SARS-CoV-2 ist inzwischen „endemisch“ geworden. Mit anderen Worten: Das Virus ist da und bleibt da. Aber: Die meisten Menschen in Deutschland sind inzwischen geimpft oder waren infiziert, es gibt nur noch wenige „immunnaive“ Menschen. Das ist spätestens seit dem Frühjahr bekannt, als das RKI den Anteil der Personen in Deutschland ohne jede Immunität auf 7 % geschätzt hat. Eine Zwischenauswertung der vom BMBF geförderten IMMUNEBRIDGE-Studie bestätigt jetzt den Befund.

Was das konkret für den Schutz gegen Infektion, schwere Verläufe oder für Infektionsschutzmaßnahmen in der nächsten Zeit bedeutet, ist eine wichtige Frage, sei aber hier einmal dahingestellt. Ich will nur kurz auf den Begriff des „Endemischen“ und eine Bewertung eines eigentlich klugen Menschen dazu eingehen. Der früher von mir wegen seiner im positiven Sinne querdenkerischen und medizinkritischen Veröffentlichungen geschätzte Gunter Frank definiert den Begriff bei seinen neuen Freunden auf der „Achse des Guten“ so:

„Endemisch heißt, die Immunität der Bevölkerung ist so hoch, dass kaum noch schwere Fälle auftreten können (Herdenimmunität). Zu gut Deutsch: Wir reden über einen Schnupfen.“

Das ist grober Unfug und Gunter Frank weiß das sicher auch. Ebola ist beispielsweise ganz sicher kein „Schnupfen“, auch wenn es „nur“ endemisch in West- und Zentralafrika auftritt. Für die Frage nach den schweren Verläufen sind die Schlussfolgerungen aus dem Immunitätsstatus der Bevölkerung in Verbindung mit der Pathogenität der umlaufenden Virusvarianten entscheidend. Darüber will ich wie gesagt hier nicht spekulieren, dazu sollen sich Fachleute positionieren, gerne auch kontrovers.

Frank hat auch dazu seine eigene Sicht:

„Wobei schwerst Erkrankte mit geschwächtem Immunsystem, wie Patienten im Endstadium Krebs oder sehr alte, multimorbide Patienten, auch an einem Schnupfen sterben können, was man allerding in der Kategorie natürlicher Tod oder Gnadentod einordnen muss.“

Der erste Teil seiner Aussage ist richtig, ist aber eben nur ein Teil der Antwort auf die Frage nach dem Risiko schwerer Verläufe, der zweite Teil seiner Aussage macht mich etwas sprachlos. Das ist noch viel zynischer als die seinerzeit viel kritisierte Aussage Boris Palmers, wir würden eh nur Menschen retten, die in einem halben Jahr tot wären. Gunter Frank formuliert hier in der Sprache der nationalsozialistischen Euthanasie. Ich hoffe, er überdenkt diesen Satz noch einmal. Genug Grips dazu hat er eigentlich.

Kommentare (5)

  1. #1 RPGNo1
    9. September 2022

    Wie kommt denn Herr Frank auf den Einfall, den medizinischen Begriff “Endemie” quasi par ordre du mufti umzudefinieren? Will er sich seine eigene Wissenschaft schaffen?

  2. #2 schorsch
    9. September 2022

    Ist von der ‘Achse des Guten’ eigentlich jemals eine(r) zurückgekommen? Oder ist die das Sterbezimmer des Verstands?

  3. #3 Ludger
    9. September 2022

    Gunter Frank:

    Kategorie natürlicher Tod oder Gnadentod

    Der Begriff “Natürlicher Tod” ist ein juristischer Begriff, zumindest in Deutschland. Das muss man auf einer Todesbescheinigung ankreuzen oder, wenn man das nicht bescheinigen kann, die Polizei rufen, damit die ggf.einen Schuldigen ermitteln kann. Die gemeinsame Nennung mit dem belasteten Begriff “Gnadentod” ist dazu völlig daneben.
    Im verschlossenen Teil der Todesbescheinigung muss der/die untersuchende Arzt/Ärztin eine Kausalkette nennen, die zum Tod geführt hat. Die Angaben “hohes Alter” oder “Herzstillstand” reichen nicht.
    Die Angaben “Covid-Pneumonie”, “Multiorganversagen”, “terminale Niereninsuffizienz” würden für eine natürliche Todesursache völlig ausreichen. Sie sagen aber nichts darüber aus, ob ein bis dahin gesunder Mensch mitten aus dem Leben gerissen wurde oder ob ein schwerst kranker Mensch der zusätzlichen Corona-Infektion zum Opfer gefallen ist. Daran ändert auch die zusätzliche Angabe von Begleiterkrankungen nichts.

  4. #4 rolak
    10. September 2022

    Ist es eigentlich angemessen, von Gnadentod zu sprechen, wenn gewisse QuerDenk und -Agier-Elemente aus dem Leben scheiden, uneigengnädig den Rest der Gesellschaft fürderhin verschonend?

  5. #5 Dieter Kief
    12. September 2022

    Der Dr. Gunter Frank ist ein Kurpfälzer und redet manchmal etwas lose. “Er meint es aber nicht bös’, iwo, Moppel”, um diesem Fall mit einer Redewendung aus der Trilogie des laufenden Schwachsinns ein wenig aufzuhelfen.
    Dass jemand seinen Tod als Gnade erlebt ist etwas, das der Dr. Luther selbst beim Kindstod zu vernehmen nicht anstund’, wie man früher noch in jedem zweiten evangelischen Pfarrhaus gesagt bekam.

    Heut’ gibt’s den Tod an einer Maschine; den Tod allein allein im Krankenzimmer; allein zuhaus’…Früher war kaum wer allein zuhaus’. Es war früher aber nicht alles besser, bzw. schlechter.
    Die Schreiber schwarzer Medizinal-Komödien war’n früher nicht schlechter – siehe Molières Der eingebildete Kranke, ein Geniestreich, der der erblühenden Neuzeit ein Glanzlicht aufzustecken vermochte, das uns noch heute heimleuchtet. Die “Hypochondrei” und der Besitzerstolz auf die eigene Krankheit bleiben nach getaner Lacharbeit des geneigten Publico als – Kadaver! auf der Bühne zurück!! Der eingebildete Kranke – eine strahlend helle Komödie, die die Herren Lauterbach und Drosten sowie die Doctora Berndt vermutlich “gischwenzt ham”, um in der Art des Datterichs schlussendlich noch darm-städterisch herumzustinken.
    Ich werde übrigens nicht nur hier gelegentlich zensiert, sondern bei Achgut auch. – Jeder wie er ‘s braucht, nedwahr. – Die Frau vom Doktor Luther soll einmal gesagt haben, die Kirche sei beim Gottesdienst ihres öh – : – Gatterichs, gleichsam, so voll gewesen, dass es gestunken habe… – Da fehle ich auch gern einmal.

    Item – die Natur zwingt uns zu leben, auch wenn wir leiden und gar nicht mehr leben wollen. Gott indes schenkt die Gnad’ – und durchaus auch die Gnad’ zu sterben in From des Gnadentods, das ist altbekannt.
    Ich erinnere mich, wie meine Urgroßmutter danach im Gebet zu streben im letzten Jahrhundert nicht müde wurde, als es mit ihr zuende ging.

     Der unleidige vergrätzte Beamte setzt sich gern an Gottes statt und beginnt mit seiner Stellvertreter-Macht, den Leuten auf der Seele zu liegen. Indem er “gnädelt”, so der Jeremias Gotthelf, wortmächtiger Pfarrer im CH-“Emmidal”. Damit, mit dieser kleingeistigen Selbstermächtigung der “gnädelnden” Staatsdienerschaft wurde im Emmental die Moderne eingeläutet, und mit derlei Anmaßungen haben wir es auch heute noch zu tun, wenn es z. B. um den Gnadentod geht.
    Die Gnade wird von diesen trockenen Gestalten nicht zuletzt flächendeckend verrechtlicht. Doch Vorsicht: Dieser Typus “lauft” in den Fußstapfen der göttlichen Gnade, obwohl er das meist gar nimmer weiß. Der bundesrepublikanische Staatstheoretiker Ernst Wolfgang Böckenförde, mit dem der Dr. Kuhn hier ja schon einmal sich zu beschäftigen nicht säumte, hat derlei fleißig angekreidet. Der Moderne, so der eigensinnige Melancholicus und ferne Dialogpartner Jeremias Gotthelfens,  eignet nicht zuletzt das Kainsmal der potentiellen Hybris. Vergisst sie ihr Herkommen aus der abendländisch-christlichen Tradition, wird der moderne Zeitgenosse in der verrechtlichen Welt zum Parasit – oder gar zum Kannibalen! – – genau jener traditionalen Gehalte, ohne die es ihn – nach Dr. Habermas nicht zuletzt (This Too a History of Philosophy, 2020) – – – gar nicht geben würde.
    Ein bitterer Witz eigentlich, den aber kaum wer versteht, wie es ‘cheint (um mit ‘elmut Kohl zu end’n  – ein weiterer Kurpfälzer wie – der eingangs als solcher gewürdigte Dr. Frank, nedwahr). So rundet sich hier “ein Kreis aus lauter Kreisen”, mit Dr. Adornos tief-circensischen Gedankenakrobatereien in die Schlußkurve zu biegen, wenn er, vom dunstigen Frankfurt aus besonders sommers sehnsüchtig sinnierend nach des geliebten und verehrten Datterichs Darmstadt blickte, weil dahinter, // wie Dr. Adorno zu rühmen nie versäumt’ / Mit dem Odenwälder Amorbach sein/ Sehnsuchtsort schlechthin/ – Selbst heut’! – in frischen Sommerlüften träumt…