Was ist so besonders an der menschlichen Wahrnehmung? Die im Schlaf ja etwa auch nicht vorhanden ist. Das menschliche Gehirn verfügt nur über zwei Prozent der Körpermasse, es enthält aber 100 000 000 Neuronen und die verbrauchen 20 Prozent unserer Energie. Wozu dieser Aufwand? Was ist der Sinn dahinter? Hinter einem Gehirn, dessen Funktionsweise wir noch nicht einmal annähernd durchschaut haben?

Tiere können auch ohne diesen enormen Aufwand leben. Manche sogar recht gut, und in vielen Fällen handeln wir auch nicht besser als unsere tierischen Freunde. In vielen Beispielen und Rätseln, die wir, das Publikum, gemeinsam lösen, führt Peter Naish uns hin zur Lösung der gestellten Fragen: Das Gehirn kann schneller und effektiver lernen, wenn es auch in Abwesenheit eines Reizes diesen wieder hervorrufen kann und so schneller feuern, wenn der Reiz tatsächlich eintritt.

Es braucht viel Bewegung durch das Gehirn, bis eine Entscheidung fällt: Durch etwa 100 Billionen Synapsen und etwa einer Million Kilometer Leitungsbahnen stehen die Nervenzellen des menschlichen Gehirns miteinander in Kontakt.

Jede Nervenzelle kommuniziert dabei mit 1.000 anderen Neuronen. Jede Information, die von einer Nervenzelle aus startet, erreicht so bereits beim zweiten Schritt (1.000 x 1.000) eine Million Neuronen.

Das Gehirn ist Sitz unseres Denkens, Fühlens und Handelns – es überwacht alle Funktionen des Körpers und koordiniert sie mit den zahlreichen neuen Informationen, die unablässig auf uns einströmen.

Unser Gehirn verarbeitet und bewertet diese.

Dann verknüpft es die neuen Eindrücke mit vorhandenem Wissen, bevor sie ins Gedächtnis gespeichert und/oder auch wieder gelöscht werden.

Erst wenn auch der Frontallappen der Großhirnrinde (PFC) das Ergebnis für gut befunden hat, dringt es in unser Bewusstsein. Aber schon bevor wir die Entscheidung bewusst wissen, ist sie im Gehirn gefallen. Das Gehirn weiß also lange vor unserem Bewusstsein, welche Entscheidung es treffen wird. Wenn die Entscheidung daher nicht bewusst fällt, wie frei ist dann der Wille?

Worüber ich seit dem Lesen von Susannah Cahalan’s Buch und der zahlreichen Vorlesungen, die ich danach zum Thema Gehirnforschung besucht habe, auch nachdenke, ist die Frage nach der Wirklichkeit. Nach der Realität.

Cahalan kann sich, beginnend mit den ersten Krampfanfällen, an nichts mehr aus der Zeit ihrer Erkrankung erinnern. Zunächst für den Artikel in der NY Post und später fürs Buch rekonstruiert sie diese Zeit aus den Tagebuchaufzeichnungen ihrer Eltern, aus Interviews mit Pflegern und Ärzten, Krankenhausprotokollen und Videos. Einiges, woran sie sich heute, geheilt, aus der Anfangszeit der Krankheit, aber noch sehr lebendig erinnert, hat nach Aussagen ihrer Umwelt nie stattgefunden. Susannah jedoch könnte beschwören, dass diese Ereignisse, die für sie heute im Wachzustand so lebendig sind, wie wenn sie gerade passiert wären, genauso stattgefunden haben. Etwa ein orangerotes Krankenhaus-Armband mit einem Schriftzug (Flight Risk), das so nicht im Krankenhaus existierte. Oder Sätze ihres Stiefvaters Susannah gegenüber, die nach Aussagen anwesender Zeugen nie stattgefunden hatten.

Welche Fakten und Ereignisse speichert das Gehirn nun in welcher Art ab? Oder kombiniert es sie eigenmächtig? Wie können wir sicher sein, dass das, was wir zu wissen glauben, auch tatsächlich so stattgefunden hat und korrekt ist?

 

 

Weiterführende Anregungen zum Thema: British Science Festival 2014
und das Buch: Now you see it von C. Davidson, die sich darin mit dem Einfluss der digitalen Information auf unser Gehirn befasst; wie das digitale Leben unser Gehirn verändert und beeinflusst.
Ergänzung am 6.10.: Der Nobelpreis für Medizin geht in diesem Jahr an den US-Amerikaner John O’Keefe, May-Britt Moser und Edvard Moser aus Norwegen. Die drei Neurowissenschaftler wurden für die Entdeckung von Zellen, die ein Positionierungssystem im Gehirn bilden, ausgezeichnet.

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Kommentare (4)

  1. #1 Coriolis
    3. Oktober 2014

    Sehr schöner informativer Beitrag! Endlich einmal mehr als Schulwissen und geklaute Fotos aus dem Internet.
    Die aktuelle Forschung zur Gehirnforschung finde ich sehr interessant.

    • #2 Helga Kleisny
      3. Oktober 2014

      🙂 ich mache meine Fotos selbst und auch meine Recherche durch Interviews mit den handelnden Personen.

  2. #3 Emswashed
    3. Oktober 2014

    Vielen Dank für diesen Beitrag und ein Buch (Feuer im Kopf), welches ich mir in der Nachbarschaft mit keltischen Schamanen nicht näher betrachtet, geschweige denn gekauft hätte. Über Oliver Sacks bin ich zu diesem überaus spannenden Gebiet der Wissenschaft geraten und habe Ihren Bericht mit Genuss gelesen.

  3. #4 Helga Kleisny
    6. Oktober 2014

    🙂