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Sternengeschichten Folge 502: Der Weg der Erde durch das Universum

Ich weiß nicht, was ihr gerade so treibt. Vielleicht geht ihr in diesem Moment gerade spazieren. Oder joggt vielleicht auch durch die Gegend. Oder sitzt auf dem Fahrrad, im Zug oder im Auto. Vielleicht bewegt ihr euch auch gar nicht, sondern liegt im Bett? Aber egal was ihr im Moment gerade tut: ihr könnt euch sicher sein, dass ihr euch trotzdem sehr schnell und über gigantische Distanzen hinweg bewegt, auch wenn euch das gerade gar nicht so vorkommen mag.

Dass die Erde ein Planet ist und sich um die Sonne herum bewegt, ist keine neue Erkenntnis. Allerdings auch keine wirklich alte. Es hat bis ins 16. Jahrhundert gedauert, bevor allgemein akzeptiert worden ist, dass die Erde sich tatsächlich bewegt. Und man kann es den Menschen auch nicht verdenken, dass sie so lange davon überzeugt waren, dass die Erde still im Mittelpunkt des Universums steht und sich alles um uns herum bewegt. Denn genau so sieht es ja auch aus! Wir sehen, wie die Sonne auf- und untergeht. Wir sehen, wie sie sich über den Himmel bewegt, wie die Sterne sich um die Erde drehen, und so weiter. Außerdem fühlt es sich definitiv nicht so an, als würde sich die Erde bewegen; wir spüren nix. Dass das, was wir sehen, immer nur eine scheinbare Bewegung ist, weil sich in Wahrheit die Erde eben doch bewegt: Das ist nicht offensichtlich und es hat diverse Geistesblitze und konkrete astronomische Beobachtungen gebraucht, bis wir es verstanden haben.

Und wenn man ein wenig genauer darüber nachdenkt, dann findet man jede Menge Arten von Bewegung, von denen wir eigentlich gar nichts mitbekommen. Ignorieren wir mal die Sonne, die Sterne und den ganzen Rest da draußen und schauen nur auf die Erde. Selbst wenn wir sehr faul sind und uns konsequent nicht bewegen, kommen wir dennoch voran. Sehr langsam zwar, aber trotzdem und zwar dank der Plattentektonik. Die großen Bruchstücke aus denen die Erdkruste besteht, bewegen sich. Unterschiedlich schnell und in unterschiedliche Richtungen; sie tauchen an bestimmten Stellen hinab in den Erdmantel wo sie aufgeschmolzen werden. An anderen Stellen tritt geschmolzenes Material aus dem Erdinneren an die Oberfläche und schiebt die Platten weiter. Manche Platten kollidieren und an diesen Stellen falten sich gewaltige Gebirge auf. Ab und zu löst sich spontan ein bisschen was von der ganzen Spannung die bei dem Hin und Her der Platten entsteht und das können wir dann durchaus auch sehr intensiv spüren und zwar als Erdbeben. Aber selbst wenn man sowas ignoriert bleibt immer noch die langsame Bewegung der Kontinentaldrift. Ein paar Millimeter bis Zentimeter pro Jahr, ungefähr so schnell wie menschliche Fingernägel wachsen.

Ohne Tektonik geht nix! (Bild: NOAA, public domain)

Wer sich auf der Eurasischen Platte befindet, also dem Teil der Erdkruste, der ganz Europa und fast ganz Asien umfasst, wird von ihr zwischen 7 und 14 Millimeter pro Jahr Richtung Südosten transportiert. Das ist noch nicht so viel, aber wir haben ja erst angefangen. Nicht nur die Erdoberfläche ist in Bewegung; die ganze Erde rotiert um ihre Achse. Das tut sie bekanntlich einmal in 24 Stunden und wenn man das weiß, kann man leicht ausrechnen, wie schnell man sich aufgrund dieser Tatsache bewegt. Auch hier kommt es aber darauf an, wo auf der Erde man sich befindet. Stellt euch vor, ihr sitzt gerade am Äquator. In 24 Stunden hat euch die Erde einmal komplett herum gedreht und ihr habt eine Strecke von 40.075 Kilometer zurück gelegt, denn genau so lang ist der Äquator der Erde. 40.075 Kilometer in 24 Stunden, das sind 1670 Kilometer pro Stunde! Aber höchstwahrscheinlich befindet ihr euch gerade nicht am Äquator und dann seid ihr langsamer unterwegs. Solltet ihr überraschenderweise gerade exakt am Nord- oder Südpol sein, dann nutzt euch die Erdrotation bei eurer Bewegung gar nichts. Ihr dreht euch dann in 24 Stunden nur einmal um eure Achse, legt aber keine zusätzliche Strecke zurück, weil ihr ja genau dort steht, wo sich auch die Rotationsachse der Erde befindet. Gut, die meisten werden sich gerade vermutlich irgendwo zwischen Äquator und Pol aufhalten und da kriegt man durch die Rotation unseres Planeten eine Geschwindigkeit mit, die irgendwo zwischen 0 und 1670 Kilometer pro Stunde liegt. Kann man auch leicht ausrechnen; einfach den Cosinus der geografischen Breite berechnen an der man sich gerade befindet und das mit der Maximalgeschwindigkeit von 1670 Kilometer pro Stunde multiplizieren. Bei einer geografischen Breite von 52 Grad etwa, also auf der Höhe von Berlin, sind es gut 1028 km/h mit denen man von der Erde herumgedreht wird. Weiter südlich, auf 48 Grad, also dort wo sich Wien befindet, ist man mit 1117 km/h schon ein wenig schneller unterwegs.

Plattentektonik und Erdrotation: Damit kommt man schon ein Stückchen weit. Aber die Erde selbst steht ja auch nicht still, sie bewegt sich um die Sonne herum. Pro Jahr legt sie einen näherungsweisen Kreis mit einem Umfang von 942 Millionen Kilometer zurück. Oder, wenn man das eine durch das andere teilt: Sie ist mit einer Geschwindigkeit von gut 107.500 km/h unterwegs. Das sind immerhin 30 Kilometer pro Sekunde mit denen jeder von uns durch den Weltraum saust, ohne das man sich dafür anstrengen muss. Das ist natürlich ein Näherungswert; die Bahn der Erde um die Sonne ist kein exakter Kreis (darüber habe ich in Folge 500 ausführlicher gesprochen); sie bewegt sich entlang einer Ellipse und ist der Sonne mal ein wenig näher und mal ein wenig weiter weg. Ist sie der Sonne nahe, ist die Erde schneller; weiter weg ist sie langsamer. Der Unterschied ist aber gering; die Geschwindigkeit schwankt zwischen 29,3 und 30,2 Kilometer pro Sekunde.

Damit sind wir aber noch lange nicht durch. Denn auch die Sonne bewegt sich; durch die Milchstraße hindurch. Aber nicht so wie ein Planet um einen Stern herum. In erster Näherung kann man sich das durchaus so vorstellen; wenn man genauer hinschaut ist das Bild aber komplizierter. Denn in einem Planetensystem ist der absolut überwiegende Teil der Masse im zentralen Stern konzentriert; die Planeten sind alle viel, viel leichter und der Stern dominiert quasi die Bewegung alleine. Im Zentrum einer Galaxie wie unserer Milchstraße sitzt zwar auch immer ein sehr massereiches schwarzes Loch. Aber das ist bei weitem nicht so dominant. Die Milchstraße hat zum Beispiel ein schwarzes Loch mit einer Masse von circa 4 Millionen Sonnenmassen. Das ist viel – aber da sind ja noch circa 200 Milliarden Sterne, die zusammen, sehr vereinfacht gerechnet, dann auch 200 Milliarden Sonnenmassen haben. Und dann sind da noch die ganzen Gaswolken, der ganze Staub, die dunkle Materie, und so weiter. Und weil in einer Galaxie die Masse eben nicht im Zentrum konzentriert ist, folgen die Sterne auch keinen simplen Bahnen um das Zentrum herum. Die Sonne zum Beispiel bewegt sich zwar schon mehr oder weniger um das galaktische Zentrum herum. Ihre Bahn ist aber ein wenig wackelig, sie bewegt sich auch auf und ab, soll heißen, dass sie sich ein paar Millionen Jahre lang über der mittleren galaktischen Ebene bewegt, also der Ebene, in der sich die Spiralarme befinden und dann wieder ein paar Millionen Jahre lang darunter. Sie braucht ungefähr 240 Millionen Jahre für eine Runde und bewegt sich aktuell mit einer Geschwindigkeit von 792.000 km/h beziehungsweise mit 220 Kilometer pro Sekunde.

Die Ebene in der sich die Planeten um die Sonne bewegen ist übrigens um gut 60 Grad gegenüber der Ebene geneigt, in der sich die Sonne durch die Milchstraße bewegt. Was keinen besonderen physikalischen Grund hat, sondern reiner Zufall ist; die Ebene in der sich Planeten um einen Stern herum bewegen, bildet sich zufällig aus den chaotischen Vorgängen heraus, die bei der Entstehung von Planeten ablaufen.

Jetzt können wir natürlich auch noch schauen, wie sich die Milchstraße selbst bewegt. Was sie natürlich tut! Wir sind Teil einer großen Gruppe von Galaxien, der Lokalen Gruppe, von der ich in Folge 371 mehr erzählt habe. Und die Lokale Gruppe gehört zum Virgosuperhaufen, zu dem noch ganz viele andere Galaxiengruppen gehören. Und der Virgosuperhaufen selbst ist wieder Teil von größeren Strukturen. Und alles bewegt sich – und jetzt wird es ein wenig schwierig mit der Angabe von Geschwindigkeiten. Denn das macht ja nur Sinn, wenn man sie in Bezug auf etwas anderes angibt. Und auf den ganz großen Skalen gehen einem irgendwann die Bezugspunkte aus. Aber wenn man die fernsten Strukturen nimmt, dann bewegt sich die Milchstraße in Bezug auf sie mit circa 2,3 Millionen km/h beziehungsweise mit 630 Kilometer pro Sekunde.

Man kommt auch auf dem Sofa rum (Bild: gemeinfrei

Man kommt also ganz schön rum; selbst wann man nur faul auf dem Sofa sitzt oder im Bett liegt. Wenn diese Folge der Sternengeschichten zu Ende sein wird, dann wird euch die Plattentekonik ganze 200 Nanometer weit transportiert haben, gemessen vom Start des Intros. Die Erdrotation hat euch 207 Kilometer weit gebracht (zumindest wenn ihr euch auf einer geografischen Breite von 45 Grad befindet). Mit der Erde werdet ihr 18.900 Kilometer weit um die Sonne gereist sein und mit der Sonne 139.000 Kilometer durch die Milchstraße. Und die ganze Galaxis ist mit euch während dieser Folge 396.000 Kilometer weit durch den Kosmos geflogen.

Natürlich kann man diese Zahlen nicht einfach alle addieren; die einzelnen Bewegungen verlaufen nicht alle in die selbe Richtung. Aber wenn man sie zusammenzählt, dann kommt man auch weit über eine halbe Million Kilometer. Gar nicht so schlecht für eine Folge Sternengeschichten!

Kommentare (11)

  1. #1 Heino Wedig
    Eckernförde
    15. Juli 2022

    Danke für die Info. Also
    1 Astronomische Einheit = 300 Sternengeschichten
    d.h. du hast uns mit deinen Sternengeschichten schon 1,66 AI weit gebracht. Tolle Leistung.

  2. #2 Bluesze
    Internet
    16. Juli 2022

    Bei 1600 km/h würde man rein intuitiv annehmen, dass die Fliehkraft spürbar sein müsste.

  3. #3 PDP10
    17. Juli 2022

    @Bluesze:

    Bei 1600 km/h würde man rein intuitiv annehmen, dass die Fliehkraft spürbar sein müsste.

    Naja. Du kannst ja mal ein Experiment machen.

    Beispielsweise indem du zu einer Destination nahe oder auf dem Äquator reist (Du kannst den Äquator nicht verfehlen. Man erkennt ihn an der großen, gepunkteten Linie.) und dich dann wiegst. Wenn du plötzlich viel, viel leichter bist, wird das sicher an der Fliehkraft liegen.

  4. #4 Kyllyeti
    17. Juli 2022

    @PDP10

    Man erkennt ihn an der großen, gepunkteten Linie

    Das war einmal.
    Inzwischen haben eine Meute von Souvenirjägern und eifrigen Geschäftemachern nur noch kümmerliche Reste davon übrig gelassen.
    (Das ist in etwa vergleichbar mit dem Schicksal der Berliner Mauer.)

  5. #5 rolak
    17. Juli 2022

    Experiment machen

    ‘messbar’ und ‘spürbar’ sind zwei paar Stiefel.

    Ersteres weist beim Wechsel vom Pol zum Äquator wg der Änderung des Abstandes zum Erdmittelpunkt und der Fliehkraft ca ein halbes Prozent Gewichtsänderung nach. Für letzteres ist bekanntermaßen nicht die Bahn-, sondern die Winkel-Geschwindigkeit ein gut korrelierender Hilfswert – und die ist am Äquator brachial winzig, selbst verglichen mit Kleinkind auf BobbyCar im Innenhof. Entspricht eher der einer durchtrainierten RennSchnecke (4,2m/h) auf einer Kreisbahn mit 32m Durchmesser und da kann man sehen, daß man da nichts spüren kann…

  6. #6 Herr Jeorling
    Berlin
    17. Juli 2022

    Danke! Ein Hoch auf Buckminster Fuller „Wir sind alle Astronauten auf dem Raumschiff Erde“

  7. #7 PDP10
    17. Juli 2022

    @rolak:

    ca ein halbes Prozent Gewichtsänderung nach

    Naja. Zum Gewicht verlieren ist das jetzt nicht so dolle. Nichtmal ein Gürtellöchlein würde ich annehmen. Also kein Umzug an den Äquator sondern doch besser weniger Bier und Schnitzel.

    sondern die Winkel-Geschwindigkeit ein gut korrelierender Hilfswert – und die ist am Äquator brachial winzig,

    Abgesehen davon, dass die Winkel-Geschwindigkeit unabhängig vom Breitengrad immer die gleiche ist, finde ich es trotzdem nicht unbeeindruckend, dass wir auch hier im Rheinland den ganzen Tag immerhin noch mit ungefähr Schallgeschwindigkeit um einen imaginären Punkt (auf einer Achse) kreisen. Und ich kann Karussell-Fahren sonst so gar nicht ab!

  8. #8 rolak
    18. Juli 2022

    unabhängig vom Breitengrad

    Hmm, da weiß ich nicht 100%ig, obs gestern morgen schon beim Formulieren oder doch nur bei Tippen klemmte – gemeint war selbstverständlich ein ‘auch am Äquator’ im Sinne von ‘trotz der so hohen Geschwindigkeit’.

    sonst so gar nicht

    Daran kann man ja schon spüren, daß man es nicht spüren kann…

  9. #9 noch'n Flo
    Schoggiland
    18. Juli 2022

    Und so kann man selbst beim Hören eines Podcasts reisekrank werden.

  10. #10 Bullet
    18. Juli 2022

    @ Bluesze:

    Bei 1600 km/h würde man rein intuitiv annehmen, dass die Fliehkraft spürbar sein müsste.

    Wieso?
    Ein Kettenkarussell wie der Praterturm in Wien dreht sich bei einem Radius von 18 m und einer Umlaufgeschwindigkeit von 60 km/h [=16,6 m/s] (danke, Wikipedia) in 3,6 Sekunden einmal um die Mittelachse. Im Sitz ist ein Mensch der Masse 70 kg einer Fliehkraft von etwa 1070 N ausgesetzt. (Das heißt aber nicht, daß sich ein Mensch in diesem Kettenkarussell so fühlt, als würde ihm ein 100-kg-Sack auf dem Bauch liegen. Der Großteil der Kraft wird dazu “verwendet”, um den Sitz nach außen zu schieben.)

    Dieselbe Rechnung kann ich mit der Erde anstellen:
    Umlaufgeschwindigkeit 1600 km/h [= 444,4 m/s], 86400 s. Die resultierende Kraft beträgt 2,16 N.
    2,16 N werden erreicht, wenn du dir eine Alu-Tüte Capri-Sonne auf den Kopf legst.
    Und jetzt der Witz:
    Wenn das Kettenkarussell aus abgedichteten Kabinen ohne Fenster bestünde, würdest du selbst diese Bewegung nicht spüren. Es würde vielleicht ein wenig rütteln, als würdest du mit einer Garteneisenbahn fahren – aber die Geschwindigkeit? Woher soll man die spüren können? Hast du jemals die Geschwindigkeit im Inneren eines Verkehrsflugzeuges gespürt?

    So uralte, schon hundertmal in den Boden gestampfte Flacherdler-“Fragen” …

  11. #11 PDP10
    24. Juli 2022

    @Bullet:

    So uralte, schon hundertmal in den Boden gestampfte Flacherdler-“Fragen”

    Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass die Frage von Bluesze eine “Flacherdler” Frage war.

    Meine Antwort war nur ein Spasseken, weil ich unbedingt mal die Nummer mit dem Äquator, den man sehen kann anbringen wollte und weil ich sehr bezweifele, dass die Fliehkraft am Äquator “spürbar” ist. Höchstens “messbar”, wie rolak ja schon ausgeführt hat.

    Das war nicht als persönlicher Angriff auf Bluesze gemeint.