

    In einem Buch habe ich das gefunden.
    Erreicht schließlich der PMS-Stern im Zuge seiner Vorhauptreihenkontraktion in seinem Zentrum eine Temperatur von mindestens 3•10^6 K, dann werden die ersten thermonuklearen Reaktionen des pp-Zyklus möglich, oder anders ausgedrückt, das „Wasserstoffbrennen“ zündet. Das passiert kurz bevor der PMS-Stern die Nullalter-Hauptreihe erreicht. Bei dieser Temperatur wird auch noch eine andere Reaktion wichtig, nämlich die Konversion des in der Sternmaterie enthaltenen Kohlenstoffs in Stickstoff. Sie verursacht bei Sternen, die ihre Energie primär durch den pp-Zyklus freisetzen, die typische V-Struktur am Ende der Henyey-Linie zwischen dem Zeitpunkt des Wasserstoffzündens und dem endgültigen Erreichen der ZAMS.

  4. #4 snail
    9. November 2021

    @Karl-Heinz

    danke, da hab ich jetzt mehr zum Durchdenken 🙂

    Irgendwie dachte ich, die Kernfusion startet früher, aber offenbar dauert es den roten isochron-Linien bei sonnenschweren Sternen knapp 100 Millionen Jahre bis die Kernfusion überhaupt einsetzt – oder lese ich das falsch?
    Und dann ist da nicht nur der pp-Zyklus aktiv, sondern parallel wird noch (alter) Kohlenstoff zu Stickstoff, was irgendwie “dunkler und kühler” macht als ohne diese(?).

    und vorher ergibt sich die Temperatur (und Wärme-Abstrahlung durch komplette oder teilweise Konvektion) ausschließlich durch die Kontraktion per Gravitation. d.h. wenn so ein protostern zu klein ist und letzlich gar nie “zündet”, kühlt er wieder sehr sehr langsam aus und wird dabei sehr sehr langsam immer kleiner (a lá Jupiter).