Bevor der Tag der Arbeit kommt ist noch ein Tag Arbeit zu absolvieren und weil (wie mittlerweile schon oft erwähnt) meine Arbeit immer noch überhand nimmt, steht in meinem Blog sehr viel weniger als sonst. Was aber nicht ausfällt sind die monatlichen Buchempfehlungen. Ich habe im April zwei wirklich hervorragende Bücher gelesen auf die hinzuweisen ich nicht verzichten will.

Wunderbare Pflanzen

Pflanzen kriegen nicht die Aufmerksamkeit die ihnen zusteht. Im Vergleich zu den Tieren haben sie oft das nachsehen, was eigentlich unverständlich ist. Ok, Pflanzen stehen nur rum und Tiere können Menschen fressen oder niedlich aussehen. Aber gerade weil Pflanzen nur rumstehen können ist es um so erstaunlicher was sie alles zustande bringen. Um den Pflanzen den Ruhm zu bringen der ihnen zusteht, hat David Spencer das Buch “Alles bio – logisch?!: Die Superkräfte der Pflanzen nutzen, klimafreundliches Gemüse essen und die Welt retten” geschrieben. Manche kennen den Autor vielleicht von seinem (sehr empfehlenswerten) Podcast “Krautnah”. Er ist aber auch Biologie und forscht an der RWTH Aachen über Krankheitsresistenzen in Kulturpflanzen. Um die geht es auch in seinem Buch, wie man ja auch schon am Titel erkennen kann. Es geht um all die Pflanzen die wir so essen und was wir tun können, damit wir auch in Zukunft noch genug Pflanzen zu essen haben (und eine Welt, auf der wir das tun können).

Und wer sich denkt “Ach, schon wieder ein Buch in dem man mich zum Veganismus bekehren will”, sollte erst recht mit der Lektüre anfangen! Denn erstens geht es darum gar nicht. Und zweitens wird man beim Lesen kaum anders können als Appetit zu bekommen. Jedes Kapitel beginnt mit einem Rezept und anhand der Zutaten darin erklärt David Spencer warum die Pflanzen so viel mehr können als wir glauben. Dabei ist das Buch keine Einführung in die Botanik. Ein paar Grundlagen erfährt man natürlich schon, aber es geht vor allem um die Beziehung zwischen Menschen und Pflanzen. Welche Pflanzen bauen wir an und warum tun wir das? WIE tun wir das und wie könnten wir es besser, nachhaltiger und klimafreundlicher tun? Wie kann man selbst im eigenen Garten vernünftige Nutzplanzen ziehen? Wie lässt sich die Landwirtschaft so umgestalten, dass trotzdem alle Menschen satt werden ohne dabei die Umwelt zu zerstören? Und so weiter: Die Mischung aus globalen Themen und dem eigenen Alltag in Garten und auf dem Teller macht das Buch enorm abwechslungsreich. Dazu kommt der Witz und der unterhaltsame Stil in dem es geschrieben ist und die absolut wunderbar schlechten Wortspiele die jedes Kapitel einleiten (und die man auch schon aus dem Podcast kennt).

Lest das Buch! Und wer immer noch denken sollte, dass Pflanzen langweilig sind und Pflanzen zu essen noch viel langweiliger ist, kriegt zum Abschluss noch einen kurzen Fun-Fact aus dem Buch. 30 Pflanzenarten decken 95 Prozent des weltweiten Kalorienbedarfs; da steckt tatsächlich wenig Vielfalt drin. Immerhin 150 Pflanzenarten werden aber auf der Welt in einem landwirtschaftlich relevanten Umfang angebaut – was bedeutet dass wir die meisten davon nie auf dem Teller kriegen. Vor allem wenn man bedenkt, dass es 7000 Pflanzenarten gibt, die auf die eine oder andere Weise genutzt werden. Und selbst das ist noch nicht das Ende: Es gibt insgesamt circa 30.000 Pflanzenarten die wir prinzipiell essen könnten. Wir schränken uns bei unserer Ernährung also auf ein Promille des Möglichen ein. Da draußen wartet noch jede Menge Vielfalt auf uns!

Die Faszination des Ü-Ei Warnhinweises

Das Buch “The Babel Message” von Keith Kahn-Harris gehört zu meinen absoluten Favoriten. Er hat ein Buch geschrieben, dass so wunderbar ist, dass ich mir wünsche, ich hätte selbst die Idee dazu gehabt. Zum Glück hab ich sie aber nicht gehabt, denn dann wäre ich vermutlich sehr frustriert gewesen, weil ich das Buch nicht hätte schreiben können. Es geht darum um Sprachwissenschaft und zwar auf eine Art und Weise, die auf den ersten Blick völlig verrückt klingt, es aber definitiv nicht ist.

Alle kennen die Kinder-Überraschungseier. Zuerst isst man die Schokolade, dann packt man das Spielzeug aus, baut es zusammen und den komischen Beipackzettel wirft man weg. So machen es alle, bis auf Kahn-Harris. Er hat das getan, was auf diesem Zettel ganz zu Beginn steht, nämlich “Lesen und Aufbewahren” und hat ein Buch darüber geschrieben.

Ja, kein Witz. “The Babel Message” ist ein Buch über den Warnhinweiszettel der Überraschungseier. Die winzigen Zettel auf denen in noch winzigerer Schrift zu lesen ist “Lesen und aufbewahren: WARNHINWEIS! Nicht für Kinder unter 3 Jahren geeignet, da Spielzeug oder Kleinteile verschluckt oder eingeatmet werden können.”

Das zumindest ist die deutsche Version des Warnhinweises. Man findet dort aber noch jede Menge andere Sprachen und wenn man den Zettel nicht weggeworfen hat, kann man sich hier schon mal die ersten Fragen stellen: Warum stehen dort genau die Sprachen drauf und nicht irgendwelche anderen? Warum ist der Hinweis zweimal auf chinesisch zu lesen aber nicht auf indisch? Warum findet man eine serbische Version aber keine bosnische? Kahn-Harris hat sich diesen Zettel mit einer Aufmerksamkeit angesehen, die höchst beeindruckend ist. Er nimmt das unscheinbare Stück Papier mit seiner höchst bürokratischen und maximal langweiligen Botschaft und schreibt darüber ein Buch das die grandiose Vielfalt und Schönheit der menschlichen Sprache feiert. Im Laufe der Lektüre lernt man nicht nur mehr über diesen Zettel als man je gedacht hätte das man lernen kann. Man erfährt, was es eigentlich heißt, eine Botschaft zu übersetzen. Kann der simple Warnhinweis in jede beliebige Sprache übertragen werden? Oder gibt es Sprachen bei denen das nicht funktioniert und warum? Warum gibt es überhaupt Unterschiede in den Übersetzungen? Kahn-Harris erzählt vom Zusammenhang zwischen Sprache und Schrift, zwischen Politik und Sprachidentität. Er probiert, die Botschaft in Sprache zu übersetzen die nicht auf dem Zettel stehen und in Sprachen, die schon längst nicht mehr gesprochen werden. Er erfindet sogar selbst eine Sprache und in jedem Kapitel ist man aufs neue fasziniert von der Absurdität des Themas und der Faszination die Kahn-Harris darin findet und an die Leserschaft vermitteln kann.

“The Babel Message” ist das beste Buch über die Sprache das ich bis jetzt gelesen habe. Und ihr solltet es auch lesen! (und wer zuvor noch mehr wissen will, kann einen Blick auf Kahn-Harris’ Homepage werfen).

Was ich sonst noch so gelesen habe:

Ansonsten bin ich weiter dabei, mich durch den Foundation-Zyklus zu arbeiten. Nachdem ich ja schon im Januar und Februar die ersten drei Bände gelesen habe und Teil 4 im März, steht momentan Teil 5 auf der Liste. Der heißt auf deutsch “Die Rückkehr zur Erde” (im Original “Foundation and Earth”) was ein bisschen ein Spoiler ist. Der Titel von Teil 4 war ja “Die Suche nach der Erde” und man kann sich jetzt schon denken, wie die Sache ausgeht. Halbwegs spannend ist die Serie immer noch; sie ist allerdings stellenweise immer noch ein wenig antiquiert und in einem Weltbild der 1950er Jahre verhaftet, was überraschend ist, da dieser Teil der Serie erst 1986 erschienen ist. Aber na ja, Asimov wird beim Schreiben seiner Bücher über die Zukunft nicht anders gekonnt haben als in seiner eigenen Vergangenheit zu leben. Ich werde auf jeden Fall schauen, wie die Sache ausgeht.

Was noch kommt

Schauen wir mal, was mir im Mai an Lektüre in die Hände fällt. So oder so werdet ihr davon hier lesen. Bis dann!

Die Links zu den Bücher sind Amazon-Affiliate-Links. Beim Anklicken werden keine persönlichen Daten übertragen.

Kommentare (4)

  1. #1 rolak
    30. April 2022

    Die BabelBotschaft klingt extrem neugiererweckend – huch, da ist mir doch glatt ne Bestellung rausgerutscht^^ Das erwählte Gebrauchte für ⅔Neupreis ist aber nicht Deines gewesen, oder, Florian?

    Fröhlichen Tanz um den Brei (oder was auch immer heute abend stattfindet)!

  2. #2 Peer
    30. April 2022

    Stimmt, Pflanzenbücher haben immer ein bisschen das Nachsehen (außer vielleicht “Das geheime Leben der Bäume”).. Wenn das Buch ähnlich gut ist, wie “Vier Fische”, dann schaue ich mir das näher an. Das Überraschungsei-Buch ist aber auf jeden Fall super-interessant!

    Ich habe (Corona-Infektion sei “Dank”) ziemlich viel gelesen und würde vor allem zwei Bücher empfehlen: The girl in the glass von Jeffrey Ford ist eine Art Pulp-Krimi, der aber sehr cool ist, denn die “Ermittler” sind “Carnies”, also die von den Sideshows in den USA (ich weiß nicht, was die DEutsche Entsprechung wären). Sie führen “Seancen” durch, um Leute abzuziehen und dabei stolpern sie über einen Krimifall. Es gibt nichts übernatürliches in dem Buch, aber die ganzen Zaubertrickts und Betrügereien, mit denen sie der Sache auf den Grund gehen, sind schon cool. Und der Still fängt die Athmosphäre m.E. sehr gut ein. Leider nur auf englisch.

    Das zweite Buch ist Urmeer von Dagmar Röhrlich und bei marewissen erschienen. Mir hat von ihr schon Tiefsee außerordentlich gut gefallen, dennoch habe ich lange mit Urmeer gewartet. Ich dachte ich wüsste da schon viel. Tja, falsch gedacht! Was in Dinosaurierbüchern oft nur in 2- Doppelseiten abgehandelt wird, ist hier Bestandteil des Buches, nämlich die Entwicklung des Lebens in den Meeren. Sehr faszinieren dund detaillreich, auch wenn natürlich auch recht lang (Es gab viele “Neustarts”, die ausführlich beschrieben werden). Ich habe viel gelernt! Außerdem sieht das Buch auch einfach toll aus und ist gut illustriert.

  3. #3 Falk
    2. Mai 2022

    Interessante Empfehlungen, vielen Dank!

    Zur Pflanzen (u.a.) verweise ich gerne mal wieder auf die Naturkunden-Reihe.

    Ansonsten von meiner Seite Empfehlenswertes aus April:
    – Barry Hughart – Die Brücke der Vögel – Roman aus einem alten China, das es nie gegeben hat (und man ihn deshalb lesen sollte)
    – Juli Zeh – Über Menschen (nicht wirklich ein Corona-Roman und ja, ist gut lesbar)

  4. #4 Hans
    Wien
    13. Mai 2022

    Irgendwie sympathisch finde ich den Tippfehler beim Tschechisch am Cover des Babel Message. Kann das Absicht sein, gibt es noch weitere? Sprachverwirrung sei Dank, die durch das Spiraldesign sogar bildlich ausgedrückt wird, findet man Fehler ja noch schwerer. Könnte Lektüre für den nächsten Urlaub werden, Danke!