Letzte Worte haben immer eine besondere Bedeutung. Sie schließen etwas ab. Legendär ist die Formel „Ich habe fertig“ des Fussballtrainers Giovanni Trapattoni, mit der er am 10. März 1998 eine Pressekonferenz nach einer Niederlage des FC Bayern gegen Schalke beendet hatte. Es waren nicht seine letzten Worte überhaupt, Trapattoni ist 81 und lebt noch. Aber die meisten berühmten letzten Worte sind wohl die, die noch berühmtere Leute auf dem Totenbett gesagt haben, oder gesagt haben sollen. „Mehr Licht“ war’s angeblich bei Goethe, „Immer besser, immer heitrer“ bei Schiller, auf die Frage, wie es ihm gehe.

Mir ist gestern aufgefallen, dass ich inzwischen jede Menge Autobiografien im Bücherregal stehen habe. Wie alle Bücher haben auch Autobiografien letzte Worte, bei denen es darum geht, wie die Autoren „fertig haben“, oder möchten, dass man es so sieht.

Charles Chaplin, Schauspieler: Die Geschichte meines Lebens

„Von solchem Glück erfüllt, sitze ich manchmal bei Sonnenuntergang draußen auf unserer Terrasse und blicke über den weiten, grünen Rasen zum fernen See hinunter und darüber hinaus auf die Zuversicht einflößenden Berge, und in dieser Stimmung denke ich an nichts und freue mich ihrer großartigen Gelassenheit.“

Marcel Reich-Ranicki, Literaturkritiker: Mein Leben

„Wir haben viel Leid erfahren, und viel Glück wurde uns geschenkt. (…) Also enden soll das Buch mit den Versen: ‘Ist ein Traum, kann nicht wirklich sein, dass wir zwei beieinander sein.’“

Oliver Sacks, Psychiater: On the Move

„Im Laufe meines Lebens habe ich Millionen Wörter geschrieben, doch der Akt des Schreibens erscheint mir immer so frisch und beseligend wie vor siebzig Jahren, als ich damit anfing.“

Erich Adalbert Wulff, Psychiater: Irrfahrten

„Sowohl Onkel Wolja als auch sein Vetter Borja Blacher hatten in den letzten Lebenswochen noch damit begonnen, ihre Lebenserinnerungen aufzuzeichnen, waren aber beide über das erste Kapitel nicht mehr hinausgekommen. Adalbert hingegen hatte sie abschließen können. Jetzt musste er auf alle Fälle aus diesem süchtig machenden Meer der Vergangenheit wieder auftauchen.“

Christian Graf von Krokow, Politikwissenschaftler, Schriftsteller: Erinnerungen

„Indem ich über alle Untergänge hinweg zurückblicke, erkenne ich genauer denn je meine Ursprünge. Und im biblischen Alter gefällt mir noch immer oder erst recht der gewissermaßen preußische Spruch aus dem 90. Psalm, der über mein Leben sagt: ‘Und wenn’s köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen; denn es fähret schnell dahin, als flögen wir davon.’“

Günther Dehn, Theologe: Die alte Zeit – Die vorigen Jahre

„Ich schließe dieses Buch mit einem Wort aus dem von mir sehr geliebten 63. Psalm: ‘Deine Güte ist besser als leben. Meine Lippen preisen dich.’“

Helmut Thielicke, Theologe: Zu Gast auf einem schönen Stern

„Wir sind freilich nur Gäste auf diesem schönen Stern, Bewohner auf Abruf und mit versiegelter Order, in der Tag und Stunde des Aufbruchs verzeichnet sind. Der Abschied ist sicherlich nicht leicht: ‘Ich wär‘ ja so gern noch geblieben, aber der Wagen der rollt …’ Doch als Christen sind wir gewiss, dass die uns zugemessene Lebensspanne nur die Adventszeit einer noch größeren Erfüllung ist. Das Land, in das wir gerufen werden, ist eine terra incognita, ein unbekanntes, ja unvorstellbares Land. Nur eine Stimme gibt es, die wir wiedererkennen werden, weil sie uns hier schon vertraut war: die Stimme des guten Hirten.“

Anna Wimschneider, Bäuerin: Herbstmilch

„Wenn ich noch einmal zur Welt käme, eine Bäuerin würde ich nicht mehr werden.“

Stefan Heym, Schriftsteller: Nachruf

„So wird man denn warten müssen mit der Lektüre von Alden Whitmans Nachruf auf mich, bis ich das letzte Stück meines Wegs getragen worden bin. Unterdessen mag der geneigte Leser mit diesem Buche vorliebnehmen.“

Edzard Ernst, Mediziner, Skeptiker: Nazis, Nadeln und Intrigen

„Heute blicke ich von der friedvollen Warte meines Ruhestandes mit einer Mischung aus Zufriedenheit und Ungläubigkeit auf eine oft stürmische Vergangenheit zurück. Der Arzt und Wissenschaftler in mir mag noch immer voller Fragen sein, aber der Musiker atmet erleichtert auf: Die Darbietung mit ihren höllischen Schwierigkeitsgraden und den vielen teuflisch-schweren Passagen ist endlich gut überstanden.“

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Kommentare (17)

  1. #1 hto
    7. März 2021

    Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute

  2. #2 hwied
    7. März 2021

    Am Ende unseres Lebens sind wir uns doch alle sehr ähnlich, wir Menschen.
    Und das muss uns optimistisch stimmen.

  3. #3 Markweger
    7. März 2021

    Irgendwie scheint die Panikmacherei auch keinen Spass mehr zu machen.

    • #4 Joseph Kuhn
      7. März 2021

      @ Markweger:

      Sie meinen vermutlich mit “Panikmacherei” die Daten zu Corona? Aber Sie müssen vor Daten keine Angst haben. Daten helfen gegen Angst.

      Vielleicht schreiben Sie ja mal am Ende Ihrer Autobiografie: “Ein bisschen verrannt hatte ich mich schon in meiner rechten Ideologie und meinem Hass gegen alles Konservative, Liberale und Linke. Dabei dachte ich, ich hätte ‘so viele Jahre leidenschaftlich gegen den Strom für dieses Deutschland gekämpft und den Widerstand nie aufgegeben.‘ Ich war im Irrtum.”

  4. #5 RainerO
    7. März 2021

    @ Joseph Kuhn

    … für dieses Deutschland gekämpft…

    Markweger ist – leider – Österreicher. Es sei denn, man geht davon aus, dass Österreich für ihn ohnehin die Ostmark ist. Dann passt es wieder. Schließlich hat einer seiner Vordenker Österreich als “ideologische Missgeburt” bezeichnet.

    • #6 Joseph Kuhn
      7. März 2021

      @ RainerO:

      “Deutschland … Österreich”

      Ich wollte das Zitat, das ich schon übelst aus dem Zusammenhang des letzten Satzes einer anderen Biografie gerissen habe, nicht auch noch inhaltlich verfremden. Zumal die Formulierung, dass jemand “leidenschaftlich für Österreich” kämpft, bestenfalls von Jan Böhmermann mit dem nötigen schlumpfigen Grinsen annehmbar wäre.

  5. #7 Herr Senf
    7. März 2021

    Karl Marx’s letzte Weisheit

    Letzte Worte sind für Narren, die noch nicht genug gesagt haben.

  6. #8 Markweger
    7. März 2021

    Na ja, gegen konservativ?
    Die CDU ist zu einer linken Partei geworden, zumindest was die Nation betrifft und in einigen anderen Fragen auch.
    Die früheren Kommunisten haben Volk und Nation immer gelten gelassen, sehr im Gegensatz zu den heutigen “Konservativen”. Der Text der DDR Hymne ist nach heutigen Neusprech geradezu rechtsradikal.
    Die CDU ist zu einer Islamisierungspartei geworden, sie war einmal eine christlich konservative Partei.

  7. #9 Alisier
    7. März 2021

    Ajatollah Laschet wird Sie kriegen, Markweger!
    Und dann Gnade Ihnen Allah!

    • #10 Joseph Kuhn
      7. März 2021

      @ Alisier:

      Vielleicht endet Markwegers ungeschriebene Autobiografie ja auch mit den Worten: “Ich habe eigentlich selbst nie verstanden, was genau ich gegen Muslime hatte, warum z.B. ein Kopftuch bei mir Angst, ein Gamsbart-Hut dagegen das Gefühl von Heimat und Geborgenheit auslöst. Ich habe allerdings auch nie wirklich darüber nachgedacht, Österreich war schließlich schon immer ziemlich rassistisch.”

      Jedenfalls soll sein letzter Kommentar vorerst auch wieder sein letztes Wort hier gewesen sein. Gute letzte Worte sind, siehe die Zitate, meist nicht so verbohrt und menschenfeindlich wie seine.

  8. #11 Herr Senf
    7. März 2021

    … dann paßt ja das
    “Wartet noch ein paar Tage, bevor ihr für mich betet!” (Prince)

  9. #12 Pollo
    7. März 2021

    Dass man sozusagen aus dem Bauchgefühl heraus durch Denkarbeit auch zu hervorragenden richtigen Ergebnissen kommen kann, zeigt der Neurowissenschaftler und ehedem österreichische Landsmann Markwegers, Eric Kandel im letzten Satz seiner Biographie:

    Durch den Entschluss, meinen Instinkten, meinen unbewussten Gedankenprozessen zu folgen und ein Ziel anzustreben, das damals unendlich fern schien, führte mich mein Weg in ein Leben, das mir unermessliche Freude bereitete.

    Markweder wird mit ihm nicht übereinstimmen können, denn Kandel ist Jude, den die Österreicher vertrieben haben – und nach unermesslicher Freude sehen M.s Beiträge eher weniger aus. Sein Bauchgefühl scheint geblieben zu sein. Oder mit Marx: Kommt es oben heraus, nennen sie es einen Gedanken, kommt es unten heraus, ist es ein Furz.

  10. #13 Gerald Fix
    8. März 2021

    Nun endlich war die Karre verschwunden. Man hörte ihr Geklapper nur noch leise. Der Mann stand bewegungslos da, lauschte, bis die Stille vollkommen wurde, die Stille des tiefen Friedens. Wie eine samtene Decke breitete sich der Abend über das Land aus, über den nahen Fluß, die Felder, die Straßen und die Bäume – eine lautlose Bewegung – von grenzenloser Zärtlichkeit.
    Manès Sperber, Wie eine Träne im Ozean.

  11. #14 jotemel
    8. März 2021

    “Vor meinem letzten Seufzer stelle ich mir gern einen letzten Scherz vor. Ich bitte alle meine Freunde zu mir, die wie ich überzeugte Atheisten sind. Betrübt versammeln sie sich um mein Bett. Dann kommt der Priester, den ich habe rufen lassen. Zum großen Entsetzen meiner Freunde beichte ich, bitte um Vergebung aller meiner Sünden und empfange die letzte Ölung. Dann drehe ich mich zur Wand und sterbe.

    Ein Geständnis: Trotz meines Hasses auf die Medien würde ich gern alle zehn Jahre von den Toten auferstehen, zu einem Kiosk gehen und mir ein paar Zeitungen kaufen. Mit den Zeitungen würde ich zum Friedhof zurückkehren und von den Katastrophen der Welt lesen, um dann im sicheren Schutz meines Grabes beruhigt wieder einzuschlafen.”

    Luis Bunuel – mein letzter Seufzer

  12. #15 pederm
    8. März 2021

    Böse Zungen deuten Goethes letzte Worte als Rückfall in die Mundart seiner Frankfurter Jugend: “Mer liecht so schlecht!”

  13. #16 hwied
    10. März 2021

    Why not ? After all, it belongs to him.
    (Charly Chaplin, after a priest said , “May the Lord have mercy on your soul”. )

    I´d rather be skiing, than doing what I´m doing
    Stan Laurel

  14. #17 Stephan
    14. März 2021

    Wir sind durch Not und Freude
    Gegangen Hand in Hand,
    Vom Wandern ruhen wir beide
    Nun überm stillen Land.

    Rings sich die Täler neigen,
    Es dunkelt schon die Luft,
    Zwei Lerchen nur noch steigen
    Nachträumend in den Duft.

    Tritt her und laß sie schwirren,
    Bald ist es Schlafenszeit,
    Daß wir uns nicht verirren
    In dieser Einsamkeit.

    O weiter, stiller Friede!
    So tief im Abendrot ,
    Wie sind wir wandermüde –
    Ist das etwa der Tod?

    Eichendorff