Der August ist zu Ende; der meteorologische Sommer mit heute ebenfalls. Aber keine Sorge; der astronomische Sommer geht noch ein wenig weiter und die Klimakrise wird auch im Herbst und Winter noch für hohe Temperaturen sorgen. Mit dem Klima beschäftigen sich auch ein paar der Bücher, die ich im August gelesen habe und die ich wie immer am Monatsende vorstellen möchte.

Kein Weltuntergang

Die Top-Empfehlung für den August (und ganz allgemein für jeden Zeitpunkt ) ist “Weltuntergang fällt aus: Warum die Wende der Klimakrise viel einfacher ist, als die meisten denken, und was jetzt zu tun ist” von Jan Hegenberg. Den kennen einige vielleicht von seinem Blog Graslutscher und seinen informativen und unterhaltsamen Analysen des diversen Quatsch der zu Themen wie Ernährung oder Mobilität in den Medien auftaucht. Jetzt hat Jan Hegenberg ein Buch geschrieben und es ist ein Buch, das ganz dringend gelesen werden sollte.

Wenn man sich ausführlich mit der Klimakrise beschäftigt, dann kann man schon mal ein wenig schlechte Laune kriegen. Ich kann das aus eigener Erfahrung bestätigen; immerhin mache ich ja seit über einem Jahr den Podcast “Das Klima”, in dem ich gemeinsam mit der Meteorologin Claudia Frick den kompletten, gut 10.000 Seiten langen Sachstandsbericht des Weltklimarats lese. Da steht alles drin, was die Wissenschaft über die Klimakrise und ihre Folgen zu sagen hat und das ist eher deprimierend. Durchaus zu recht; die Lage IST ernst und die Situation IST deprimierend. Aber man darf sich davon nicht unterkriegen lassen, denn sonst wird sich nichts ändern. Und ändern muss sich etwas!

Was sich ändern kann: Genau das erklärt Jan Hegenberg in seinem Buch. Es geht darin nicht um irgendwelche Utopien oder eine Science-Fiction-Zukunft in der wir alle in Harmonie und Einklang mit der Natur leben. Das Buch ist äußerst konkret und der Realität verhaftet und bezieht gerade daraus seine visionäre Kraft. Hegenberg erklärt sehr verständlich, gut recherchiert und belegt durch jede Menge wissenschaftliche Quellen wie wir mit dem, was wir jetzt schon wissen die Welt so transformieren können, um in naher Zukunft tatsächlich klimaneutral zu sein. Wir müssen nicht auf irgendeine mysteriöse Zukunftstechnologie warten, die all unsere Probleme lösen wird. Alles was wir brauchen, haben wir schon. Was fehlt ist der Mut und Wille, dieses vorhandene Wissen auch umzusetzen.

Hegenberg konzentriert sich vor allem auf die Problematik der Energie und Mobilität. Wo kriegen wir unsere Energie her und wie bewegen wir uns fort, ohne dabei das Klima zu schädigen? Mit erneuerbaren Energie und nicht mehr mit privaten Autos, die fossile Brennstoffe tanken! Die Antworten selbst sind nicht überraschend; sie sind das, was Wissenschaft und Klimaschutz-Aktivist:innen schon seit Jahren sagen. Die Stärke von Hegenbergs Buch liegt darin, dass er sehr eindringlich aufzeigt, dass es auch tatsächlich möglich ist diese Ideen umzusetzen und dabei die üblichen Vorurteile ebenso verständlich entkräftet. Wir müssen die Wälder nicht abholzen, um überall Windräder aufzustellen. Es gibt keinen Grund, sich vor einer “Dunkelflaute” zu fürchten, bei der Sonnen- und Windenergie gleichzeitig für Wochen ausfallen. Wir müssen mit der Umstellung auf erneuerbare Energien nicht auf neue Speichertechniken warten. Die Rohstoffe für E-Autos sind nicht umweltschädlicher als die bei konventionellen PKWs. Und so weiter – Nach der Lektüre des Buches wird man feststellen, dass es nur einen Grund gibt, warum wir nicht längst damit angefangen haben, eine klimaneutrale Gesellschaft zu schaffen: Weil uns (und vor allem: Der Politik) der Mut dazu fehlt. Die das Buch abschließende Vision eines Tages im Jahr 2040 könnte uns vielleicht diesen Mut verleihen – sofern wir in der Lage sind, unsere Vorurteile abzulegen.

Lest das Buch! Vor allem dann, wenn ihr das Gefühl habt, dass man gegen diese ganze Klimakrise eh nix mehr unternehmen kann. “Weltuntergang fällt aus” ist das Gegenmittel gegen die – durchaus berechtigte – Angst vor der Klimazukunft.

Klimajournalismus

Auch das Buch “Medien in der Klimakrise”, das von der Initiave Klima vor acht herausgegeben worden ist, beschäftigt sich mit dem Klima. Und wie der Titel vermuten lässt, geht es um die mediale Darstellung der Krise. Es ist interessant, aber wer nicht selbst aktiv im Klimajournalismus tätig ist, wird damit eher wenig anfangen können. Die Texte der unterschiedlichen Autor:innen behandeln praktische Aspekte der Klimaberichterstattung und wenden sich daher eher an Journalist:innen und nicht so sehr an das mediale Publikum und die breite Öffentlichkeit. Thematisch ist das Buch naturgemäß divers, aber es dreht sich doch sehr häufig um das Problem der Darstellung der Klimakrise. Wie soll man die Krise medial darstellen? Ist es problematisch, wenn man sich auf die negativen Folgen des Klimawandels konzentriert? Und wenn ja, was kann man dagegen tun? Die Antwort, die sich durch alle Texte zieht lautet vereinfacht: Man soll nicht nur darüber berichten, was in Zukunft für Katastrophen auf uns warten. Sondern auch immer gleichzeitig konstruktive Lösungen aufzeigen. Das ist sicherlich richtig (siehe das, was ich gerade zum Buch von Jan Hegenberg geschrieben habe). Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich dieser These so vollumfänglich zustimme. Der Klimawandel IST die größte Krise der sich die Menschheit gegenüber sieht. Sie WIRD katastrophal werden, wenn wir nichts unternehmen und auch nicht angenehmen, wenn wir etwas tun (dann wird es nur weniger katastrophal als es sein könnte). Diese Situation muss korrekt dargestellt werden – und natürlich ebenso die notwendigen Anpassungs- und Vermeidungsmaßnahmen. Aber wenn man bei jedem Text der einen negativen Aspekt der Klimakrise behandelt auch immer gleich dazu schreibt “Keine Sorge, da können wir etwas tun”, führt das vielleicht dazu, dass niemand etwas tut, weil alle der Meinung sind, dass eh schon etwas getan wird. Oder auch nicht – ich bin kein Journalist und insofern nicht die richtige Person, um das einschätzen zu können. Interessant ist das Buch auf jeden Fall, wenn auch nicht für alle.

Das Wasser dieser Welt

Wer gerne wissen möchte, wie sich unser Wissen über das Klima im Laufe der Zeit entwickelt hat, sollte unbedingt das Buch “Waters of the World: the story of the scientists who unravelled the mysteries of our seas, glaciers, and atmosphere — and made the planet whole” von Sarah Dry. Der Titel erklärt schon, worum es geht. Ausgehend vom 18. Jahrhundert (circa) beschäftigt sich Dry mit den Forscherinnen und Forschern denen wir unser Wissen über das Wasser der Welt zu verdanken haben. Und das Wasser ist eine gute Klammer: Es geht um die Erforschung der Gletscher; um das Wasser in den Wolken und der Atmosphäre; die Bewegung der Ozeane und ihre Strömungen und damit um all das, was wir heute als “Klima” bezeichnen würden. Nur im Zusammenspiel von Atmosphäre, Ozeanen und der Kryosphäre (also all dem, was gefroren ist: Gletscher, Polarregionen, usw) kann man das Klima wirklich verstehen (und die Flüsse, Seen, Wälder etc gehören natürlich auch dazu).

Das Buch von Dry orientiert sich vor allem an den Personen, die dieses Wissen gewonnen haben. Manche davon kennt man vielleicht – John Tyndall zum Beispiel; manche eher nicht, wie Joanne Malkus Simpson, die erklärt hat, wie Wolken funktionieren oder Henry Stommel, der die Ozenaströmungen erklärt hat. “Waters of the World” ist aber auch voll mit Wissen über Meteorologie, Ozeanographie und jeder Menge anderer cooler Wissenschaft. Es ist ein hervorragendes Buch und zeigt, wie wir im Laufe der Zeit aus lauter Puzzlestücken ein umfassendes Bild über unseren Planeten gewonnen haben.

Was ich sonst noch gelesen habe:

  • “The Left Hand of Darkness” (auf deutsch: “Die linke Hand der Dunkelheit”) von Ursula K. Le Guin. Diesen Klassiker der Science Fiction habe ich viel zu lange nicht gelesen und ich bin froh, dass ich das jetzt endlich nachgeholt habe. “Die linke Hand der Dunkelheit” ist zu recht ein Klassiker; es ist Science Fiction die nicht nur anspruchsvoll UND spannend ist (das ist schon selten genug) sondern auch noch absolut originell. Das Setting der von Menschen besiedelten Planeten, deren Kolonisation schon so lange her ist, dass sie andere Menschen von anderen Planeten als “Aliens” betrachten ist super. Und die spezielle Situation in diese Buch mit den aufgelösten Geschlechterrollen und den sich daraus ergebenden soziologischen Konsequenzen macht das Buch absolut lesenswert.
  • “The Word for World is Forest” (auf deutsch: “Das Wort für Welt ist Wald”) von Ursula K. Le Guin. Und deswegen habe ich gleich den nächsten Klassiker von Le Guin gelesen. Diese Novelle ist ebenfalls absolut lesenswert. Die Parallelen zu “Avatar” sind unverkennbar; die Story von Le Guin (die natürlich lange vor dem Film da war) unterscheidet sich aber doch weit genug, so dass man sie mit Gewinn lesen kann, auch wenn man den Kinofilm schon geht.
  • “Ein Sommer in Niendorf” von Heinz Strunk. Ich hab das Gefühl, dass Heinz Strunk als Autor ein wenig unterschätzt wird. Klar, in seinen Büchern geht es um kaputte Gestalten, um derbe, lustige Begebenheiten. Aber seine Bücher sind weit mehr als nur “Unterhaltung”. Unter der Fassade der Säufer und Proleten passiert einiges. “Ein Sommer in Niendorf” hat mir von allen seinen Büchern bis jetzt am besten gefallen. Ein auf den ersten Blick erfolgreicher Jurist macht Urlaub in einem öden Ressort an der Ostsee. Dort will er seine Familiengeschichte aufschreiben; mit der Hoffnung einen Beststeller zu verfassen. Aber der typische Strunksche Wirbel aus Alkoholismus, Depression und menschlichen Abgründen fängt den Juristen schnell ein; das Scheitern des Schreibens öffnet den Blick auf das schon längst gescheiterte Leben und am Ende verschwimmt alles in der geistlosen Ödheit des Untergangs.
  • “Der goldene Handschuh” von Heinz Strunk. Auch dieses Buch ist hervorragend; in seiner Grausamkeit aber mit Vorsicht zu genießen. Wenn jemand in der Lage ist, den Verfall eines Menschen so eindringlich zu beschreiben wie in diesem Fall, dann Heinz Strunk. Wenn es noch dazu um einen realen Massenmörder – Fritz Honka – geht, dann ist nicht mit Feel-Good-Lektüre zu rechnen. Lesenswert ist das Buch aber allemal.

Das war die Lektüre im August. Im September wird es wieder neue Bücher geben; unter anderem eines an dem ich mitgeschrieben habe. Aber dazu in Kürze mehr!

Die Links zu den Bücher sind Amazon-Affiliate-Links. Beim Anklicken werden keine persönlichen Daten übertragen.

Kommentare (2)

  1. #1 rolak
    31. August 2022

    Zu den Büchern von LeGuin: die Empfehlung unterstütze ich kraftvoll. Die waren unzweifelhaft unter den beeindruckendsten SciFi-Neuerscheinungen hierzulande 1974 (Die linke Hand der Dunkelheit hieß damals noch ‘Winterplanet’), 1975 (WWW) und 1976 (The Disposessed / Planet der Habenichtse) – und haben für mich nichts von ihrer Attraktivität verloren.

  2. #2 Christian
    Hannover
    27. September 2022

    Hi,

    vielen Dank für deine vielen tollen SciFi-Empfehlungen. LeGuin habe ich leider noch nicht gelesen, will ich aber bald machen. Zuletzt habe ich auf Empfehlung von dir “Die Zeitpatrouille” von Silverberg gelesen und ich fand es phantastisch. Die vielen Zirkelschlüsse über das Zeitreisen und wie der Autor damit umgeht, waren grandios. Ich musste die ganze Zeit an Janeway denken, der Hassfach auf der Sternenflottenakademie wohl “Temporale Mechanik” war, weil ihr die ganzen Paradoxien Kopfzerbrechen bereitet haben. Vielen Dank für die Empfehlung.

    Hast du dir eigentlich schon die Bücher von “The Expanse” gelesen, z.B. den 1. Band ‘Leviathan Wakes’? Die finde ich aufgrund ihrer Science und der Geschichte auch grandios: Die Autoren beschreiben imho sehr realistisch das Leben im Gürtel, auf Raumstationen, das Leben unter den Kuppeln auf Ganymed, die Lebensmittelversorgung und die Exobiologie auf fremden Welten. Und das Ganze Kip Thorne-like ohne Lichtgeschwindigkeit. Das Reisen im Sonnensystem dauert Monate bis Jahre, zu fremden Welten nur mit künstlichen Wurmlöchern.

    Wenn du mal Zeit und Lust hast, die Bücher vom Autorenduo James Corey zu lesen und zu rezensieren, würde ich mich freuen. 🙂

    Danke für den schönen Blog.

    Viele Grüße,
    Christian