Für einen Artikel (in den DMV-Mitteilungen) möchte ich folgendes Zitat verwenden:

Die Mengenlehre? Ganz einfach! Wenn in einem Raum drei sind und vier rausgehen, muss einer wieder rein, damit keiner drin ist.

Dieses Zitat hört und liest man öfter mal (z.B. bei Philipp Rösler) und wenn man mit Google nach dem Zitat sucht, dann findet man zahlreiche Seiten, auf denen der Satz zitiert und als Urheber Lothar Späth benannt wird. (Für die jüngeren Leser: Lothar Späth war von 1978 bis 1991 Ministerpräsident von Baden-Württemberg.)
Dazu paßt dann auch, dass man von Späths Kultusminister Gerhard Mayer-Vorfelder (späterer Präsident des Deutschen Fußballbundes) zahlreiche Äußerungen zur Mengenlehre findet, etwa

erst die Mengenlehre hat zum massiven Einsatz der Eltern als Nachhilfelehrer der Nation geführt. Viele Grundschulkinder sind überfordert, wenn sie mit der Mengenlehre traktiert werden. Die mengentheoretischen Ansätze, die durchaus Bedeutung haben für Informatik und Computertechnik, die werden in die weiterführenden Schulen verlagert, aufbauend auf dem soliden kleinen Einmaleins. Grundschule – das heißt: Beherrschung der Grundrechenarten und Beherrschung der deutschen Sprache, insbesondere der Orthographie. (1983 im SPIEGEL)

oder

er freue sich “von Herzen” über “das Aus für den pseudowissenschaftlichen Klimbim” (1984 im SPIEGEL),

“eine besondere Sumpfblüte der Bildungsreform“. Und von Späths parteiinternem Konkurrenten Manfred Rommel findet man das Zitat

„Sparen heißt, Geld, das man hat, nicht auszugeben. Bei uns geht es aber darum, Geld, das wir nicht haben, nicht auszugeben, und das nennt man Realismus. Ich darf dies vielleicht in der Sprache der Mengenlehre erläutern: Wenn man aus eine Kasse, in der 100 Mark drin sind, 300 Mark rausnimmt, muss man erst wieder 200 Mark reintun, damit nichts mehr drin ist.“

Das Problem mit all diesen Zitaten (mit Ausnahme des Mayer-Vorfelder-Interviews): man findet zwar zahlreiche “Nachweise” im Internet, aber nie eine präzise Angabe, wann und wo das Zitat gefallen sein soll; und die braucht man ja eigentlich, um das Zitat verwenden zu können.
Weiß vielleicht einer der Leser, wann das Späth-Zitat gefallen ist und in welchen Zusammenhang?

Kommentare (8)

  1. #1 Zitante Christa
    Niederrhein
    11. Juli 2020

    Ich würde da den (Falsch-)(Kuckucks-)Zitatforscher Gerald Krieghofer befragen:
    https://falschzitate.blogspot.com/
    auf twitter: @krieghofer

    Grüße von
    Zitante Christa
    https://www.zitante.de

  2. #2 Kai
    11. Juli 2020

    Irgendwie hat keines der Zitate irgendwas mit Mengenlehre zu tun 😀
    Kein Wunder das diese armen Politiker die Mengenlehre verteufeln, sie scheinen sie schlichtweg nicht verstanden zu haben.

  3. #3 Beobachter
    Nordbaden
    11. Juli 2020

    “Schön”, mal wieder die Namen der altbekannten lokalen schwarzen BW-Polit-Größen wie Späth, Mayer-Vorfelder, Rommel erwähnt zu sehen –
    was waren das noch für Zeiten, wo man noch ziemlich genau wusste, wo der politische Gegner zu verorten ist.
    Wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass wir es heutzutage und in diesem Ausmaß mit Vertretern einer Partei wie der AfD in den Landtagen und im Bundestag zu tun haben werden, ich hätte es nicht für möglich gehalten.
    Erschreckend, was heutzutage schon alles “normal” und salonfähig geworden ist … – auch und gerade in der Politik … !

    Wegen des Späth-Zitats kann ich leider nicht weiterhelfen.

  4. #4 Karl Mistelberger
    mistelberger.net
    12. Juli 2020

    Lothar Späth formulierte den 1. Hauptsatz der Politik: Liebe Wähler, Ihr könnt alles haben, nur zahlen müsst ihr es selber.

  5. #5 Ulrich Strauss
    Bonn
    12. Juli 2020

    Den Witz haben wir schon untereinander Anfang der 70-ger Jahre am Mathematischen Institut der Universität Bonn erzählt… “wenn jetzt einer reingeht, ist der Hörsaal wieder leer.” Er ist vermutlich noch wesentlich älter.

  6. #6 rolak
    12. Juli 2020

    schon .. Anfang der 70

    Schön erinnert, Ulrich, aber das Zitat dürfte selbst in dieser von mir zur Mehrdeutigkeit prokrustrierten Fassung des Zitates das Alter dieses PseudoParadoxons nicht einmal annähernd korrekt beschreiben (Studien altmesopotamischer Quellen dauern noch an).

    Doch darum ging es oben bei der im Artikel gestellten Frage überhaupt nicht, sondern einzig und allein um ‘gibt es einen Beleg dafür, daß das Cleverle diesen Satz gebracht hat und wo war das und wann war das?’

  7. #7 Gerald Fix
    12. Juli 2020

    Ich kann zum Späth-Zitat nichts sagen, aber zu Mayer-Vorfelders “erst die Mengenlehre hat zum massiven Einsatz der Eltern als Nachhilfelehrer der Nation geführt”. Das ist nach meiner Erinnerung falsch. Das Problem lag gerade darin, dass die meisten Eltern nicht mehr helfen konnten, weil sie von Mengenlehre noch nie etwas gehört hatten.

  8. #8 STEFAN WAGNER
    https://demystifikation.wordpress.com/
    14. Juli 2020

    Ich sage auch, das ist Rechnen, nicht Mengenlehre.

    Mengenlehre ist: Markieren sie alle Mengen, die sich nicht selbst als Element enthalten.