Der Krebs ist zurück. Keine vier Tage ist es her, dass ich noch den total positiven Bericht zu meinem Jahrestag geschrieben habe und mich freute, dass bei mir als Musterpatient alles den nahezu idealen Verlauf nimmt. Nun sitze ich wieder im Krankenhaus mit der nahezu sicheren Diagnose, dass da wieder Krebszellen in meinem Blut herumschwimmen.

Dabei heißt nahezu sichere Diagnose hauptsächlich, dass die Knochenmarkspunktion noch nicht lange her ist und die Ergebnisse Tage (bzw. Wochen) brauchen, bis sie vernünftig ausgewertet worden sind. Ganz konkret hat die genetische Untersuchung qualitativ ergeben, dass da Krebszellen sind, aber die quantitative Analyse ist noch nicht vollständig. Dabei geht es um die sog. MRD, die minimale residuale Resterkrankung. Stark vereinfacht ausgedrückt, sagt sie etwas über das Verhältnis von Krebszellen zu gesunden Zellen aus und ein negatives Ergebnis, also unter der Nachweisschwelle von 10^-5, kann im Allgemeinen so interpretiert werden, dass der Krebs entweder stark zurückgedrängt und dormant oder sogar vollständig besiegt ist.

Ein hoher Wert im einstelligen Prozentbereich würde bedeuten, dass der Krebs mit einiger Gewalt wieder zurück ist und man quasi wieder eine Chemotherapie, in der ein oder anderen Form, anfangen muss. Bei Patienten, die schon Stammzellen transplantiert bekommen haben, muss man dann zusätzlich auch noch gucken, wie das ganze mit dem Graft-System zusammen arbeitet. Das wäre dann auch noch mal eine ganz eigene Sache, denn das neue Immunsystem ist ja eigentlich dazu da, das alte mitsamt dessen Krebs zu bekämpfen. Tja, mal gucken, was es so wird.

Mein aktuelles Verhältnis von gesunden zu kranken Zellen ist ca: 1:8,4*10-4 bei einem Chimärismus von 99%. Das ist beides sehr nahe an der Nachweisgrenze (Chimerismus min. +-1%) und daher so die “sanfteste” Wiederkehr, die sich die Krebszellen hätten aussuchen können. Bei der Knochenmarkentnahme ist auch aufgefallen, dass relativ wenig Knochenmark selber vorhanden ist. Das spricht wiederum vielleicht für eine Schwäche des Grafts und/oder eine gerade überstandene Infektion, die die körpereigenen Reserven (welche nach der Stammzellentransplantation sowieso nicht sonderlich stark vorhanden sind) dezimiert bzw. aufgebraucht hat.

Tja, langer Rede kurzer Sinn, der erste Schritt ist jetzt, mein neues Immunsystem auf Vordermann und zum Arbeiten zu bringen. Das würde dann schon mal bei vielen Dingen helfen. Zeitgleich bekomme ich wieder mein schönes Designermedikament (Imatinib). Das ist kein richtiges Chemomedikament, sondern ein Tyrosinkinase-Inhibitor. Das heißt, dass es bei den Philadelphia-positiven Chromosomen in den Zellstoffwechsel eingreift und dort die (Krebs)Zellen unschädlich macht, aber im Allgemeinen andere gesunde Zellen in Ruhe lässt. Von dieser Art der Medikamente gibt es mittlerweile auch schon eine zweite und dritte Generation, aber da die alten bei mir ganz gut gewirkt und sich die Nachwirkungen in Grenzen gehalten haben, bleiben wir erst mal beim Bewährten.

Damit sollte sich dann kurzfristig alles wieder unter Kontrolle bekommen lassen, falls nicht noch was anderes mit dazu kommt. Ein großer Rückschlag ist es natürlich schon in zweierlei Hinsicht. Zum einen steigt das spätere Risiko, wieder in ein Rezidiv zu kommen, an, ungefähr auf das doppelte und zum anderen war ich gerade an dem tollen Punkt, wo ich gedacht hatte, das Schlimmste überstanden zu haben. Wie man ja an meinem Jahresjubiläumsartikel von vor ein paar Tagen sehen kann, war ich guter Zuversicht, den steinigen Teil des Weges soweit hinter mir gelassen und in ruhigeres Fahrwasser gekommen zu sein. Tja, damit wird’s jetzt erst mal nichts und der ganze Zinnober geht noch mal in die Verlängerung. Naja, dafür haben wir ja gerade noch mal wieder Kraft tanken und ein wenig Power schöpfen können. Also, auf auf.

 

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Kommentare (18)

  1. #1 CArsten
    6. Juni 2019

    Och Mist, da fällt mir nur Monty Python ein:

    “F*** the f***ing F***ers”
    (Quelle: Monty Python, The Usage Of F*** Lyrics, Sternchen von mir)

    Ich hoffe, dass das emotionale Loch jetzt nicht zu groß/tief wird…

  2. #2 RPGNo1
    6. Juni 2019

    Dazu fällt mir jetzt nur ein: Verdammte Sch****!

    Dann kann ich dir jetzt nur noch wünschen, dass die nachfolgenden Therapien anschlagen.

  3. #3 zimtspinne
    6. Juni 2019

    Oh nein, das ist riesengroßer Mist und dazu fällt mir auch nicht tröstliches, aufbauendes oder sinnvolles ein, das würde alles banal nach Geschwätz kligen.

    habe es dir so sehr gewünscht, auch ein bisschen aus reinem Egoismus.
    Du bist hier einfach immer gerne gelesen, so authentisch und sympathisch, ich hab immer das Gefühl, dabei zu sein und dir über die Schulter zu gucken bei deinen Berichten.

    Ich hoffe natürlich auch irgendwie insgeheim, es ist doch ein Fehlalarm und kein Rezidiv…. wie alle hier wahrscheinlich.

  4. #4 JW
    6. Juni 2019

    Meist! Und ich habe nicht genug Daumen zum drücken. Vielleicht liegt das schlechte Verhältnis wirklich nur am etwas müden neuen Immunsystem.

  5. #5 zimtspinne
    6. Juni 2019

    Blöd drauflos getippt vorhin, kleine Korrektur, wie es gemeint war:
    Ich hab dir gewünscht, es im ersten Durchlauf zu schaffen, ohne Verlängerung.

  6. #6 UMa
    6. Juni 2019

    Hallo Tobias,

    Oh Mann! Gerade wollte ich Dich beglückwünschen, dass es jetzt zum Jahrestag so viel besser geworden ist und dann das.

    Ich drücke Dir ganz fest die Daumen, dass es sich durch das Medikament wieder unter Kontrolle bekommen lässt. Alles Gute!

  7. #7 Tobias Cronert
    6. Juni 2019

    Danke für die ganzen Daumen. Das bekommen wir schon hin. Ich bin jetzt erst mal voll mit Kortison und heiß drauf Dinge zu tun … leider darf ich nicht aus dem Zimmer raus. Mal gucken, wie ich den Aktionismus sinnvoll kanalisieren kann. Ich habe da schon die ein oder andere Idee 🙂

  8. #8 stone1
    6. Juni 2019

    Oh shit. Hab gerade erst den ‘Jahresbericht’ gelesen und schwupps taucht schon wieder ein Leukämie-Blogartikel auf.
    Hoffentlich lässt sich dieses unerwartete Wiederauftauchen der fiesen Zellen rasch in den Griff bekommen. Noch zwei zergedrückte Daumen für dich.

  9. #9 Peter K.
    Titz
    6. Juni 2019

    Das klingt jetzt sehr bescheiden. Tatsächlich war ich ziemlich erschrocken als ich den Titel des neuen Threads las. Aber ich denke, auch formal niedrige Chancen sind und bleiben individuelle Chancen. Ph+ ALL ist natürlich eine Schweinediagnose. Bleib standhaft und denk’ dran, wir alle hier schätzen Dich und Deine Artikel.
    Alles Gute
    Peter

  10. #10 Jens W.
    Bonn
    6. Juni 2019

    Was für ein verdammter Mist!
    Wir drücken dir alle Daumen.

  11. #11 Minkowsky
    6. Juni 2019

    Hallo Herr Cronert,

    so ein Mist. Ich drücke Ihnen die Daumen.

    Vielleicht nur Wunschdenken aber so nahe an der Nachweisgrenze könnte es sich doch auch um ein
    falsch-positives Testresultat handeln ?

    Alles Gute.

  12. #12 Tim
    6. Juni 2019

    Das klingt schlimm, aber das wird schon wieder. Auch wenn es übel ist, jetzt neue Chemo-Zyklen zu beginnen *würg*.

    Kortison: unbedingt mögliche Nebenwirkungen im Auge behalten (z.B. Nekrosen) und vorsorglich prüfen lassen! Da kann man sich sehr viel Ärger sparen!

  13. #13 zimtspinne
    6. Juni 2019

    @ TKI ist keine Chemo. Sollte wesentlich verträglicher sein.

    Tobias, hattest du das schon mal genommen und hast du es gut vertragen? Du hast auch die Tabletteneinnahme, oder?
    Cousine meiner Mom mit CML hatte diese Tabletten-TKI als Erhaltungstherapie sehr lange, mindestens zwei Jahre, noch länger sogar glaub ich, mit später reduzierter Dosis. Sie sollte das sogar lebenslang einnehmen bzw solange es wirkt, kam dann aber zufällig zu einer Onkovertretung und die empfahl, es mal abzusetzen und abzuwarten. Sie ist weiterhin in Remission. Kann auch jederzeit damit weitermachen, falls sich wieder Tumoraktivität zeigt.
    CML ist absolut nicht vergleichbar mit deiner Krebsart, aber ich denke, mit dem Medikament hast du einen guten Pfeil im Köcher, besser als diese hässlichen^^ Hochdosischemos.
    Ich wusste gar nicht, dass das auch bei akuten Formen eingesetzt wird.

  14. #14 Tobias Cronert
    6. Juni 2019

    Die Diagnose wird vom Knochenmark und Blut gemacht und die jeweils verschiedenen Test sind in verschiedenen Labors in ganz Deutschland. Ein Ergebniss könnte mal daneben liegen, aber alle 5 Tests … soviel Glück gibt es nicht 😉

    Bislang sieht es noch so aus, als würde ich um eine neue Chemostufe herumkommen, weil die TKI, eben ausreichen. Die funktionieren halt bei dem Philadelphia ganz gut und ich hatte sie in der Vorbereitung auch gut vertragen. Sprich in TKI und dem neuen Immunsystem liegt jetzt erst mal die Hoffnung, bevor heftigere Geschütze aufgefahren werden müssten.

  15. #15 noch'n Flo
    Schoggiland
    7. Juni 2019

    Oh, was für eine Sch…..! Das tut mir so leid für Dich, Du warst doch noch vor wenigen Tagen so voller Zuversicht – und jetzt sowas.

    Ich drücke ganz fest Daumen und Grosszehen bis zur Schmerzgrenze, dass alles gut wird.

  16. #16 Bernhard
    7. Juni 2019

    Noch mehr sehr fest gedrückte Daumen.

  17. #17 Barthel
    8. Juni 2019

    Auch von mir alles Gute!
    Das ist keine schöne Nachricht.

  18. #18 Eve
    10. Juni 2019

    Toi, toi ,toi dass die Behandlung gut anschlägt. Bleibe so optimistisch…