Eines der Argumente von Wolfgang Wodarg und seinem prominenten Kronzeugen John Ioannidis ist, dass jedes Jahr viele Menschen an Erkältungskrankheiten sterben, darunter auch an solchen, die durch Coronaviren verursacht werden. Die Letalität von Sars-Covid-2 sei außerhalb von Hotspots wie Hubei in China oder Bergamo in Italien nicht sehr hoch, vielleicht wie bei der saisonalen Influenza, vielleicht ein wenig höher. Ohne Tests wäre das alles gar nicht aufgefallen, also alles ganz normal. Diese „Normalitätsthese“ wurde inzwischen hinreichend kritisiert, ich will nur noch zwei Gedankensplitter ergänzen:

Auch die Spanische Grippe 1918 hatte im Schnitt „nur“ eine Letalität von 1 % – 3 %. Aber diese im Schnitt nicht besonders hohe Letalität hat dazu geführt, dass weltweit 40, 50, vielleicht auch hundert Millionen Toten zu verzeichnen waren. Auch damals war also Bergamo nicht überall. Aber auch damals gab es regional große Unterschiede der Sterblichkeit. Beispielsweise gab es in Alaska Orte, in denen die Spanische Grippe die Mehrzahl der Bewohner umgebracht hat, manche Siedlungen dort sind durch die Spanische Grippe praktisch ausgerottet worden. Aus Massengräbern in Alaska wurden Jahrzehnte später Gewebeproben zur Untersuchung des Virus gewonnen.

Vielleicht sind in Hubei so viele Menschen gestorben, weil die Luftverschmutzung dort die Lungen vorgeschädigt hat, vielleicht sterben in Norditalien so viele Menschen, weil dort viele alte Menschen mit ausgeprägtem sozialen Familienleben und regionale Cluster chinesischer Textilgastarbeiter zusammen eine besonders gefährliche Situation haben entstehen lassen. Mag sein. Auch für die regionalen Hotspots der Sterbefälle bei der Spanischen Grippe gibt es sicher besondere Gründe. Aber die Masse der Toten geht nicht von solchen besonderen Bedingungen aus, sie geht von der durchschnittlichen Letalität von Sars-Covid-2 in Kombination mit einem exorbitanten Ausbreitungspotential aus. In dem Punkt unterscheiden sich 1918 und 2020 nicht. Die Spanische Grippe 1918 war aber nicht „normal“.

Natürlich, auch das sei zugestanden, gibt es Schlimmeres als Sars-Covid-2, gar keine Frage. Die Menschheit wird am neuen Coronavirus nicht zugrunde gehen. Das droht eher durch den Klimawandel, ich habe darauf schon in meinem ersten Blogbeitrag zur Coronakrise hingewiesen. Und auch für die jetzt besonders gefährdeten Älteren gibt es Gesundheitsrisiken mit mehr Sterbefällen. Der Tabakkonsum beispielsweise kostet in Deutschland jährlich ca. 120.000 Menschen vorzeitig das Leben. Ganz überwiegend sind auch da ältere Menschen betroffen, der Lungenkrebs braucht seine Zeit, ebenso wie der Herzinfarkt. 120.000 Sterbefälle jährlich, wohlgemerkt: Die Durchseuchung der Bevölkerung mit Tabak führt zu keiner Immunisierung. Den „Golden Holocaust“ (Robert Proctor) haben wir jahrzehntelang als „normal“ hingenommen. Vielleicht auch, weil hier die “Bergamos” fehlen.

Insofern kann man über die politische Priorisierung von Risiken und darüber, was als „normal“ gilt, diskutieren und sollte das zu gegebener Zeit auch wieder tun. An den Bedrohungsszenarien durch Sars-Covid-2 und dem, was damit auf das Gesundheitswesen zukommen könnte, oder regional schon zugekommen ist, ändert sich dadurch aber nichts. Gar nichts.

Kommentare (54)

  1. #1 Volker Birk
    https://blog.fdik.org
    22. März 2020

    Inzwischen sind es fünf Virologen, die sich öffentlich äussern, dass sie die extremen Massnahmen nicht für sinnvoll halten, wie sie gerade getroffen werden:

    https://youtu.be/JBB9bA-gXL4

    Für mich als Laie ist das ehrlich gesagt verwirrend. Es läuft auf ein “die einen sagen so, die anderen so” hinaus.

    Dass es allerdings panikfördernd ist, wenn ein Feuerwehrauto durchs Wohngebiet fährt, und man tönt durch den Lautsprecher “bleiben Sie in ihren Häusern”, das ist für mich klar – insbesondere, wenn diese Bilder auch noch vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk verbreitet werden. Noch unverantwortlicher geht es nicht mehr.

    Ich hatte zuerst in meinem Blog einen Artikel angepinnt, der alle meine Leser aufgefordert hat, den Anweisungen der Behörden in dieser Sonderlage zu folgen – darauf vertrauend, die werden schon einen kühlen Kopf bewahren und halbwegs sinnvolle Entscheidungen treffen. Nach den Fernsehbildern mit der Panikmache durch die Feuerwehr hab ich den Artikel nicht mehr angepinnt. Mein Vertrauen ist insofern erstmal weg.

    Dann hat sich ergeben, dass das BAG in der Schweiz seine Zahlen über Corona aus der Wikipedia abgeschrieben hat – also die Institution, die eigentlich die Quelle dieser Zahlen sein müsste, bevor sie in die Wikipedia gelangen (das BAG entspricht in etwa dem RKI in Deutschland). Daraufhin habe ich recherchiert, wie man überhaupt sinnvoll zu solchen Zahlen kommt. Das Ergebnis ist wiederum nicht gerade berückend: die Zahlen, die von den meisten Medien verbreitet werden, sind alles andere als seriös erhoben. Ich habe hier einen Kommentar dazu verfasst:

    https://blog.fdik.org/2020-03/s1584853917

    Falls jemand Lust hat, mich interessiert eine fachliche Meinung zu oben gesagtem. Dass es aber so nicht stimmen kann, wie es im Wesentlichen verbreitet wird, davon muss ich so oder so ausgehen.

    Blogger-Kollege Cornelius Courts schreibt gerade: «COVID-19 ist eine Generalprobe. Und wir vermasseln es.»

    Den Eindruck teile ich – leider gilt das auch für die Berichterstattung und die Politik.

    • #2 Joseph Kuhn
      22. März 2020

      @ Volker Birk:

      Ich antworte mal mit Fragen:

      1. Wissen wir ausreichend viel über die Entwicklung der Infektionsraten in der Bevölkerung, um zu handeln?
      2. Teilweise davon abhängig: Wissen wir genug über die Letalität von Sars-Cov-2?
      3. Können Intensivfälle/Tote durch Corona von Intensivfällen/Toten mit Corona unterschieden werden (z.B. durch die Beobachtung des Verlaufs von Krankheitsfällen)?
      4. Gibt es trotz der in Deutschland noch sehr niedrigen Zahl an Sterbefällen bereits empirische Daten dazu, dass Sars-Cov-2 die Sterberaten deutlich erhöhen könnte?
      5. Sind regionale Auffälligkeiten mit guten Gründen nur als regionale Besonderheiten einzustufen?
      6. Gibt es belastbare Erkenntnisse, dass die beobachtete exponentielle Zunahme der Fälle allein nur ein Beobachtungsbias, z.B. durch Testen, ist?
      7. Gibt es belastbare Hinweise, dass das Virus ohne Gegenmaßnahmen nur einen kleinen Teil der Bevölkerung infizieren wird?
      8. Haben wir ausreichend Evidenz zur Bewertung der Wirksamkeit einzelner Maßnahmen, falls nein, was folgt daraus?
      9. Gibt es gute Gründe dafür, dass die Datendefizite so gravierend sind, dass Abwarten die bessere Alternative zu den getroffenen Maßnahmen wäre?

      Als Antworthilfe sei einmal mehr die – durchaus die Evidenz kritisch hinterfragende – Stellungnahme des Netzwerks Evidenzbasierte Medizin verlinkt.

      Offenlegung meines Interessenkonflikts: Ich möchte weder unter nicht notwendigen Seuchenbekämpfungsmaßnahmen leiden noch im Krankheitsfall unter Versorgungsengpässen, weil man weil man mit Maßnahmen abgewartet hat, bis die Datenlage todsicher war.

  2. #3 nota.bene
    22. März 2020

    Das Evidenzpapier wird der Poitik eine weitere Rechtfertigung für das bisherige Vorgehen liefern nach dem Motto: “Da niemand weiß, was hilft, machen wir alles, was irgendwie geht.” Dazu gehören auch generelle, undifeerenzierte Ausgangssperren, die ich lieber als kollektive Inhaftierung bezeichnen würde. Es sind nämlich auch Aktivitäten betroffen, die absolut kein Infektionsrisiko beinhalten. Man kann sogar sagen, die sichersten Orte in Deutschland sind:
    1. draußen in Wald und Flur, und
    2. im eigenen Auto,
    jeweils unter Beachtung von “Distanzregeln”.
    Ich fürchte, auch nach dem Ende der Epidemie werden wir eine ganz beträchtliche Einschränkung wesentlicher Grundrechte hinnehmen müssen. Es wird ein “Seuchenrecht” geben, dass faktisch das Kriegsrecht früherer Zeiten noch in den Schatten stellen wird.

    • #4 Joseph Kuhn
      22. März 2020

      @ nota.bene:

      “Ich fürchte”

      Ob solche Befürchtungen wahr werden, hängt auch davon ab, wie die Diskussion nach der Krise geführt wird. Das BMG hat gerade in Hauruck-Manier den Entwurf eines Pandemiegesetzes (“Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite”) auf den Weg gebracht. Darin werden weitreichende Eingriffsbefugnisse konkret geregelt – was richtig ist – und zentral auf die Bundesebene gezogen, was vermutlich verfassungswidrig ist, auch wenn das viele Leute derzeit mit Blick auf die uneinheitlichen Verfahren der Bundesländer fordern.

      Leider wird das Problem unzureichender infektionsepidemologischer Ressourcen, d.h. die Notwendigkeit, für eine evidenzbasierte Pandemieplanung vorzusorgen, jenseits einer Organisationsregelung gar nicht angesprochen. Christian Drosten ist sicher ein guter Regierungsberater, aber wir brauchen schlagkräftige wisssenschaftliche Arbeitsgruppen, auch außerhalb des RKI an den Universitäten, die auf hohem Niveau modellieren können, samt der dazu nötigen Daten usw. Auch viele versorgungsstrukturpolitische Erfordernisse werden nicht geregelt. Insofern ist es ein typischer Spahn-Schnellschuss. Vielleicht will Spahn auch nur Söders geplantes Infektionsschutzgesetz ausbremsen. Man wird sehen, ob das so kommt.

  3. #5 RainerO
    22. März 2020

    Ich wusste nicht, in welchen der vielen themenbezogenen Threads ich das posten soll, daher schreibe ich einfach im neuesten.
    Gibt es Überlegungen für Untersuchungen, ob Sars-Covid-2 wirklich erstmals in dieser Saison aufgetreten ist, oder eventuell schon früher “unterwegs” war? Oder sind die Untersuchungen der jeweiligen saisonalen Influenza-Wellen genau genug, dass man das ausschließen kann?

    • #6 Joseph Kuhn
      22. März 2020

      @ RainerO:

      Ich verstehe den Zusammenhang mit Unterschungen zur Influenza nicht. Wie sollte damit ausgeschlossen werden, ob Sars-Cov-2 schon früher mal da war? Wie man das untersuchen kann, müssten mitlesende Virologen/Mikrobiologen beantworten. Dazu bräuchte man ältere Bioproben. Vielleicht hat man das in China auch schon längst gemacht. Frag doch mal nebenan Cornelius Courts, der kann dazu sicher mehr sagen als ich.

  4. #7 Volker Birk
    https://blog.fdik.org
    22. März 2020

    Danke für die Antwort, Joseph, obwohl sie aus noch mehr Fragen besteht 😉 Jedenfalls habe ich mal Deinen Tipp mit der Stellungnahme des EbM-Netzwerks aufgegriffen, und weise meine Leser ebenfalls darauf hin.

  5. #8 RainerO
    22. März 2020

    @ Joseph Kuhn
    Mein Frage kommt (auch) aus dem Kontext der Personen, die behaupten, dass ohne spezifischen Test Covid-19 im “Influenzarauschen” untergegangen wäre. Dass man das nur mit älteren Proben herausfinden kann, ist mir klar. Und da hätte mich interessiert, ob das eventuell gemacht wird/wurde.
    Ich schau mal rüber zu Cornelius.

    • #9 Joseph Kuhn
      22. März 2020

      @ RainerO:

      Ohne Test und ohne die Häufung von schweren Verläufen würde man nichts sehen – wie auch? 😉

      Ich verstehe jetzt die Frage, kann sie aber trotzdem nicht beantworten.

  6. #10 Titus von Unhold
    22. März 2020

    @Volker Birk

    “Für mich als Laie ist das ehrlich gesagt verwirrend. Es läuft auf ein “die einen sagen so, die anderen so” hinaus.”

    Nein, darauf läuft es nicht hinaus. Nur weil jemand Virologe oder sonst was ist, ist er noch lange kein Wissenschaftler. Oftmals sind es nur Wichtigtuer die sich als Pseudoexperte mit Pseudowissenschaft präsentieren. Medienkompetenz beginnt in der Quellenbewertung. Und wenn man Quellen verlinkt die Dinge bewusst weg lassen oder verdrehen ( Die Meinungsbeiträge bei Telepolis z. B.), gleitet man schnell in Verschwörungstheorien ab.

  7. #11 Uli Schoppe
    22. März 2020

    @Titus von Unhold Wenn Du jetzt nicht das rechts schlechtmenschenversiffte Forum gemeint hast ist TP aber gar nicht sooo schlecht.Jedem steht das Weiterdenken über den Artikel hinaus frei. Und es sind oft interessante Gedanken oder Fakten drinnen. Neee, nicht Unzicker ^^

  8. #12 Klaus Trophobie
    22. März 2020

    Mir wurde in einer Diskussion gerade der Link um die Ohren gehauen: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32133832/

    Mein Englisch (und Medizinisch 😉 ) ist leider nicht gut genug um die Aussage “up to 47% false-positive” vernünftig einordnen zu können.

  9. #13 Aveneer
    22. März 2020

    @Klaus T
    Man muss wohl eher Mandarin können und nicht Englisch. Eine falsch positive Rate hängt in erster Linie ja von der Prävalenz des Erregers ab. Ein HIV Test mit 99,9 % Sensitivität und Spezifität hat in Deutschland eine andere falsch Positiverate als in einer afrikanischen “Hochprävalenzregion”. Auch wenn es derselbe Test ist. Also Mitte Januar war die Falschpositivrate der PCR für COVID-19 ca. 99,99% in Deutschland- heute bei vielleicht 0,01%. Der Test hat sich aber nicht geändert.

  10. #14 Joseph Kuhn
    22. März 2020

    @ Klaus Trophobie:

    “up to 47 %”? Bei mir steht “over 47 %”. Eine Angabe zum Vertrauensbereich der falsch Positiven. Mit 75 % Wahrscheinlichkeit sind über 47 % der positiven Befunde falsch. Der positive prädiktive Wert dieses Tests, also die Wahrscheinlichkeit, bei positiven Testergebnis wirklich infiziert zu sein, ist mit 20 % nicht sehr groß, wie es bei Screening-Tests meist der Fall ist. Man will möglichst sicher alle infizierten Fälle herausfischen, auch um den Preis, dabei viele Nichtinfizierte zu erwischen. Je nachdem, welche Folgen der Testbefund hat, ist dann ggf. ein zweiter Test zu Absicherung sinnvoll. Was im abstract leider fehlt, ist die Angabe, wie oft der Test Leute als nichtinfiziert erklärt, obwohl sie infiziert sind. Steht hoffentlich im Artikel.

    @ Aveneer:

    So ist es.* Damit haben seinerzeit Beck-Bornholdt und Dubben ihr berühmtes Buch “Der Hund der Eier legt” eröffnet – am Beispiel eines HIV-Tests in unterschiedlichen Milieus. Ein kleiner Behelf im abstract ist der Hinweis, dass “close contacts of the patients” getestet wurden, vielleicht steckt dahinter eine Prävalenzannahme? Steht hoffentlich auch im Artikel.

    * Edit: Genau gesagt gilt das für den Anteil der falsch Positiven an allen Positiven. Die Falschpositivenrate ist als terminus technicus das Komplement zur Spezifität.

  11. #15 Herr Senf
    22. März 2020

    Kanzlerin Merkel in Quarantäne … wie weiter?

  12. #16 Bbr
    Niedersachsen
    22. März 2020

    Was ist hiermit?

    https://www.welt.de/politik/deutschland/article206694317/Coronavirus-in-Deutschland-Immer-oefter-werden-junge-Patienten-auf-der-Intensivstation-behandelt.html

    Das passt weder zur „Normalitätsthese“ noch zur Aussage des EbM. Es mag ja sein, dass für über 80-Jährige multimorbide Patienten auch eine Erkältung zu 8 % tödlich ist. Aber sie bringt keine jungen Erwachsenen auf die die Intensivstation.

    • #17 Joseph Kuhn
      22. März 2020

      @ bbr:

      Was “Erkältungen” anrichten, weiß ich nicht. Die Influenza bringt auch Jüngere auf die Intensivstation und ins Grab. Der Punkt widerspricht also – was den Vergleich mit der Influenza angeht – der “Normalitätsthese” nicht. Aber es stellt die Vertretbarkeit einer Strategie der “kontrollierten Durchseuchung” infrage, das wurde z.B. hier im Blog schon diskutiert.

  13. #18 Titus von Unhold
    23. März 2020

    @Ulli Schoppe

    Die tiefroten Beiträge sind in der Regel die einzig erträglichen. Aber bevor ich TP aufrufe, lese ich lieber was bei Indymedia. 😀

  14. #19 user unknown
    https://demystifikation.wordpress.com/2020/03/14/coronaprophylaxe/
    23. März 2020

    RainerO

    Mein Frage kommt (auch) aus dem Kontext der Personen, die behaupten, dass ohne spezifischen Test Covid-19 im “Influenzarauschen” untergegangen wäre.

    Das lässt sich auf zweierlei Weise beantworten.

    a) Wie hat man denn den ersten Coronafall gefunden? Ich schätze man hatte die Symptome, auf einen anderen Virus getippt, aber der war’s nicht – keiner der üblichen Verdächtigen. Also hat man weiter gesucht. Wäre der Mann auf dem Weg ins Krankenhaus von einem Zug erfasst worden und nicht mehr untersucht worden hätte man es am 2. oder 3. Patienten gemerkt.

    b) Vor einer Woche wurde ernstgemacht mit der Einschränkung der Sozialkontakte: Bundesliga, Schulen, … . Das schlägt noch nicht auf die Zahl der Infizierten durch, weil die Leute, die jetzt als infiziert bestätigt werden, im Mittel 5,2 Tage brauchen, um überhaupt zu erkranken und dann dauert es noch mal so lang, bis das Ergebnis des Tests dokumentiert ist. Bis Fr./Sa.* gab es in Dtld. alle 3 Tage eine Verdopplung der Fälle. Hochgerechnet auf 30 Tage ist das eine Vertausendfachung, auf 60 Tage (1000*1000) 1 Million, 67 Tage:128 Millionen. Dann hat jeder das Virus und 1 Million Tote wären wohl nicht in irgendeinem Rauschen untergegangen.

    Dass man das immer noch erklären muss ist das eigentlich erschreckende. Da ist ja im Kern irgendwas überhaupt noch nicht angekommen. Ist es das exponentielle Wachstum?
    Kennst Du die Reislegende mit dem Schachbrett?
    Nimm einen Beutel Reis, ein Schachbrett und lege auf das erste Feld ein Reiskorn. Auf das zweite Feld das doppelte des Vorhergehenden. Du kannst auch vorher eine Prospekthülle über das Schachbrett legen und auf das erste Feld “07.02.” schreiben, jedes nächste Feld sind 3 Tage mehr usw.
    Wie weit wirst du mit einem 5kg Reissack kommen?

    j=1; d=1; for i in {1..26} ; do ((j*=2)); ((d+=3)); echo -e $(date -d “now $((d-46)) days” +%d.%m)”\t”$j ;done
    10.02 2
    13.02 4
    16.02 8
    19.02 16
    22.02 32
    25.02 64
    28.02 128
    02.03 256
    05.03 512
    08.03 1024
    11.03 2048
    14.03 4096
    17.03 8192
    20.03 16384
    23.03 32768
    26.03 65536
    29.03 131072
    01.04 262144
    04.04 524288
    07.04 1048576
    10.04 2097152
    13.04 4194304
    16.04 8388608
    19.04 16777216
    22.04 33554432
    25.04 67108864

    Conclusio: Wenn das Virus wie von Geisterhand am 7.4. zum Stillstand kommt, dann hat man bei 1% Lethalität ganz salopp überschlagen 100.000 Tote – die wären sicher nicht im Rauschen eines Quartals untergegangen.

    Würde man dann erst mit Maßnahmen beginnen, dann stiege die Infektionsrate noch ca. 14 Tage ungebremst an. 15/3=5, 5 Verdopplungen macht einen Faktor von 32.

    *) Die Zahl der Neuinfektionen war Sa/So erstmals seit einiger Zeit kleiner als am Tag zuvor – das liegt aber, heißt es – vermutlich nicht daran, dass die Maßnahmen schon durchschlagen, sondern an Meldeverzögerungen über’s Wochenende. Erst am Dienstag seien die Zahlen dann eingepflegt.

  15. #20 RainerO
    23. März 2020

    @ user unknown
    Mir musst du das nicht erklären. Ich weiß, was exponentielles Wachstum ist.
    Und dass die deutschen Zahlen hinterherhinken, ist mir auch bekannt. Es wäre auch völlig unerwartet, wenn die Maßnahmen tatsächlich schon jetzt sichtbar wären. Österreich hat da eine Woche Vorsprung und da sieht man erst seit gestern eventuell die ersten etwas positiveren Entwicklungen. Aber auch da bin ich vorsichtig und warte die nächsten Tage ab. Stand jetzt (14:27) schaut es aber nicht so rosig aus.

  16. #21 jsm
    Nienburg
    23. März 2020

    Also was das exponentielle Wachstum der Ansteckungen angeht, hätte ich auch noch eine Frage.
    Wie kann etwas exponentiell wachsen, wenn gar nicht mehr so viele Nicht-Infizierte vorhanden sind? Die Berechnungen legen doch zugrunde, dass unerschöpflich viele Gesunde vorhanden sind, die angesteckt werden können; was aber eben nicht der Fall ist. D. h. nach einer zunächst schnellen Zunahme der Infektionen müsste die Ansteckungsrate rapide abnehmen, weil immer mehr Infizierte um den nächsten Gesunden konkurieren.

    Habe ich einen Denkfehler?

  17. #22 Klaus Trophobie
    23. März 2020

    @Josef Kuhn, @Avaneer
    ““up to 47 %”? Bei mir steht “over 47 %”.”
    Ja, mein Fehler. In der (Laien-) Diskussion war immer nur die Rede von bis zu 50%.

    Ich interpretiere das jetzt so das der Test auf Virusbestandteile anspricht auch wenn der Virus im Probanden nicht aktiv oder vorhanden ist. Z.B. vorhanden aber vom Immunsystem unter Kontrolle gehalten. Andere Virenstämme die den Test triggern. Oder durch Übertragung/Verunreinigung von bereits inaktiven Viren.
    Begünstigt wird sowas natürlich durch eine hohe Prävalenz: Mehr Quellen, mehr Möglichkeiten.

    Mir war ja gleich das Wörtchen “asymptomatisch” ins Auge gesprungen. Also Probanden die nach Symptomen nicht eindeutig infiziert sind. Das Paper bezieht sich demnach nur auf eine Untergruppe im kompletten Screening um Covid-19 Patienten oder es wurden schon nur Personen überprüft die irgendwelche Symptome aufweisen.

  18. #23 shader
    23. März 2020

    Zu Bergamo selbst. Man fragt sich ja schon, warum ausgerechnet da und es gibt einige Spekulationen. Aber es verdichten sich die Indizien, dass das Champions League-Spiel Bergamo-FC Valencia bei über 40.000 Zuschauern quasi eine Art Brandbeschleuniger war. U.a. war eine Woche danach ein großer Teil der Mannschaft aus Valencia positiv getestet. Die FAZ gab dem Ganzen sogar die Überschrift “Spiel null”.

    https://www.faz.net/aktuell/sport/fussball/champions-league/coronavirus-war-bergamo-gegen-valencia-spiel-null-in-italien-16692610.html

  19. #24 Joseph Kuhn
    23. März 2020

    @ Klaus Trophobie:

    Ich fürchte, das geht einiges durcheinander, aber ich kenne mich zu wenig mit Tests aus, um das kompetent zu kommentieren. Was speziell den Punkt mit der Prävalenz angeht: Sie ist relevant, weil die Berechnung des sog. “positiven prädiktiven Werts” nicht nur von der Testgüte, sondern auch von der Häufigkeit der Erkrankung abhängt, rein rechnerisch. Sie finden das überall gut erklärt im Netz.

    @ jsm:

    “Wie kann etwas exponentiell wachsen, wenn gar nicht mehr so viele Nicht-Infizierte vorhanden sind?”

    Eine Infektion, die auf eine ungeschützte Bevölkerung trifft und eine hohe Infektiosität hat, nimmt erst exponentiell zu, dann hat die Kurve einen Wendepunkt und wird zu einer “logistischen Kurve”. Falls Herdenimmunität erreicht wird, gibt es am Ende keine Neuinfektionen mehr. Sie haben also insofern recht, dass ein exponentieller Anstieg nicht ewig weitergehen kann, aber jetzt haben wir ihn.

  20. #25 Klaus Trophobie
    23. März 2020

    @Joseph Kuhn
    Danke für die Schlagworte, jetzt bin ich etwas schlauer und verstehe das ich es nicht verstanden hatte. Problem ist das nicht Relationen verglichen werden sondern Ganzzahlen. Im Grunde müsste die Zahl der Gesunden und Kranken gleich groß sein um die Vorhersagewerte verschiedener Tests direkt vergleichen zu können.

    Ich glaube was das Abstract “gefährlich” macht ist nicht was es aussagt sondern das für Laien jeder Bezug, jeder Kontext fehlt in wie weit die Ergebnisse normal bzw. üblich sind. Und ich fürchte halt das dieser Link im englischsprachigen Raum gerade vermehrt umgeht und zu Verunsicherungen führt.

    Im konkreten Fall war die Diskussion übrigens wenige Beiträge später beendet. Mein Gegenüber hat spektakulär offensichtlich dargelegt das er keinen Schimmer hat was falsch-positiv eigentlich bedeutet…

    • #26 Joseph Kuhn
      23. März 2020

      @ Klaus Trophobie:

      “Im Grunde müsste die Zahl der Gesunden und Kranken gleich groß sein”

      Nein, darum geht es nicht. Zu unterscheiden ist zwischen Merkmalen der getesteten Gruppe und Merkmalen des Tests. Die “Prävalenz”, also der Anteil der Erkrankten in der Gruppe, die man testet, ist ein Wert, der nichts mit dem Test zu tun hat. Anders als die “Sensitivtät” (das ist die Wahrscheinlichkeit, mit der der Test Kranke entdeckt) und die “Spezifität” (die Wahrscheinlichkeit, mit der der Test Gesunde erkennt). Das sind Gütemerkmale des Tests. Daraus errechnet sich dann z.B. der positive prädiktive Wert (die Wahrscheinlichkeit, mit der ein positiv Getesteter auch wirklich positiv ist). Dieser Wert hängt also vom Test und von der Prävalenz der getesteten Gruppe ab.

      Das abstract ist etwas schwierig, weil es, wie gesagt, relevante Informationen nicht liefert. Vielleicht stehen sie im Artikel.

  21. #27 Herr Senf
    gesund zu Hause
    23. März 2020

    zu #21 und #24:
    wir haben zZ in Dt 350 getestete Infizierte auf 1 Mio Einwohner.
    Da sind noch viele Gesunde für das Virus übrig, wenn es nicht gestoppt wird.
    Pi x Daumen kann eine Epidemie höchstens 70% erreichen, 30% haben Glück.
    Praktisch laufen Epidemien sich schon unter 30%, aus, wären max 300T/Mio.
    Wenn alle die Vorsorge mitmachen, könnten wir insgesamt unter 100T bleiben.

  22. #28 Klaus Trophobie
    23. März 2020

    @Joseph Kuhn
    Ich bin verwirrt. Wenn Spezifizität (“richtig-negativ”/”falsch-positiv”+”richtig-negativ”) Gütemerkmal des Tests ist. Wieso ist die Falsch-Positiv-Rate (“falsch-positiv”/”falsch-positiv”+”richtig-negativ”) dann, wie von Aveneer erklärt, von der Prävalenz abhängig?

    Das selbst eine geringe Falsch-Positiv-Rate uns den positiven predikativen Wert (Vorhersagewert) verhagelt wenn viel mehr Gesunde als Kranke getestet werden kann ich soweit nachvollziehen.

  23. #30 shader
    23. März 2020

    Ich würde gerne nochmal auf das Thema Herdenimmunität kommen. Mir scheint, dass einige Politiker und sonstige Zeitgenossen davon ausgehen, dass das so kommen muss (mit ca. 60% Infizierten). Aber ist das nicht fatalistisch, wenn man bedenkt, dass das selbst bei einer Sterblichkeit von 0,5% mindestens 250.000 Menschen das Leben kosten wird. Muss nicht der Anspruch sein, weit weniger Infizierte im Land zu bekommen? Momentan haben wir nach offiziellen Zahlen weniger als eine Person von 1000 infiziert. Man muss sich doch mal die Frage stellen, ob es nicht mit vertretbaren Aufwand gelingen könnte, dass innerhalb eines Jahres nur 1% infiziert ist. Dann hätten wir auch weit bessere Werkzeuge gegen das Virus (ggf. Impfung, Medikamente und auch wesentlich schnellere Tests).

  24. #31 RainerO
    24. März 2020

    @ shader
    Herdenimmunität kann man ja auch durch eine Impfung erreichen. Und alle ernstzunehmend Zeitgenossen, die von den 60-70% reden, gehen von 2-3 Jahren aus, bis das erreicht wird.
    Aber sobald eine Impfung verfügbar sein wird (in etwa einem Jahr) kann man davon ausgehen, dass sich jeder mit einem Funken Restverstand (Impfgegner also ausgeschlossen) impfen lassen wird.
    In Österreich ist derzeit 1 von 2000 erkannt infiziert. In Wirklichkeit aber wohl eher 1 von 4-500. Will man das mit den derzeitigen Maßnahmen auf 1% beschränken, dürften sich maximal ca. 90.000 infizieren. Da wir wohl schon jetzt ca. 20.000 haben, wird das schwierig.
    Ob man für Deutschland die Zahlen einfach x10 nehmen kann, wird sich in den nächsten Tagen zeigen.

  25. #32 RainerO
    24. März 2020

    Ach, ja. Wie wichtig Testen ist, zeigt auch das Ergebnis des ersten Screening-Tests in Island. Dort sind 50% der positiv getesteten Fälle symptomlos.

  26. #33 shader
    24. März 2020

    @RainerO: “Herdenimmunität kann man ja auch durch eine Impfung erreichen.”

    Das stimmt natürlich.

    “Und alle ernstzunehmend Zeitgenossen, die von den 60-70% reden, gehen von 2-3 Jahren aus, bis das erreicht wird.”

    Das würde selbst bei 60% und 3 Jahren bedeuten, dass man im Schnitt 50.000 Neuinfizierte am Tag hätte. D.h. mehr Infizierte, als wir in Deutschland bis jetzt eigentlich haben.

  27. #34 Joseph Kuhn
    24. März 2020

    @ shader:

    “60% Infizierten … mindestens 250.000 Menschen … ist das nicht fatalistisch”

    Das war eine Überschlagsrechnung zur Abschätzung, bis wann sich die Epidemie von alleine totläuft, unter der Annahme, dass jeder Infizierte drei andere Menschen ansteckt, dass sich Infizierte und Nichtinfizierte hinreichend gut durchmischen und dass es sonst keine Barrieren der Virenausbreitung gibt.

    Eine Impfung würde früher zur Herdenimmunität führen, darauf hat RainerO ja schon hingewiesen, und je nachdem, wie sich das Virus empirisch wirklich verbreitet, könnte sich die Epidemie auch so früher totlaufen.

    Aber so lange man keine guten Hinweise hat, dass das Virus irgendwie aufgehalten wird, muss man von den 60 % ausgehen und dann eben auf flatten the curve, Schutz der Vulnerablen etc. setzen.

    Dass das Virus über die Jahre verteilt 250.000 Menschen töten könnte, ist wiederum eine Überschlagsrechnung mit Durchschnittswerten. Auch das hängt davon ab, wie die faktische Letalität ist (in Abhängigkeit z.B. von der Überforderung oder Nichtüberforderung der Kliniken, der Entwicklung von Medikamenten usw.), wie gut die Vulnerablen geschützt werden können (und die Durchseuchung disproportional verläuft), wie sehr Sars-Cov-2 und Influenza usw. um die gleichen Opfer “konkurrieren” (eine Teilrationalität in Wodargs Argumentation zum Sterben mit und Sterben durch Sars-Cov-2 übrigens) usw. usw.

    Ergo: Ja, das ist die “fatalistsche” Variante.

  28. #35 Klaus Trophobie
    24. März 2020

    @Joseph Kuhn
    Um die Sache nun hoffentlich abzuschließen: Nach meinem Verständnis hat Avaneer von Falsch-Positiv-Rate gesprochen wo er entweder positiven prädiktiven Wert oder Falsch-Positiv Fälle meinte.
    Ersteres ist von der Testgüte abhängig. Die letzteren werden aber auch von der Prävalenz beeinflusst.

  29. #36 shader
    24. März 2020

    Könnten bei der hohen Sterberate in Italien nicht zwei Faktoren zusammenkommen. Die hohe Zahl an Corona-Infektionen und die Luftverschmutzung? Weil ich habe mir gerade einige Verschmutzungslandkarten von Europa angeschaut, und da fällt augenscheinlich auf, Norditalien ist ein großes Gebiet mit einer hohen Schadstoffkonzentration.

    Siehe z.B. hier: https://katapult-magazin.de/de/artikel/artikel/fulltext/atemlos-durch-den-winter/

    Und auch in Madrid gibt es einen Hotspot mit hoher Schadstoffbelastung.

    Und in einem Artikel, der 2019 rauskam, wurde Wuhan eine ungesunde Schadstoffkonzentration bescheinigt: https://techkou.net/kolumne/luftverschmutzung-in-china-so-schlimm-ist-es-wirklich-vor-ort/

  30. #37 Uli Schoppe
    25. März 2020

    @shader wenn ich Corona- und Bevölkerungsdichtekarten übereinanderlege habe ich auch eine Korrelation. Und wenn ich die Verschmutzung und die Bevölkerungsdichte übereinander lege auch. Was sagt uns das? 🙂

  31. #38 shader
    25. März 2020

    @Uli Schoppe, ich habe keine Korrelation zwischen Luftverschmutzung und Corona angesprochen. Sondern das es für die Sterblichkeit zwei wichtige Faktoren geben könnte, neben der hohen Zahl der Coronafälle (die ein Gesundheitssystem überlasten können) könnte es auch die Luftverschmutzung sein. Und da könnte man schon hohe Sterblichkeit (absolut oder relativ) mit dem Level an Luftverschmutzung vergleichen.

  32. #39 RainerO
    25. März 2020

    Zu Italien gibt es eine Untersuchung.

  33. #40 Joseph Kuhn
    26. März 2020

    @ shader:

    Die Frage von Uli Schoppe ist nicht unberechtigt, weil sowohl Luftverschmutzung als auch eine hohe Bevölkerungsdichte (= hohe Kontaktraten) das Infektionsrisiko erhöhen könnten, die Luftverschmutzung zusätzlich das Erkrankungsrisiko und das Risiko eines schweren Verlaufs.

  34. #41 Klaus Trophobie
    26. März 2020

    Da schau her, das Paper das ich hier neulich verlinkt hatte wurde widerrufen…

    • #42 Joseph Kuhn
      26. März 2020

      @ Klaus Trophobie:

      “wurde widerrufen”

      Das mit den 47 %?

      Unabhängig davon, ob das konkrete Papier mit dem etwas spärlichen abstract zu Recht zurückgerufen wurde oder nicht, weist das auf eine kniffelige Situation hin: Es ist gut, wenn vorhandene Daten gerade so schnell wie möglich veröffentlicht werden, auch auf preprint-Servern. Einerseits werden damit Daten schneller zugänglich, sehr wichtig. Andererseits steigt damit natürlich das Risiko, dass Sachen veröffentlicht werden, die sich als falsch erweisen, damit muss man leben, aber auch, dass Sachen veröffentlicht werden, die man als junk science besser nie gesehen hätte.

  35. #43 shader
    26. März 2020

    Kein Beweis, aber ein weiteres kleines Indiz, dass vielleicht die Luftverschmutzung bei den Todeszahlen eine Rolle spielen könnte. In Österreich fällt auf, dass die meisten Fälle bekanntermaßen im Bundesland Tirol aufgetreten sind. Aber die meisten Todesfälle gibt es in Wien.

    Stand 26.März:
    Tirol – 1.623 Covid-Fälle, 4 Tote
    Wien – 825 Covid-Fälle, 14 Tote

    In Wien gibt es auch erwartungsgemäß eine hohe Schadstoffbelastung.

    • #44 Joseph Kuhn
      26. März 2020

      @ shader:

      “Kein Beweis, aber ein weiteres kleines Indiz”

      So ist es. Die Luftverschmutzung als lungenschädigender Einflussfaktor ist plausibel, ob die Zahlen aus den zwei Regionen das zeigen, bleibt abzuwarten. Vielleicht spiegeln sie auch nur eine unterschiedliche Testaktivität wider, siehe z.B. Punkt 3 beim Stichwort Letalität.

  36. #45 Irmtraud Steck
    Bobingen
    27. März 2020

    hallo zusammen, ich fühle mich bei euch gut aufgehoben in Zeiten von Corona und einer Flut an Halbwahrheiten und unzulässigen Schlüssen daraus. Eine Freundin hat mir folgenden Link geschickt und ich bitte um euren Sachverstand. http://www.swprs.org/covid-19-hinweis-ii/. Kommt mir suspekt, aber teilweise bedenkenswert vor (siehe Luftqualität), aber dadurch auch verführerisch.

  37. #46 Irmtraud Steck
    Bobingen
    27. März 2020

    Nochmal ich. Da ihr mit Recht auch sagt, nicht nur einen Link posten, sondern auch selbst überlegen, möchte ich nun zu folgendem Link meine Überlegung darlegen. (Übe mich gerade wieder im methodischen Denken, ist etwas eingerostet, kommt durch euch aber wieder in Schwung). Generell bemerke ich den Fehler, dass aus einer Korrelation eine Kausalität gemacht wird. Das kann man nur unter streng kontrollierten Laborbedingungen tun und selbst da muss man sich Kritik gefallen lassen, wenn man nicht alle Parameter sorgfältig gewichtet und beachtet hat. Also: ein Zusammenhang zwischen Luftqualität und Sterberate ist und bleibt erst mal ein Zusammenhang und keine Ursache. Dass bei einer Lungenerkrankung die Umweltbelastung in dieser Hinsicht ein Risikofaktor sein kann, ist ein ernstzunehmendes Argument, sie als Ursache hinzustellen ist methodisch falsch. Denn im Umkehrschluss müssten dann in Städten mit sehr schlechter Luftqualität bei Smogalarm auch eine ähnliche Häufung genau dieser Symptomatik festgestellt werden. Die Behauptung, dass ja hauptsächlich nur ältere Menschen betroffen sind ist erstens trivial wenn man die nächste Äußerung liest, dass die Region um Bergamo eine überaltete Gesellschaft hat, und sagt damit 2. nichts über den Zusammenhang mit der Viruserkrankung aus. In Hamburg seien wohl z.Zt. eher junge Leute schwer betroffen, weil sie in Skiurlaub im Hotspot in Österreich waren. Und auch bei jüngeren ist noch nicht klar, ob sie, selbst wenn sie eher überleben, nicht doch Folgeschäden haben, u.U. ihr Leben lang. Das selbe gilt für die Argumente der Co-Morbidität, das wurde hier ja schon öfter behandelt. Dass das das Risiko erhöht, an Covid-19 zu sterben ist unbestritten, unter den Tisch fällt dabei, dass diese Menschen wohmöglich ohne das Virus noch schöne Tage, Monate, Jahre vor sich gehabt hätten. Was er zur Überlastung der Kliniken sagt ist ein Windei: eine Beobachtung wird als Begründung verkauft oder so ähnlich, also bei der Behauptung verdreht sich mein Hirn. ÄÄH? Auch die Unterscheidung von Tod durch oder mit dem Virus geht in eine ähnliche Richtung, es ist ein Denkanstoß, der erst mal nur eine Beobachtung ist, aber suggeriert, dass da methodisch etwas übersehen wird, mit dem Tenor: Leute alles nicht so schlimm. Aber eigentlich müsste man dafür die Wahrscheinlichkeit berechnen, dass jemand ohne Virus an den Vorerkrankungen gestorben ist und in Beziehung setzten zu dem Fakt, dass er genau zu diesem Zeitpunkt nämlich mit dem Coronavirus gestorben ist. Das Beispiel Südkorea unterschlägt, dass sie durch die Mers-Epídemie 2015 wohl sehr bitter gelernt haben, was so eine Epidemie anrichten kann, fertige Notfallpläne in der Schublade hatten, die Bevölkerung bereits entsprechen trainiert war und, ganz wichtig, Handy-Tracking wohl das wirksamste Mittel war, um Infektionsketten ausfindig zu machen und zu unterbinden. Das wird ja bei uns bereits diskutiert, und dass es diskutiert wird beruhigt mich, und nicht einfach angeordnet wird (Die Opposition funktioniert noch bei aller Einigkeit). Außerdem scheint der Altersdurchschnitt in Südkorea auch ein anderer zu sein (müsste ich überprüfen, bin aber nicht so geübt darin. Seine Skepsis dem Test gegenüber kann ich nicht beurteilen, was sagt ihr dazu? Auch seine Schlussfolgerung, man müsse nicht die Rate der Infizierten und Toten betrachten, sondern die Übersterblichkeit, womit er wieder methodische Unsauberkeit suggeriert, macht mich irgendwie wirr im Kopf. Ich dachte genau das machen wir: es gibt eben gerade eine ungewöhnlich hohe Rate an Toten durch eine Lungenentzündung und das Coronavirus genau dies verursacht, so dass der Schluss nahe liegt, dass bei allen Risikofaktoren, die auch (eine zu gewichtende Rolle) spielen, die Annahme zumindest sehr plausibel scheint, dass der Tod entscheidend durch das Virus verursacht wurde. Und dann kommt ein Statement, das ich auch gerne erläutert haben würde. Denn ich denke, genau das tun wir gerade endlich einmal kollektiv, Alte und Vorerkrankte schützen. Sollte er im Moment eine bessere Idee haben, wie wir das wirksam tun können würde ich sie gerne hören. Ich bin nämlich nicht überzeugt, dass alle alten und vorerkrankten Menschen sich einfach so in Quarantäne begeben würden, ich sehe bei uns in der Kleinstadt noch viele ältere Menschen beim Einkaufen, die zudem bei der Abstandsregel ziemlich verwirrt reagieren und gar nicht verstehen, was das jetzt auf einmal soll. So das wars erstmal. Ist das erste Mal, dass ich in einem Blog etwas schreibe, ist vielleicht noch etwas ungelenk, aber wird schon noch werden.

  38. #47 Irmtraud Steck
    Bobingen
    28. März 2020

    Vergesst es, euch damit zu beschäftigen, ich bin jetzt mal auf die Seite von swprs.org gegangen und da gruselt es einen ja richtig. Interessant finde ich, dass sie die Techniken von Manipulation gleich auf ihre Website angegeben haben, an Hand derer man sie gleich entlarven kann. Aber trotzdem hat es mir geholfen, mich zu klären und meinen Verstand aufzupolieren.

  39. #48 rolak
    28. März 2020

    da gruselt es

    Das kann garnicht sein, Irmtraud, die haben doch sogar eine Extraseite bei Psiram

  40. #49 Joseph Kuhn
    29. März 2020

    @ Irmtraud Steck:

    Nicht nur Psiram, z.B. auch die Tagesschau: https://www.tagesschau.de/faktenfinder/ausland/schweiz-desinformation-101.html

  41. #50 oberton
    Bayern
    31. März 2020

    Mir wird zuwenig darüber gesprochen, dass die Maßnahmen niemanden vor dem Virus schützen sollen, sondern ausschließlich dazu dienen, das Krankenhaussystem nicht zu überlasten (und durch Unterversorgung hervorgerufene zusätzliche Komplikationen zu vermeiden).

    Nun gibt es aber ja zwei Wege, die Überlastung zu verhindern: Verlangsamen der Ausbreitung oder Aufstockung des Krankenhaussystems. Zurzeit bezahlen wir alle für die Versäumnisse im Gesundheitswesen mit zerstörten Existenzen und Verlust von Freiheitsrechten. Für eine lahme Aufstockung von Intensivbetten hört man überwiegend Ausreden.

    Wenn man jetzt schon von 1 Billion Eur Wirtschaftförderung spricht, könnte man stattdessen davon 12 Mio zusätzliche Intensivbetten finanzieren. Das sollte auch für die nächste Pandemie reichen. Und es gäbe nach Corona noch Menschen, die ihre Krankenversicherung zahlen können.

    Ich verstehe nicht, dass das kaum diskutiert wird.

    • #51 Joseph Kuhn
      31. März 2020

      @ oberton:

      Es gibt einiges an Versäumnissen aufzuarbeiten, da haben Sie Recht. Aber hunderttausende oder gar Millionen Intensivbetten könnte niemand Jahr für Jahr zur Pandemie-Vorsorge finanzieren, ganz abgesehen davon, dass dazu die Pflegekräfte fehlen würden.

      Insofern kann man darüber nicht diskutieren, über eine bessere Pandemie-Vorsorge wird man gleichwohl sprechen müssen.

  42. #52 Joseph Kuhn
    10. April 2020

    Eine Schweizer Stimme:

    In der Schweizer “Mittelländischen Zeitung” ist ein Gastkommentar des Mediziners Paul Vogt zur Coronakrise. Vieles sind bekannte Punkte, hinweisen möchte ich in dem Thread hier trotzdem auf den kurzen Abschnitt “Eine gewöhnliche Grippe” in seinem Kommentar:

    “Keiner meiner Kollegen – und ich natürlich auch nicht – und niemand vom Pflegepersonal kann sich erinnern, dass in den letzten 30 oder 40 Jahren folgende Zustände herrschten, nämlich dass:
    1. ganze Kliniken mit Patienten gefüllt sind, welche alle dieselbe Diagnose besitzen;
    2. ganze Intensivstationen mit Patienten gefüllt sind, welche alle dieselbe Diagnose aufweisen;
    3. 25% bis 30% der Pflegenden und der Ärzteschaft genau jene Krankheit auch erwerben, welche jene Patienten haben, die sie betreuen;
    4. zu wenig Beatmungsgeräte zur Verfügung standen;
    5. eine Patientenselektion durchgeführt werden musste, nicht aus medizinischen Gründen, sondern weil wegen der schieren Anzahl an Patienten schlicht das entsprechende Material gefehlt hat;
    6. die schwerer erkrankten Patienten alle dasselbe – ein uniformes – Krankheitsbild aufgewiesen haben;
    7. die Todesart jener, die auf der Intensivstationen verstorben sind, bei allen dieselbe ist;
    8. Medikamente und medizinisches Material auszugehen drohen.”

  43. #53 rolak
    10. April 2020

    Gastkommentar

    Ich bin mir zwar noch keineswegs sicher, warum der Text so stabil auf mich wirkt, doch der Effekt ist nicht von der Hand zu weisen…
    Schönen Dank für die WeiterschickVorlage, Joseph!

  44. #54 Joseph Kuhn
    22. April 2020

    Sterbefälle in Großbritannien:

    Die Financial Times geht davon aus, dass es in Großbritannien aktuell nicht 17.000 Corona-Tote gibt, wie offiziell gemeldet, sondern 41.000. In den offiziellen Zahlen seien nur die im Krankenhaus Gestorbenen enthalten: https://www.ft.com/content/67e6a4ee-3d05-43bc-ba03-e239799fa6ab

    So kann das gehen mit internationalen Vergleichen. Wer weiß, was in Russland (nicht) gezählt wird, oder in anderen Ländern.