Prof. Bernt-Peter Robra, ein „Urgestein“ der Versorgungsforschung in Deutschland, Mediziner und Epidemiologe, von 1992 bis 2018 Direktor des Instituts für Sozialmedizin und Gesundheitsökonomie der Universität Magdeburg, hat in einem Gastbeitrag Trenddaten zu drei wichtigen Indikatoren zusammengestellt und kurz kommentiert. Mir persönlich macht die Entwicklung in den Pflegeheimen Sorge, weil dort wieder mit vielen Sterbefällen zu rechnen ist, wenn es nicht gelingt, den Eintrag von Infektionen in die Heime zu kontrollieren. Da sind gute Ideen nach wie vor gefragt.

Corona: Tagesberichte zu Trends

Bernt-Peter Robra

Täglich versorgt der RKI-Lagebericht die Öffentlichkeit mit verfügbaren aktuellen Zahlen und ausgewählten Trends zur Corona-Epidemie. Tages- und Wochenzeitungen visualisieren diese und weitere Verlaufsinformationen, auch im internationalen Vergleich. Es fehlt also nicht an Daten. Deren Formate sind allerdings heterogen: Fallzahlen pro Tag oder kumulativ, Wochensummen oder gleitende 7-Tages-Mittelwerte, jeweils absolut oder populationsbezogen. Es fällt dem Bürger schwer, einen konsistenten Überblick über die Entwicklung der Epidemie zu bekommen.

Die nachstehende Abbildung ist ein Vorschlag, die Lageentwicklung mit Daten aus dem RKI-Lagebericht übersichtlich abzubilden. Die vertikale Achse ist logarithmiert, damit prozentual gleiche Entwicklungen gleiche Steigungen aufweisen. Die oberste Kurve (blau) sind die testpositiven Fälle der jeweils letzten 7 Tage (aus Tabelle 1 des täglichen RKI-Lageberichts), allerdings skaliert auf 1 Mio. Einwohner. Die anderen Daten sind gleitende 7-Tages-Mittelwerte, auch jeweils bezogen auf 1 Mio. Einwohner.

Der Trend der auf Intensivstationen versorgten COVID-19-Patienten („DIVI-Fälle“, eine Punktprävalenz) ist über lange Zeit dem Trend der testbestätigten Fälle nicht gefolgt, sondern abgefallen. Allerdings sind nie weniger als 220 Patienten mit COVID-19 intensivpflichtig gewesen. In den letzten Tagen hat die Ausbreitung der Epidemie die Intensivstationen wieder stärker erreicht. Auch bei den COVID-19 zugerechneten Todesfällen (rot) deutet sich ein Wiederanstieg an.

Zusätzlich sind Trends der testbestätigten Meldungen aus Kindereinrichtungen (§ 33 Infektionsschutzgesetz) und Pflege- und Betreuungseinrichtungen (§ 36 IfSG) ergänzt. Dabei habe ich die Fälle der in den Einrichtungen Betreuten und der dort Tätigen zusammengefasst. Anfang August beginnt eine Zunahme der Fälle in den Kindereinrichtungen, im September auch in den Pflege- und Betreuungseinrichtungen, wenn auch beide noch auf absolut geringem Niveau.

Kommentare (22)

  1. #1 Karl Mistelberger
    mistelberger.net
    25. September 2020

    > Es fehlt also nicht an Daten. Deren Formate sind allerdings heterogen: Fallzahlen pro Tag oder kumulativ, Wochensummen oder gleitende 7-Tages-Mittelwerte, jeweils absolut oder populationsbezogen. Es fällt dem Bürger schwer, einen konsistenten Überblick über die Entwicklung der Epidemie zu bekommen.

    Coronavirus in Österreich: Daten und Karten

    Damit alle die Ausbreitung der Coronavirus-Infektionen in Österreich kompakt überblicken können, zeigt ORF.at mit genauer Zeitangabe die aktuell verfügbaren Coronavirus-Daten für ganz Österreich sowie Zahlen und eine Karte für die Bundesländer.

    https://orf.at/corona/stories/daten/

  2. #2 Uli Schoppe
    25. September 2020

    Danke für die vernünftige Darstellung 🙂

    Solange wir aber bei der Quarantäne hingehen und 3 von 4 Familienmitgliedern frei laufen lassen und nur eines muss zu Hause bleiben geht mir jetzt echt das Verständnis für die Maßnahme ab ^^ Vor allem wenn 56% aller Infektionen in der Familie stattfinden. Dann ist das alles doch eher show ^^ Ist ja nicht nir bei den Osbournes so ^^

  3. #3 Uli Schoppe
    25. September 2020

    edit: Ich will mich bei der Prozentzahl nicht festlegen, es waren halt über 50% ^^

    • #4 Joseph Kuhn
      25. September 2020

      @ Uli Schoppe:

      Der häufigste Ort der Ansteckung hat sich in Deutschland im Lauf der Zeit stark verändert. Das ist keine Konstante, sondern hängt vom Infektionsgeschehen ab.

  4. #5 ralph
    25. September 2020

    In der heutigen Sendung “Forschung aktuell”, Deutschlandfunk, war die Rede von stark abnehmender Sterblichkeit bei Covid-19 Infektionen, auch innerhalb der Alterskohorten. Man führt dies auf die zunehmende klinische Erfahrung mit der Krankheit und bessere Behandlungsmethoden zurück. Ein anderer Faktor könnte aber auch sein, dass die AHA Regeln dazu führen, dass die Dosis an Viren von neu Infizierten wesentlich geringer geworden ist. Dann hat das Immunsystem mehr Zeit, sich auf den Virus einzustellen, was insbesondere bei älteren Menschen von Bedeutung sein kann. Das wäre eine sehr gute Nachricht, denn es käme allmählich zur gewünschten Herdenimmunität, ohne eine Überlastung des Gesundheitssystems. Diesbezüglich Studien sind im Gange und bleiben abzuwarten.

  5. #6 Uli Schoppe
    26. September 2020

    @Joseph
    Wenn ich bestimmte Infektionsmöglichkeiten wieder ins Spiel bringe muss sich der häufigste Ort der Ansteckung verschieben 😉
    Mir geht das nur nicht vernünftig auf das cih eine Kontaktperson I zu Hause isoliere, das aber nach einem (sic!) Test wieder aufhebe und die 3 Kontaktpersonen II in einer anderen Kita iO sind und auch in der Konstruktionsapteilung einer großen Firma als Ingenieur ^^
    Wärend die 78 jährige Mutter eines Monteurs den ich am Freitag da hatte seit 5 Wochen ^^ im KH isoliert wird. Weil man aus Versehen jemand positiven ins Zimmer geschoben hat. Was eigentlich noch nicht mal so aufregend ist. Fehler passieren, wenn es nicht wirklich grob fahrlässig war OK. Der hat aber einen Anwalt eingeschaltet. Wegen Freiheitsberaubung ^^
    Den Zahn mit der Sippenhaftung hat man ja schon Behörden gezogen. Was eigentlich belegt das unsere Justiz funktioniert nur viel zu langsam reagiert…

  6. #7 Uli Schoppe
    26. September 2020

    Uli der Fehlerteufel hat wieder zugeschlagen, sorry dafür 😉

  7. #8 Fluffy
    26. September 2020

    Für manche Anwendungen ist die Nutzung einer halblogarithmischen Darstellung durchaus sinnvoll. Ich würde aber zwischen den Zehnerpotenzen noch einen zusätzlichen beschrifteten Tic anbringen. Das intuitive Gefühl ist bei den meistenMenschen funktioniert immer noch linear und verbindet mit der Mitte zwischen 10 und 100 z.B. die 50, was aber nicht korrekt ist.
    Was sieht man jetzt an der Darstellung? Die “Zweite Welle”? Wohl kaum. Einen “Exponentiellen Anstieg”? Auch nicht.
    Die Fallzahlen nehmen zu. Die Zahl der Intensivsfälle nimmt ab. Die Zahl infizierter Kinder nimmt zu. Die Gesamtdynamik ist also eher komplex.

    Dass die geschätzte Zahl der Ansteckungen zu 50% im häuslichen Bereich liegt, korrespondiert ganz gut mit der Annahme, dass wir 50% unserer Zeit mit engen Angehörigen, 30% mit Arbeitskollegen und 20% im ÖPNV verbriingen. Alles kein Hexenwerk.

    • #9 Joseph Kuhn
      27. September 2020

      @ Fluffy:

      Warum soll die Grafik einen exponentiellen Anstieg zeigen? Sie zeigt auch nicht den Sonnenuntergang oder die Bierpreise. Auch nicht die Zahl infizierter Kinder, sondern Ansteckungen in Kindereinrichtungen. Natürlich ohne unterirdische Verließe, wie QAnon-Anhänger richtig vermuten.

      Bei den Intensivfällen ist die aktuelle Entwicklung interessant, nicht was vor zwei Monaten in den Zeitung stand. Die Intensivfälle nehmen gerade zu, nicht ab. Nicht viel zu, aber etwas. Die Frage ist, was bedeutet das.

      Und was die Ansteckungen im häuslichen Bereich angeht, und womit sie korrespondieren, das ist komplex. Im Frühjahr gab es nämlich zeitweise vor allem Ansteckungen in Heimen. Obwohl wir auch da 50 % unserer Zeit mit engen Angehörigen verbracht haben, nachts, nach der Arbeit, sofern wir nicht in einem Heim untergebracht waren. Und wer 20 % seiner Zeit im ÖPNV verbringt, sollte die Straßenbahn an der Endhaltestelle verlassen. Alles kein Hexenwerk, einfach aussteigen.

  8. #10 Uli Schoppe
    27. September 2020

    @Joseph
    Ironisch rumätzen kann ich auch ^^
    Ich habe nämlich gerade einen Bekannten der mit seinem Schlaganfall tatsächlich auf der Intensivstation behandelt wird die sonst leer ist wegen Corona. Und den hat es böse erwischt. Ist “nur” ein Bekannter vom D+D spielen also wird es nicht so schlimm sein.

    Und wie ich schon mal erwähnt habe hat in das Altenheim meiner Schiegermutter das verkackte Personal Corona eingeschleppt, nicht die asozialen Besucher.

    • #11 Joseph Kuhn
      27. September 2020

      @ Uli Schoppe:

      Ja, nach allem was man weiß, war das Personal in Heimen ein wesentlicher Risikofaktor, z.B. wenn bei Infektionen nicht kohortiert wurde, nachts eine Pflegekraft für mehrere Stationen zuständig war oder die Pflegekräfte in den Pausen ohne Schutz beeinander saßen. In der Hinsicht hat man hoffentlich in den meisten Heimen dazu gelernt.

  9. #12 Uli Schoppe
    27. September 2020

    @Joseph
    Ich hoffe das auch das man da dazu gelernt hat. Offensichtliche Fehlentscheidungen könnte ich hier auflisten bis zum Anschlag. Das ist dann schon fast Ärzte bashen 😉 Aber bringt mir ja nichts. Die Politik muss da hin das södern nichts bringt. Aber mit Kopf nicht mit Bauch wie ich eben meinen Kommentar geschrieben habe ^^
    Wir wären viel besser dran wenn das Risiko von den Menschen auf Basis der eigenen Vernunft vernünftig (sic!) eungeschätzt würde. Ohne das sich Politiker einmischen. Und dafür brauchen wir vernünftige Evidenz ^^ Ich bin da bei der Evidenz nun auch keine wirkliche Fachkraft, denke aber mal das das bashen des Netzwerks auch keine Lösung ist. Wie es viele Medien jetzt tun. Was mir auf die Eier geht. Journalisten die vom Thema NOCH weniger Ahnung haben als ich. Da ich gerade bei der Stichwahl war 😉 : Demokratisch entschieden in einem vernünftigen Diskurs fände ich wirklich toll. Wenn sich jemand hinstellt und erklärt das er seine Entscheidungen auf die Aussagen eines Wüstenkobolds von dem er schon mal gelesen hat stützt werde ich unleidlich…

    Was die Heime angeht: anekdotisch könnte es sein das sich da Vernunft durchsetzt in nächster Zeit, ich habe halt keine Zahlen sondern nur Erfahrung ^^

  10. #13 Fluffy
    27. September 2020

    Warum soll die Grafik einen exponentiellen Anstieg zeigen?

    Weil dann einige Leute endlich die bisher verkündeten Maßnahmen “begründen” könnten. Sie schauen wohl keine Talkshows ala Markus L. oder Sandra M. Ich auch nicht, weil ich die unsachlichen Argumente und die tendenziöse Moderation nichr ertrage.
    Stellen sie zu einer sachlich angelegten Demo einen mit ‘ner R*****k****flagge und lassen sie ein Kamerateam vom ZDF unter Anführung von D. H. draufhalten, dann hat sich eine objektive Berichterstattung erledigt.

    Natürlich ohne unterirdische Verließe, wie QAnon-Anhänger richtig vermuten

    Nebelkerze?

    • #14 Joseph Kuhn
      27. September 2020

      @ Fluffy:

      “Nebelkerze?”

      Zaunpfahl.

  11. #15 Uli Schoppe
    27. September 2020

    Könnten wir aus dem Kindergarten mal wieder raus kommen? 🙂
    Erst nochmal danke für den Gastbeitrag und die nette Graphik, da kann man was raus denken.
    Aber sich Granaten der Bundeswehr und Geländeabgrenzungen um die Ohren zu hauen da sollten wir mal drüber stehen ^^

    • #16 Joseph Kuhn
      27. September 2020

      @ Uli Schoppe:

      Das ist kein Kindergarten, sondern eine präzise Frage-Antwort-Sequenz.

      Fluffy hatte gefragt, ob ich die Sachlage verunklaren will (“Nebelkerze?”), ich habe angeregt, noch einmal in meinem Kommentar nachzulesen (“Zaunpfahl!”). In der Grafik sind Ansteckungen in Kindereinrichtungen abgebildet. Kinder können sich aber nicht nur in Kindereinrichtungen anstecken, sondern z.B. auch im Haushalt (dort werden sich im Frühjahr die meisten Kinder angesteckt haben, weil die Kindereinrichtungen ja geschlossen waren), und in Kindereinrichtungen können sich nicht nur Kinder anstecken, sondern z.B. auch Erwachsene.

      Fluffys Aussage “Die Zahl infizierter Kinder nimmt zu”, die er aus der Grafik herausliest, lässt sich also nicht ganz so umstandslos aus der Grafik herauslesen. Dazu muss man nach den Meldefällen nach Alter schauen, nicht nach den Fällen nach Einrichtungsart. Frage, Antwort.

  12. #17 Uli Schoppe
    27. September 2020

    @Joseph

    Gib es zu, du gibst es den Leuten auch gerne von der Seite 😉
    Was die Kindereinrichtungen angeht hast Du vollkommen Recht, und da konnte auch nichts weiter getragen werden bis man wieder auf gemacht hat.

    Wenn ich mir aber (gerade im Moment! ^^) die Nachrichten ansehe und mir dabei gesagt wird “Was uns nächste Woche als Maßnahmen droht: Mehr Maske blahblah blah” könnte das dazu führen das ich zum Maskenverweigerer werde. So langsam wird das für mich zur Posse…
    Ich überlege mir gerade ob ich meine Grippeimpfung absagen soll. Gerade wenn sie gratis wird. Und ich bin jedes Jahr dabei gewesen. Gerade weil der Schwätzer Lauterbach das fordert. Der mit der Digitalisierung in sechs Wochen, habt Ihr ja alle lesen können. Wir sind doch nicht im Zoo.

  13. #18 Fluffy
    28. September 2020

    Nebelkerze – bezog sich auf das verschwörungstheorieunterstellende Wort

    QAnon

    $33 IfSG (warum muss ich immer selber nachgucken?) definiert nur die Kinderbetereuungseinrichtungen. Ich vermute jetzt mal, dass dort die erwachsenen Betreuer getestet wurden und nicht die Kinder, im Sinne von Joseph Kuhns Replik.

    • #19 Joseph Kuhn
      28. September 2020

      @ Fluffy:

      Es geht um den Ansteckungsort. Diese Information ist, sofern verfügbar, Teil der Meldung, natürlich auch bei Kindern, die sich in einer Kindereinrichtung angesteckt haben. Die Meldung eines Kindes, das sich zuhause angesteckt hat, ist dagegen nicht mit dieser Information versehen, solche Fälle sind also nicht in der Kurve oben enthalten. Die Familie ist keine Kindereinrichtung nach IfSG. So wenig wie die unterirdischen Gefängnisse, die sich QAnon-Anhänger zusammenphantasieren.

  14. #20 Joseph Kuhn
    28. September 2020

    Update:

    Im 7-Tagesdurchschnitt gibt es nun lt. Worldometers 10 Sterbefälle pro Tag, Anfang August waren es mal 3. Kein Anlass zur Panik, aber Anlass, um sehr genau hinzusehen, denn die 10 Sterbefälle resultieren aus der Infektionslage von vor 4 Wochen.

  15. #21 RPGNo1
    8. Oktober 2020

    Faszinierend!

    SARS-CoV-2, the virus that causes COVID-19, can relieve pain, according to a new study by University of Arizona Health Sciences researchers.

    The finding may explain why nearly half of all people who get COVID-19 experience few or no symptoms, even though they are able to spread the disease, according to the study’s corresponding author Rajesh Khanna, PhD, a professor in the UArizona College of Medicine – Tucson’s Department of Pharmacology.

    https://uahs.arizona.edu/news/pain-relief-caused-sars-cov-2-infection-may-help-explain-covid-19-spread

  16. #22 UMa
    11. Oktober 2020

    @Joseph Kuhn: (#20)
    Der Anstieg der Sterbefälle ist genau in erwarteten Zeitpunkt eingetreten. Inzwischen steigt die Zahl der Infektionen immer schneller und die Sterbefall zahl wird folgen.
    Hier gibt es eine Projektion bis 1. Februar 2021 für 3 mögliche Szenarien:
    https://covid19.healthdata.org/germany?view=total-deaths&tab=trend