Heute ist der 14. März und damit der internationale Pi-Tag. Über die Zahl Pi habe ich in diesem Blog schon viel geschrieben; auch darüber, dass ich seit 2009 “Botschafter der Zahl Pi” bin. Es gibt viel über das Verhältnis von Umfang zu Durchmesser eines Kreises zu erzählen, was ich t hier oder hier oder hier oder hier getan habe. Und hier und hier und hier. Und hier auch noch und wahrscheinlich an noch viel mehr Orten. Aber am Pi-Tag geht es nicht nur um die Zahl Pi im Speziellen sondern auch um die Mathematik ganz allgemein.

Mathematik hat ein schwieriges Image. Viele Menschen haben sofort ein schlechtes Gefühl, wenn sie auf Mathematik stoßen. Sie halten die Mathematik für langweilig, kompliziert, zu schwierig oder sich selbst zu dumm, um sich damit beschäftigen zu können. Dabei spielt sicherlich der nicht immer optimale Mathematikunterricht eine Rolle. Aber nicht nur; denn erstens gibt es auch sehr gute Mathematik-Lehrerinnen und -Lehrer. Und zweitens wird die Mathematik nicht immer als das dargestellt, was sie eigentlich ist. Man denkt sich die Mathematik ja oft als etwas, wo man zuerst sehr viele Regeln auswendig lernen muss und sie dann strikt anzuwenden hat. Was natürlich auch stimmt; aber da ist eben noch viel mehr. Mathematik ist eine zutiefst kreative Tätigkeit und nur wenn die strenge Logik mit der freien Kreativität kombiniert wird kann die Mathematik das leisten, was sie tut. Was mich am meisten an der Mathematik fasziniert ist ihre Verbindung zur Realität. Es gibt kaum einen Aspekt unseres Lebens und unserer Welt der nicht durch Mathematik beschrieben und (meist besser) verstanden werden kann (wie ich regelmäßig in meiner Kolumne “Freistetters Formelwelt” zu zeigen versuche).

Mathematik ist überall (Bild: ESO/Y. Beletsky)

Die Realität braucht die Mathematik – aber die Mathematik braucht die Realität nicht. DAS ist das faszinierende: In der Mathematik kann man sich mit Dingen beschäftigen die in der Realität nicht existieren und nicht einmal vorstellbar sind. Immer wenn es um die Unendlichkeit geht, zum Beispiel. Wir können uns ja “Unendlich” schon nicht vorstellen; die Mathematik aber hat kein Problem zu zeigen, dass bestimmte Mengen auch mehr als unendlich viele Elemente beinhalten. Oder die imaginären Zahlen. Oder Räume die mehr als drei und beliebig viele Dimensionen haben können. Und so weiter: Die Mathematik ist nur sich selbst verpflichtet und muss sich nicht an der Realität orientieren. Sie kann über alles nachdenken und das überraschende ist: Sehr oft zeigt sich dann, dass man bei den gedanklichen Ausflüge in die Nicht-Realität der unvorstellbaren abstrakten Welten am Ende doch wieder in unserem Alltag landet. Das, was auf den ersten Blick nichts mit der echten Welt zu tun hat – imaginäre Zahlen, hochdimensionale Räume, und so weiter – wird benötigt, um höchst irdische Phänomen zu beschreiben und zu verstehen.

Diese faszinierenden Eigenschaften der Mathematik entgehen vielen Menschen und das ist schade. Es lohnt sich, die Vorurteile und falschen Vorstellungen die man vielleicht hat kurz zu ignorieren und sich unvoreingenommen auf die Welt der Zahlen einzulassen. Genau darüber habe ich mit Martin Puntigam in der aktuellen Folge des Science Busters Podcast gesprochen:

Und wer lieber schauen möchte, sollte unbedingt einen Blick auf die hervorragende Videoreihe “Mathewelten” von Arte werfen! In je knapp 10 Minuten werden da durchaus komplexe aber höchst spannende Themen wunderbar illustriert dargestellt so dass man auch ganz ohne Vorwissen versteht, worum es geht:

Und außerdem ist heute auch noch der Geburtstag von Albert Einstein – bei dem es durchaus überraschende Verbindungen zur Zahl Pi gibt und der Todestag von Stephen Hawking, der zur Zahl Pi sicherlich auch das eine oder andere zu sagen hätte.

So oder so: Mathematik ist besser als ihr Ruf. Traut euch zumindest mal einen kleinen Besuch in dieser faszinierenden Welt…

Kommentare (20)

  1. #1 noch'n Flo
    Schoggiland
    14. März 2022

    Wie berechnet man das Volumen einer Pizza?

    Der Radius der Pizza sei “z”, die Höhe “a”, dann lautet die Formel:

    Pi(z*z)a

    😉

  2. #2 Captain E.
    14. März 2022

    Hm, die Sache mit den komplexen Zahlen und ihren imaginären Teilen kann schon komisch sein. In der Schule lernt man im Physikunterricht etwas über Spannung, Strom und Widerstand. Das ist aber noch der simple Fall. In der Realität werden Kondensatoren und Spulen verbaut, und die nennt man “kapazitive und induktive Widerstände”. Dadurch kommt es zu Effekten, die die Elektrotechnik als Blindspannung, Blindstrom und Blindwiderstand bezeichnet. Und tatsächlich werden diese mit den imaginären Anteilen der komplexen Zahlen beschrieben. Und imaginär hin oder her, so hat das natürlich Auswirkungen auf die Wirklichkeit. Ich erinnere nur daran, wie man in der Mathematik der komplexen Zahlen multipliziert. Eine komplexe Zahl c₁ wird definiert als

    c₁ = a₁ + i * b₁

    Dabei ist das “i” natürlich jene imaginäre Zahl, die mit sich selbst multipliziert -1 ergibt, also:

    i² = -1

    So, und wer nun meint, dass es etwas imaginäres in echt gar nicht geben kann, möge einfach mal zwei komplexe Zahlen miteinander multiplizieren:

    c₁ = a₁ + ib₁
    c₂ = a₂ + ib₂

    c₁ c₂ = (a₁ + ib₁) (a₂ + ib₂)

    = a₁a₂ + ib₁ a₂ + a₁ ib₂ + ib₁ ib₂

    = a₁a₂ + i(b₁a₂ + a₁b₂) + i² b₁ ib₂

    = a₁a₂ + i(b₁a₂ + a₁b₂) – b₁b₂

    = a₁a₂ – b₁b₂ + i(b₁a₂ + a₁b₂)

    Und schon steht das, was vorher im Imaginärteil gestanden hat, auch im Realteil.

    In der Elektrotechnik wird allerdings bevorzugt die Exponentialdarstellung verwendet, also so etwas:

    z = r e “hoch” iφ

    Das lässt sich allerdings auch so schreiben:

    z = r (cos φ + i sin φ)

    Und Eingeweihte wissen natürlich: Bei Verwendung von Sinus und Kosinus kommt man niemals an π vorbei. 🙂

    Einen fröhlichen π-Tag noch, und freuen wir uns schon auf den 22. Juli!

  3. #3 Robert K
    14. März 2022

    Zum Thema π kann ich dieses Video sehr empfehlen: https://youtu.be/BdHFLfv-ThQ

  4. #4 Rob
    Oberland
    14. März 2022

    Ich kann mich noch erinnern, wie wir in der Schule stundenlang große Zahlen mit Bleistift und Papier multiplizieren und dividieren mussten. Dahinter stand wohl das didaktische Prinzip, dass ordentliche Deutsche auch ohne neumodischem Kram auskommen. Ganz nebenbei haben auch mindestens die Hälfte der Schüler verinnerlicht, Mathematik für immer zu hassen..

  5. #5 fürcht
    mich
    14. März 2022

    eh

    nicht

    🙂

  6. #6 noch'n Flo
    Schoggiland
    14. März 2022

    @ Rob:

    Zumindest wurde ja inzwischen die Behauptung vieler Mathelehrer*innen widerlegt, dass wir im späteren Leben ja auch nicht ständig einen Taschenrechner dabei haben würden…

  7. #7 Rob
    Oberland
    14. März 2022

    @ Floh
    Willst du damit sagen, dass du auch die mühsam erlernte Schulschrift bei der täglichen Korrespondenz, ähm, seltener verwendest?

    Dafür profitiere ich täglich von der literarischen Textanalyse: Einleitung, Hauptteil, Schluss. Das hält den Geist zusammen, da geht man nicht verloren.

  8. #8 tohuwabohu
    Berlin
    14. März 2022

    Im Artikel steht

    Wir können uns ja “Unendlich” schon nicht vorstellen; die Mathematik aber hat kein Problem zu zeigen, dass bestimmte Mengen auch mehr als unendlich viele Elemente beinhalten.

    Das hätte ich gerne mal ein Beispiel, denn nach meinem Wissen gibt es zwar bei unendlichen Mengen verschiedene Mächtigkeiten, aber ∞ ist kein Platzhalter für irgendeine (sehr große) Zahl, wie die Buchstaben in algebraischen Ausdrücken.  Ist die obige Aussage nicht ein Widerspruch in sich?  Wie kann die Anzahl der Elemente größer als unendlich sein?

  9. #9 rolak
    14. März 2022

    mehr als unendlich viele Elemente

    Wie kann die Anzahl der Elemente größer als unendlich sein?

    Dein Text ist nicht etwa eine Umformulierung von Florians Aussage, sondern eine völlig andere Behauptung. Beispiel:
    Die unendlich vielen natürlichen Zahlen sind eine echte Teilmenge der reellen Zahlen, es gibt also eindeutig mehr reelle als natürliche Zahlen, ohne daß für auch nur eine der beiden Gesamtmengen ein natürliche bzw reelle Zahl als Element-Anzahl angegeben werden kann.

  10. #10 PDP10
    15. März 2022

    @tohuwabohu:

    Man kann sich das, glaube ich, ganz gut an einem Beispiel klar machen.

    Nehmen wir mal die Menge der natürlichen Zahlen: 1,2,3,4 … (manche nehmen auch noch die Null dazu. Spielt hier aber keine Rolle).

    Es ist offensichtlich, dass man zu jeder natürlichen Zahl eine noch größere finden kann indem man einfach 1 addiert. Sagen wir, wir denken uns irgendeine natürliche Zahl n aus. Dann kriegt man immer eine noch größere n+1. Dh. die Menge der natürlichen Zahlen muss unendlich groß sein. Sprich: Es muss unendlich viele von den Dingern geben.

    Nehmen wir jetzt mal die Menge der positiven, ganzen, geraden Zahlen. Also 2,4,6,8 …

    Es ist offensichtlich, dass du bei dieser Menge genauso beweisen kannst, dass sie unendlich groß sein muss, wie oben bei den natürlichen Zahlen.

    Aber: Wie verhält sich diese Menge zur Menge der Natürlichen Zahlen?

    Man kann jetzt einfach mal jeder geraden Zahl eine natürliche Zahl zuordnen:

    2 -> 1
    4 -> 2
    6 -> 3 …

    Man sieht worauf das hinaus läuft. Da man jeder geraden Zahl eine natürlich Zahl zuordnen kann, müssen beide Mengen gleich groß sein. Davon abgesehen sind beide Mengen auch noch unendlich groß.

    Jetzt probieren wir das mal mit der Menge der reellen Zahlen:

    Nehmen wir einfach mal 1,537 und 1,6:

    Ich kann jetzt an 1,537 einfach eine 1 als Ziffer anhängen und erhalte wieder eine reelle Zahl:

    1,5371

    und mache das nochmal und erhalte wieder eine reelle Zahl:

    1,53711

    usw.

    Diese Zahlen kann ich mit Hilfe der natürlichen Zahlen immer noch durchnummerieren:

    1,537 -> 1
    1,5371 -> 2
    1,53711 -> 3

    usw.

    Aber auch hier sieht man, worauf das hinaus läuft:

    Das kann man beliebig lange so weiter machen und durchnummerieren ohne je bei 1,6 an zu kommen.

    Das bedeutet, die natürlichen Zahlen reichen nicht um die reellen Zahlen durch zu nummerieren. Oder anders gesagt: Es muss mehr reelle Zahlen geben als natürliche Zahlen. Und das obwohl beide Mengen unendlich groß sind.

    Klingt seltsam. Ist aber so.

  11. #11 Thomas
    15. März 2022

    Also ich steh auf Mathemann:

  12. #12 Bbr
    Niedersachsen
    15. März 2022

    @ PDP10: Die konstruierten Zahlen 1,537; 1,5371; 1,53711 usw. sind alle rational. Und rationale Zahlen lassen sich sehr wohl abzählen (Cantors erstes Diagonalargument). So kann man also nicht zeigen, dass die reellen Zahlen mächtiger als die natürlichen sind.

  13. #13 PDP10
    15. März 2022

    @Bbr:

    sind alle rational.

    Nein, sind sie nicht. Wenn ich sage, sie sind reell, dann sind sie das 😉

    Aber in gewisser Weise hast du recht. Ich war schlicht zu faul, mir ein Beispiel mit einer irrationalen Zahl aus zu denken… Fällt dir was passendes ein?

  14. #14 hwied
    16. März 2022

    Man muss sich klar machen oder besser gesagt, festlegen, was eine Zahl ist , und was eine Zahl nicht ist.

    Naiv, eine Zahl beschreibt eine Menge, die abzählbar ist. Zahl und zählen, so beginnt es.
    Bei der Null wird es schon kritisch, da gibt es nichts mehr zum Zählen.
    Also nehmen wir die Zahl als Ergebnis einer Rechenoperation.
    Um nicht zu langweilen……

    Dann sind wir bei der Darstellung einer Zahl.
    Zahlen kann man auch grafisch darstellen. Die Wurzel aus 2 ist die Diagonale eines Quadrates mit der Seitenlänge 1. Mit Zahlen ist die nicht mehr vollständig darstellbar. Schon verrückt !

  15. #15 Christian Berger
    17. März 2022

    Oh ja Mathemann ist toll. Es gibt davon auch eine US-Version namens “He-Man”. Allerdings geht es, zumindest in seinem Kinofilm, nicht um Chemie.

  16. #16 C
    17. März 2022

    @PDP10

    Der Punkt ist, dass dein Argument falsch ist. Nur weil du mit der Aufzählung beliebig nahe an 1,6 herankommst ohne es zu erreichen, heißt das nicht, dass deine Aufzählung überabzählbar ist– solange deine Zahlen noch endliche Expansion haben, sind sie rational. Die Menge der rationalen Zahlen ist dicht (zwischen zwei Zahlen liegen unendlich viele weitere), aber immer noch abzählbar.

  17. #17 Captain E.
    17. März 2022

    Nun ja, genau so ist es. Solange ein Dezimalbruch noch irgendwo abbricht, muss er eine rationale Zahl sein. Im Beispiel von PDP10 wären das etwa:

    1537 / 1000
    15371 / 10000
    153711 / 100000

    Und natürlich sind nicht-abbrechende Dezimalbrüche nicht unbedingt nicht-rational. Das beweist ja schon dieser Fall:

    1/3 = 0,3333333333333…, gesprochen also “Null Komma Periode Drei”. Der bricht nicht ab, ist aber trotzdem noch lange nicht nicht-rational.

    Aus meiner vorsichtigen Formulierung könnt ihr aber auch noch etwas anderes ablesen: PDP10 hat selbstverständlich damit recht, dass alle seine Beispielzahlen reelle waren. Denn logischerweise sind alle natürliche Zahlen zugleich auch ganze Zahlen, und beides sind rationale Zahlen, und letztlich sind alle reelle Zahlen.

    Im mathematischen Sinn sind aber natürliche, ganze und rationale Zahlen abzählbar. Die reellen Zahlen, die diese beinhalten, sind dagegen überabzählbar, und der Wechsel erfolgt beim Übergang zu den nicht-rationalen Zahlen. Die Begriffe “abzählbar” und “überabzählbar” stellen beide etwas unendliches dar, aber die Mächtigkeiten sind halt doch unterschiedlich. Da mag es noch so paradox erscheinen, dass eine unendliche Menge größer sein soll als eine andere unendliche Menge, aber genau so ist es.

  18. #18 pederm
    17. März 2022

    Das Problem taucht doch erst auf, wenn man versucht, die mathematische Begrifflichkeit ins Alltagverständliche zu übersetzen und dabei “groß” seine begriffliche Schärfe verliert. Überabzählbarkeit ist eine Eigenschaft unendlich großer Mengen, überabzählbare Mengen sind mächtiger (nicht größer) als abzählbare Mengen, wenn auch beide unendlich groß sind.

  19. #19 PDP10
    17. März 2022

    @C, Captain E.:

    Das weiß ich alles.

    Was mir noch immer fehlt, ist ein Beispiel nach dem Schema mit den natürlichen und geraden Zahlen das veranschaulicht, dass die reellen Zahlen “mehr” sind als die natürlichen Zahlen.

  20. #20 BBr
    Niedersachsen
    19. März 2022

    Cantors zweites Diagonalargument ist immer noch der anschaulichste und überzeugendste Beweis dafür, dass die reellen Zahlen mehr sind aus die natürlichen. Egal wie man die reellen Zahlen anordnet, es passen immer noch weitere Zahlen dazwischen.