In der Topologie will man Räume durch Invarianten beschreiben, entweder numerische Invarianten (Zahlen) oder algebraische Invarianten (Gruppen, Ringe, Moduln). Riemann und Betti definierten im 19. Jahrhundert die k-Zusammenhangszahlen einer Varietät als die maximalen Anzahlen unabhängiger k-Zykeln (in dem Sinne dass keine Linearkombination der Zykeln ein Rand ist). Poincaré entwickelte 1895 erstmals eine Homologietheorie. Dafür nahm er an, dass Mannigfaltigkeiten trianguliert sind und definierte im Prinzip, was man heute als simpliziale Homologiegruppen bezeichnet. Allerdings betrachtete er sie nicht als Gruppen, sondern arbeitete mit den “Inzidenzmatrizen” (d.h. dem Randoperator) und gab ein Verfahren, um aus den Matrizen numerische Invarianten zu gewinnen, in heutiger Sprache die Betti-Zahlen als Rang der Homologiegruppen und die Torsionskoeffizienten.

Poincarés Definition funktionierte nur für Simplizialkomplexe. Eine Definition einer Homologietheorie für beliebige metrische Räume unternahm 1927 Leopold Vietoris. Einem metrischen Raum X und einem ε>0 ordnete er einen Simplizialkomplex zu, dessen Ecken die Punkte von X sind und wo Ecken einen Simplex bilden, wenn sie paarweise Abstand kleiner ε haben. Durch einen Grenzübergang für ε->0 bekam er seine Homologietheorie. Man kann seine Definition auf beliebige topologische Räume verallgemeinern, wenn man beliebige offene Überdeckungen (statt der Überdeckungen durch offene ε-Kugeln) betrachtet. Eine ähnliche Definition mittels offener Überdeckungen gab Eduard Čech, bei ihm erfolgte der Grenzübergang durch den projektiven Limes. Man stellte bald fest, dass Berechnungen der Vietoris-Homologie und der Čech-Homologie übereinstimmende Ergebnisse brachten, bewiesen wurde ihre Gleichheit aber erst 1952.

Diesen und einer ganzen Reihe weiterer Definitionen war gemeinsam, dass man dem Raum X auf komplizierte Weise zugeordnete Simplizialkomplexe und ihre simpliziale Homologie verwendet. Keine Homologie eines Simplizialkomplexes war dagegen die 1933 von Solomon Lefschetz definierte singuläre Homologie: er betrachtete den von allen singulären Simplizes (d.h. den stetigen Abbildungen eines Standardsimplex nach X) erzeugten Kettenkomplex und definierte singuläre Homologie als Homologie dieses Kettenkomplexes. Eine in verschiedener Hinsicht “bessere” Definition gab Samuel Eilenberg 1944. Der Unterschied zu Lefschetzs Definition war nur, dass er Simplizes mit geordneten Ecken statt wie Lefschetz – und wie die Definition simplizialer Homologie – orientierte Simplizes betrachtete, womit er ein technisches Problem in Lefschetzs Ansatz umgehen konnte.

Für “vernünftige” Räume stimmten die Berechnungen der singulären Homologie mit denen der Vietoris- und Čech-Homologie überein. Für manche “pathologischen” Räume war das aber nicht der Fall.

Samuel Eilenberg stammte aus der polnischen mathematischen Schule und hatte also hauptsächlich über mengentheoretische Topologie gearbeitet, aber schon vor dem Krieg auch eine Arbeit über die Wirkung der Fundamentalgruppe auf höheren Homotopiegruppen geschrieben. Nach Ausbruch des Krieges floh er in die USA und ging direkt nach Princeton, wo man ihm eine Stelle an der Universität Michigan vermittelte. In den USA arbeitete er dann mit Saunders MacLane und Norman Steenrod an der Algebraisierung der Topologie. Steenrod war ein einstiges Wunderkind, der seine mathematische Ausbildung mehrmals unterbrochen hatte, um als Industriedesigner zu arbeiten. MacLane hatte in Göttingen in Mathematischer Logik promoviert und danach mit Garrett Birkhoff ein Lehrbuch der Algebra geschrieben, durch das amerikanische Studenten die neue Algebra im Sinne Emmy Noethers lernen sollte. An der Columbia Universität arbeitete er als Direktor der Gruppe für angewandte Mathematik tagsüber über Luftabwehrsysteme und abends über Kategorientheorie.

Die Topologen machten sich schon länger algebraische Bilder geometrischer Situationen, die Idee des Funktors war vage vorhanden gewesen. Die Formulierung der Kategorientheorie machte diese Ideen präzise und fand bald konkrete Anwendungen in der algebraischen Topologie und später auch in anderen Gebieten. “General Theory of Natural Equivalences” von Eilenberg und MacLane, veröffentlicht 1945 in Transactions of the American Mathematical Society, wurde die grundlegende Arbeit zur Kategorientheorie, die sie manchmal auch “allgemeinen Unsinn” nannten. Damit meinten sie aber nicht die deutsche Bedeutung des Wortes Unsinn, sondern sie waren stolz auf die Allgemeingültigkeit ihres Zugangs unabhängig vom konkreten Sinn. Eines der anwendbaren Resultate ihrer Arbeit war der universelle Koeffizientensatz für Kohomologie. (Den universellen Koeffizientensatz für Homologie hatte Eduard Čech 1935 gefunden.) Dabei verwandten sie den Ext-Funktor, der ursprünglich von Baer zur Klassifikation der zentralen Erweiterungen von Gruppen eingeführt worden war.

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Kommentare (3)

  1. #1 Algebra Klausur
    2. Oktober 2020

    ( Komplex: Gruppen, Ringe, Moduln)

    Was ist ein Kettenkomplex?
    Eine Folge von Gruppen, die durch Abbildungen verkettet sind.

    Ist eine affine Gruppe eine Gruppe der Homologietheorie?
    Ja, wenn sie abelsch ist. Zu jeder abelschen Gruppe G gibt es eine eindeutig bestimmte Homologietheorie mit H0(P)=G.

    Ist jede affine Gruppe abelsch?
    Ist zum Beispiel die Menge Aff(1,R)={x->ax+b | a,b Element von R, a ungleich 0, R ist der Raum der reellen Zahlen} unter Hintereinanderausführung eine affine Gruppe, die abelsch ist?

  2. #2 Thilo
    2. Oktober 2020

    Nein.

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