Bei der letzten re:publica im Mai 2019 sprach Abraham Taherivand darüber, dass man Wissen vor Meinungen schützen müsse und dies Aufgabe der Wikipedia sei.

Wenn sich eine subjektive Meinung in einen Wikipedia-Artikel einschleicht, dann kann man sich darauf verlassen, dass sie von der Community kenntlich gemacht wird und dass darüber diskutiert wird, gestritten wird und nach Belegen gefragt wird.

Was er nicht sagte: funktionieren tut das nur durch die Diversität der Autorenschaft bei Wikipedia. (Was, um diesem Argument vorzubeugen, nicht bedeutet dass auch jede wissenschaftliche Außenseitermeinung bei Wikipedia gleichberechtigt dargestellt werden muß.)
Ein Fall, wo diese Diversität nicht gegeben ist, wird aktuell diskutiert, war aber eigentlich schon seit vielen Jahren bekannt. Immer wieder mal wurde darüber geschrieben, dass die kroatische Wikipedia von „Faschisten“ übernommen sei und diese alle ihnen mißliebigen Autoren aus der Wikipedia drängen würden.
Ein externer Experte hat jetzt einen Bericht über die kroatische Wikipedia verfaßt. Als Wurzel des Übels wird in diesem Bericht ausgemacht, dass es vier Wikipedias in serbokroatischer Sprache gibt: neben der serbokroatischen Wikipedia noch die serbische, kroatische und bosnische. (Immerhin keine montenegrinische.) Diese Struktur hätte es den Autoren ermöglicht, sich entlang der Linie politischer Parteien in unterschiedlichen Wikipedias zu organisieren, wodurch die notwendige Diversität nicht mehr gegeben war.

Es gibt neben der deutschen Wikipedia noch Wikipedias auf Plattdeutsch, Bairisch und Alemannisch sowie kleinere Wikipedias mit wenigen Tausend Artikeln auf Niedersächsisch, Rheinfränkisch, Ripuarisch und Pennsilfaanisch-Deitsch. Soweit ich weiß hat keine dieser Wikipedias eine politische Schieflage, es handelt sich eher um (meist von wenigen Autoren gestützte) Folklore. In den Nuller Jahren war die Wikimedia Foundation bei der Zulassung neuer Sprachstrukturen noch sehr großzügig, heute würde etwa eine sächsische Wikipedia wohl keine Chance auf Neuzulassung haben. Kleine Sprachversionen, die von sehr wenigen Autoren aufgebaut werden, sind auch aus anderen Gründen problematisch. Erst letztes Jahr fiel auf, dass die halbe schottische Wikipedia nicht auf Schottisch (Scots) geschrieben ist. Ein einzelner Autor – ein Schüler aus den USA, der kein schottischer Muttersprachler ist – hatte dort tausende Artikel geschrieben, indem er einfach Artikel auf Englisch verfaßte und dann mit Hilfe eines Wörterbuchs Wort für Wort in Schottisch übersetzte.

In der kroatischen Wikipedia ist ein Administrator, der als Hauptursache der Probleme identifiziert wurde (unter anderem weil er Autoren mit anderen politischen Einstellungen in seiner Funktion als Administrator sperren ließ) jetzt gesperrt worden und man hofft, dass sich die Probleme damit lösen lassen. Eine Diskussion (auf deutsch) dazu findet man beim Wikipedia-Kurier.

Die Mathematik ist übrigens in der serbischen und serbokroatischen Wikipedia besser ausgebaut als in der kroatischen, in der bosnischen scheint sie kaum vorhanden zu sein.

Kommentare (5)

  1. #1 Dr. Webbaer
    15. Juli 2021

    Tja, die einen so, die anderen so, manche meinen ja, dass in einigen Teilen der hier gemeinten bekannten Online-Enzyklopädie links-grün-gendernde Kräfte Hegemon geworden sind.
    Am Rande notiert :
    Fakten oder Tatsachen sind gemacht oder getätigt, die Etymologie ist hier klar; irgendwelche haben bestimmte Sachen oder Sachverhalte festgestellt, insofern kann es auch Fakten (oder Tatsachen) geben, die sich widersprechen, sozusagen alternative Fakten oder Datenlagen.
    (Und es kann dann schlecht darüber gestritten werden, fürwahr!)
    Der Naturwissenschaftler, der Richter, aber auch der in der Wirtschaft Tätige weiß hier sein diesbezüglich passendes Lied zu singen.
    “Wissen” ist oft auch (nur) Meinung; in der Tautologie, in der Mathematik, aber idR nicht, dort gibt es absolutes Wissen oder Wahrheit, korrekt.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

  2. #2 Dr. Webbaer
    15. Juli 2021

    Grundsätzlich ist es so, dass es bei den Südslawen Kroaten und Serben gibt, Serben zeichnen sich auch so aus :

    -> https://de.wikipedia.org/wiki/Serbien (‘Nach der im November 2006 in Kraft getretenen Verfassung wird die serbische Sprache in Serbien offiziell in kyrillischer Schrift geschrieben, wobei im Alltag und in den Medien auch die lateinische Form vielfach zur Anwendung kommt.’)

    Von Serbo-Kroatentum weiß der Schreiber dieser Zeilen, dass hier ein “Tito”-Konstrukt vorlag, Serben mögen u.a. die kyrillische Schrift, was sie von anderen Südslawen absetzt.

    Insofern ergibt sich bei unseren serbischen Freunden auch eine gewisse Russland-Nähe.
    Es gibt auch sogenannte Türken in jener Region, die nicht selten als Bosniaken, weil muslimischen Glaubens, beschrieben werden.
    Ein trans-jugoslawischer Bereich der Art “Serbo-kroatisch”, auch unsere muslimischen Freunde meinend, auch den netten Herrn Alija Izetbegović, könnte sozusagen tot sein.

    Vielleicht hilft dem werten hiesigen, wie auch international erfahrenem (“Südkorea”!) werten Herrn Inhaltegeber dies bei seiner Beschau der bekannten Online-Enzyklopädie samt Einschätzung.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

  3. #3 echt?
    15. Juli 2021

    Jedem Dorf seine Fahne!

  4. #4 Karl Mistelberger
    mistelberger.net
    16. Juli 2021

    In der guten alten Zeit gehörte ‘kaschubisch’ zum Wortschatz und war so gebräuchlich wie ‘spanisch’ und ‘chinesisch’.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Slawische_Sprachen

  5. #5 Dr. Webbaer
    17. Juli 2021

    Die “Edit-Wars” bei der Wikipedia sind grauenhaft, übel allerdings auch die einfache fachliche Diskussion, gerade auf Gebiet, auf dem Spezialisten sich auskennen und Administratoren se-ehr formal argumentieren und den Hang haben abzuwürgen, wenn ihre eigene Sicht nicht getroffen wird, die nicht selten fachlich nicht ganz richtig ist, dezent formuliert.
    Dr. Webbaer ist einem Bekannten mit seinen “kleinen” Diskussionen dort längere Zeit gefolgt, mittlerweile ist der so höchst abgenervt und wohl auch weggeekelt, leider, denn an sich ist die Wikipedia-Idee großartig.