Der Spiegel und die Luftfahrt – das waren seit jeher zwei Welten. Und hat sich leider auch unter den gerade beurlaubten/geschassten/freiwillig gekündigten Chefredakteuren Mascolo und von Blumencron nicht wesentlich geändert.
Mascolo und von Blumencron waren nicht die Schlechtesten, sie haben sich redlich bemüht. Der Fehler lag und liegt, wenn der Nachfolger in der Richtung bleibt, darin, als Spiegelredakteure gerade mal Absolventen einer Hamburger Journaille-Schmiede zu nehmen. Noch taufrisch als Erwachsene, zwar mit viel Elan, aber keinerlei internationaler Lebenserfahrung und meist auch sehr begrenzter Allgemeinbildung (die Aufnahmeprüfungen fokussieren auf politischem Wissen).
Vor den Chefredakteuren M und vB waren Spiegeljournalisten hoffnungslos seit Jahrzehnten betonfest auf ihren Plätzen etabliert. Die komplette Umkehr vom hohen Ross auf grasgrüne Journalistenneulinge aber bringt es auch nicht. Kurzvolos bei unterschiedlichen Redaktionen ersetzen keinen jahrelangen fundierten Einsatz in einer Fachredaktion und kein Fachstudium über das Thema, das man bearbeitet.
So kommt es auch etwa zu zwei Redakteuren für einen einseitigen Bericht (im letzten Spiegel). Ein Trauerspiel. Kann ein Spiegelredakteur nicht mal mehr alleine eine Seite recherchieren und schreiben? Bei mehrseitigen Beiträgen sind es dann oft sieben oder mehr Texter, aus deren Zeilen ein Beitrag zusammengestrickt wird. Man sieht das Flickwerk, man liest es.
Oder auch nicht mehr. Das sind die Abonnenten, die man mit mangelnder Qualität vergrault.
Ein Vorzeigemagazin wie Der Spiegel braucht eine gesunde Mischung an Redakteuren: Lebenserfahrungs- und wissensmäßig. Und vor allem braucht er für alle Fachgebiete, über die geschrieben wird, Fachmänner und Frauen, die eine (Aus)Bildung auf dem jeweiligen Gebiet haben. Und wenn dies in der eigenen Redaktion nicht vorhanden ist, dann kann man auch externe renommierte Journalisten aus dem Fachgebiet beauftragen. Das funktioniert nicht nur in der Politik und in der Gesellschaftskritik, sondern ist umso wichtiger, wenn das Basisfachwissen in der Redaktion nicht vorhanden ist.
In der Politik kann ich es nicht beurteilen, wenn da offensichtlich Blödsinn geschrieben wird (sehe es aber an den Richtigstellungen im folgenden Heft), in der Luftfahrt schon. Dinah Deckstein ist eben Wirtschaftsexpertin, auch wenn ihre Beiträge im Luftfahrtbereich noch am Entspanntesten zu lesen sind. Für Flugunfallartikel oder technische Neuerungen oder technische Schwierigkeiten bedarf es eines erfahrenen Piloten mit einem Technikstudium, soll im Artikel auch Lesenswertes stehen. Fundierte Recherche, basierend auf jahrelang gepflegten Insider-Branchenkontakten und spannende Schreibe ist dabei so Basis, dass es nicht einmal der Erwähnung wert sein sollte.
Als Akademikerin habe ich den Anspruch an ein Magazin, dem ich Zeit aus meinem Leben widme, um es zu lesen, mich zu unterhalten und dabei weiter Wissen spannend zu erwerben. Und nicht: mich über offensichtlich schlecht recherchierten Nonsens zu ärgern. Das stiehlt meine Zeit.
Eine gute Sitte im Spiegel war es seit jeher, Richtigstellungen und Fehler einigermassen les- und nachvollziehbar für den Leser zu veröffentlichen. Das ist, zugegeben, oftmals ein Mittel für eine Redaktion, den lästigen Leserbriefschreiber durch seine eigenen Zeilen blosszustellen.
Beim Spiegel entwickelte es sich in den letzten Jahren eher zu einer eigenen Blamage und zu einer Anzeigetafel für schlechte Recherchen.
Wie kann ein Magazin mit einer so großen, eigenen Rechercheabteilung konstant solche Schnitzer produzieren? Es liegt, siehe oben, am System.
Warum fragt man in Interviews nicht einfach mal die Leser? Statt irgendwelche Journalismus-Theoretiker? Ob und wie die Online-Redaktion mit der Printredaktion zusammenarbeitet, ist mir als Leser mehr als schnuppe. Darin Fehler zu sehen, trifft es einfach nicht. Deren Zusammenarbeit betrifft reine Interna: Kosten, vielleicht auch Lebensqualität der Redakteure, aber das hat mit Absatzzahlen wenig zu tun. Als Leser will ich Qualität. Aussergewöhnliche Themen und Recherche. Hintergründigen Journalismus.
Als Leser und bezahlender Abonnent möchte ich einfach, dass, wenn mir einer die Welt, oder zumindest einen Flugunfall erklärt, er/sie
- nicht gerade zum ersten Mal ein Foto des Fliegers gesehen hat und dann seine Weisheit dazu in die Welt hinaus posaunt
- oder zum hundertundundersten Mal von Flugbenzin schreibt (in schöner Regelmäßigkeit, das letzte Mal im Spiegel 12/2013, Seite 57, geschrieben von 3 Redakteuren)
- nicht, wie in einem Artikel von Stefan Niggemeier, schreibt “dass es ihm nicht gelungen sein, ein Videozitat auf weniger als 11 Minuten zusammenzudampfen”. Es gibt keine Bildzitate. Keinerlei. Im Unterschied zum Wort. Nicht einmal ein Bild ist ohne Einwilligung des Fotografen oder Filmers erlaubt. (Das ist zugegeben sehr hinderlich für Journalisten, aber Tatsache)
- ich mir nicht immer die ewig gleichen Fotos ansehen muss: Das Foto von Fischer mit Farbbeutel (gefühlt zum 10. Mal) auch wieder im Spiegel 13, 2013. Die immer wieder gern genommenen Nacktfotos der Kommune 11 zählen dazu. Klar, wenn ich mit 18 frisch zum Spiegel komme, sehe ich sie jeweils zum ersten Mal. Langjährige Abonnenten vergrault man damit. Auch die Themen haben eine Redundanz, eine nervige Wiederkehr, obwohl schon längst alles gesagt und geschrieben war. Der Esprit, das Neue, das Unerwartete macht seit langem einen großen Bogen um den Spiegel.
- Und. Und. Und.
Einfach mal Qualität.
Echte.
Durch und durch.
Von der Themenauswahl bis zur Recherche.
Schreiben ist Basis.
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