Gestern abend war ich zu Gast bei dem genialen und rührigen Science Fiction und Fantasy-Autoren Robert Corvus. Er schreibt u. a. schon lange im Perry Rhodan-Universum und verfasst allein oder auch etwa mit Bernhard Hennen mehrere erfolgreiche Reihen, dazu findet Ihr mehr auf seiner Homepage. Neben Büchern und tollen Lesungen bietet er auch zwei Videokanäle an.

Gestern hatte er mich virtuell per Twitch in seinen Rabenhorst zu einer “Schreibzeichen”-Session eingeladen. Da wir uns von verschiedenen Veranstaltungen kennen, mir seine Vorträge über das Schreiben und Storytelling ganz ausgezeichnet gefallen und er immer ein sehr überaus interessanter Gesprächspartner mit sehr tiefem Wissen ist, habe ich gern zugesagt.

Wir haben uns in der einstündigen Sendung etwa eineinhalb Stunden über Wissenschaft und Forschung in der Science Fiction unterhalten, den gesellschaftspolitischen Impact von Star Trek, die Rolle der Wale in der SF, das Wesen der Wissenschaft, KI und Ethik, Maschinen-Bewußtsein und andere Themen von aktueller Bedeutung. Robert hat ein sehr gutes Interview-Konzept, das aus verschiedenen “Steilen Thesen”, Buchtipps und mehr besteht. Die Thesen fand ich gar nicht steil, sondern vielmehr absolut wissenschaftszentriert und topaktuell, dabei waren immerhin Zitate des Astrophysik-Titanen Carl Sagan.

seine epochale Arbeit Auf das Sagan-Zitat habe ich übrigens ziemlich umfangreich geantwortet und dabei Sagans Mit-Wissenschaftler im Apollo-Programm Joshua Lederberg vorgestellt. Lederberg beriet ebenfalls den US-amerikanischen Präsidenten, war in der Öffentlichkeit aber nahezu unbekannt. Dafür hat dieser geniale Denker, Mikrobiologe und Nobelpreisträger das Konzept der neuen Wissenschaftsdisziplin “Astrobiologie” brillant erdacht und 1965 in Nature seine epochale Arbeit “Signs of Life (Nature) auf wenigen Seiten publiziert (Lederberg, Joshua. “Signs of Life: Criterion System of Exobiology.” Nature 207, 4492 (3 July 1965): 9-13). Dazu habe ich hier und hier mehr geschrieben.

Viele Überlegungen der SF etwa zur rechtlichen Situation von Tieren und Maschinen, ob und wann eine KI Menschenrechte erhalten soll oder was Intelligenz, Bewußtsein und Empfindungsfähigkeit bedeuten sind etwa durch den legendären Isaac Asimov, viele Star Trek Next Generation-Folgen um den Androiden Data und die Maschinenwesen Borg sowie in vielen anderen SF-Szenarien etwa des Cyberpunk immer wieder beleuchtet und diskutiert worden.
Ein anderes mir wichtiges Thema war natürlich der Bereich der Climate Fiction, die sich mit zeitnahen Settings des Lebens in der Klimakrise beschäftigt (über Climate Fiction hatte ich hier ja umfassend berichtet). Damit bietet die SF die Möglichkeit, gegenwärtige Entwicklungen weiterzudenken und in verschiedenen Facetten durchzuspielen, oft sehr realitätsnah in zeitnahen Zukünften.

Bei der Twitch-Session hatten wir eine ganze Reihe von Zuhörenden, die im Chat interessante Fragen und Bemerkungen beisteuerten. Wie immer, war viel zu wenig Zeit, um alle Fragen zu beantworten und auf alles einzugehen. Gern beantworte ich weitere Fragen unter diesem Artikel oder auf Twitter (@Meertext). Das interessierte und interessante Publikum war jedenfalls eine Bereicherung!
Gespräche mit Robert machen mir immer sehr viel Spaß und dann haben wir gestern auch noch entdeckt, dass wir beide “Startide Rising” von David Brin lieben. Zu meinem Neid hat Robert eine von Brin signierte Ausgabe!
Ein absolut herausragender Roman, in dem eine Crew aus Menschen und gentechnisch gelifteten Delphinen gemeinsam in einem Raumschiff unterwegs ist.
Amüsant war, dass eine Chatterin mir Grüße von meiner grandiosen Friseurin ausrichtete – wir hatten gerade am Dienstag noch über Cosplay geplaudert, sie ist in der Szene sehr aktiv und wir haben da einige Berührungspunkte.

Aktuell und für 2 Wochen kann man die Aufzeichnung jetzt direkt auf Twitch anschauen, sie steht mittlerweile und permanent auf Roberts Youtube-Kanal.

Kommentare (8)

  1. #1 RPGNo1
    30. Juli 2021

    Das Gespräch ist vorgemerkt, um den Abend ruhig ausklingen zu lassen. 🙂

  2. #2 Dampier
    1. August 2021

    Toll. Ein Hochgenuss, sehr inspirierend! Gern mehr davon :))

    Was ich nicht ganz einordnen konnte, war dein Hinweis darauf, dass man beim Menschen wie bei Walen vom Artbegriff abrücken, und mehr in kulturellen Populationen denken solle. (So habe ich es zumindest verstanden). Mir wurde nicht ganz klar, worauf du damit hinaus wolltest bzw. was diese Sichtweise bei der Beurteilung des Menschen in seiner Umwelt für Vorteile haben könnte. Für mich droht da die ganz große Gefahr, dass man bei der Betrachtungsweise noch mehr das betont, was uns trennt, und das was wir alle gemeinsam haben, aus den Augen verlieren würde, was Rassisten und anderen, die gern ein ewiges “wir gegen die” propagieren, erst recht Vorschub geben würde. Das halte ich für sehr heikel.

    Magst du vielleicht nochmal erklären, was für dich an der Betrachtungsweise interessant wäre, und welche Vorteile es evtl. rein wissenschaftlich gesehen hätte, die Menschheit nicht als Einheit, sondern als ‘kulturelles Konglomerat’ zu betrachten? (gerade auch im Hinblick auf seine Zukunft)

    Das hat schon ne Menge interessanter implikationen, wenn ich das weiterdenke, aber ich würde gern erstmal sichergehen, ob ich dich da richtig verstanden habe, bevor ich mich in (noch unsortierten) Details verliere … 🙂

  3. #3 RPGNo1
    2. August 2021

    Ich konstantiere, dass Robert Corvus ein äußerst angenehmer Gastgeber war, der sich zudem sehr gut vorbereitet hat. Meinen Respekt an beide Seiten.

  4. #4 Bettina Wurche
    2. August 2021

    @Dampier: Bei Walen und anderen Tieren müssen für das Management/den Schutz die einzelnen Populationen betrachtet werden, die sich durch Regionalität und/oder Kultur abgrenzen, weil das die ausschlaggebenden Fortpflanzungsbestände sind. So haben wir in deutschen Gewässern etwa unterschiedliche Kabeljau-, Herings- und Schweinswalbestände, die untereinander abgegrenzt sind z. B. durch unterschiedliche Fortpflanzungsgebiete. Die drei Schweinswalpopulationen haben unterschiedliche Lautrepertoires, die beiden Populationen der Ostsee vermischen sich nicht miteinander. Natur- und WalschützerInnen fordern darum unbedingt ein Management-Pläne für jede Population, die der Zentralen Ostsee (Proper Baltic) ist unmittelbar vom Aussterben bedroht.
    Das Klöckner-Ministerium hingegen weigert sich, zählte alle Populationen zusammen und steht auf dem Standpunkt, dass die Art Phocoena phocoena an sich nicht gefährdet ist. Die Meeresfauna in Nordatlantik und Randmeeren (und Nordpazifik) hat sich nach der Eiszeit so verteilt und die neu dazugewonnen Lebensräume erobert, wahrscheinlich erleben wir mit diesen Populationen, den Ökomorphotypen und den Kulturen) wahrscheinlich gerade die Herausbildung neuer Unterarten.
    Bei Orcas wird das noch deutlicher, weil ihre unterschiedlichen Jagdmethoden und Beutespektren als Kultur innerhalb jeder Population weitergegeben wird.

    Auf den Menschen übertragen, ist zu befürchten, dass durch den Klimawandel einige Kulturen ihren Lebensraum verlieren werden: Dazu gehören vor allem eher traditionell lebende Communities wie einige pazifische Inselstaaten oder arktische indigene Völker. Im Südpazifik versinken ja gerade einige Inseln wie Tuvalu und Kiribati, die damit auch einen Teil ihrer Kultur verlieren werden, selbst wenn sie in Australien oder Neuseeland Klimaasyl finden werden. Arktische Völker, die etwa traditionell Rentierzüchter auf Permafrostböden sind oder auf dem Eis leben, verlieren auch gerade ihre Lebensgrundlage und damit wichtige Teile ihrer Kultur.
    Ich glaube allerdings, dass ich die Betrachtung menschlicher Kulturen aus dem Interview hätte heraushalten sollen – ich bin Zoologin und sollte das eher Anthropologen und Soziologen überlassen. Eigentlich wollte ich von dem negativ belegten Begriff der “Rasse” weg, zum eher positiv belegten “Kultur”.
    Das ist mir aber nicht gut gelungen, ich hätte das besser weggelassen. De facto habe ich mit dem Begriff der “Rassen” auch bei Star Trek ein Problem, man hätte das besser als “Völker” oder vielleicht mit einem noch wertneutraleren Begriff beschreiben sollen. Eigentlich wäre das mal ein interessantes Thema für eine Diskussion! SF ist schließlich divers und sollte genau diese alten rassistischen Schlagworte und Strukturen neu und besser denken! Dafür gibt es ja schließlich schon länger den Afrofuturismus und auch sexuell diverse Universen, die ich für absolut zeitgemäß und wichtig halte.
    Deine Details waren übrigens sortierter als meine unausgegorenen Gedanken dazu : )

  5. #5 Bettina Wurche
    2. August 2021

    @RPGNo1: Danke! Robert Corvus ist ein wirklich scharfsinniger, beeindruckend gebildeter und auch sehr angenehmer Gesprächspartner. Er macht oft Panels zum Schreiben von SF, wie man Charaktere anlegt, Schiffe konstruiert und diese ganzen Details halt professionell angeht oder gibt Lesungen und Diskussionen. Ich hatte da ein Podiumsgespräch von ihm mit Bernhard Hennen erlebt, das einfach nur grandios war. Und das Thema KI müssen wir noch viel häufiger und breiter besprechen und es auch in die Öffentlichkeit bringen, da sollten auch noch ganz andere GesprächspartnerInnen dazu eingeladen werden.
    Sowie wir das hinbekommen haben, schreibe ich hier darüber, wir haben da vielleicht etwas in Planung : )

  6. #6 stone1
    3. August 2021

    @Bettina Wurche

    und er immer ein sehr überaus interessanter Gesprächspartner mit sehr tiefem Wissen ist

    Interessante Steigerungsform, man merkt, dass Du von diesem Autor begeistert bist. 😉

  7. #8 Bettina Wurche
    31. August 2021

    @RPGNo1: Danke, das hört sich spannend an!