Diese moderne Legende hat alles, was man sich nur wünschen kann. Ein kleines Mädchen, eine Atombombe, einen tragischen Tod durch Leukämie und den berühmtesten Physiker der Welt mit Yukawa-Potential. Sadako Sasaki war ein zweijähriges Mädchen, das knapp 2 km von der Abwurfstelle entfernt war, als die Atombombe auf Hiroshima fiel. Sie überlebte die Explosion zusammen mit dem Großteil ihrer Familie und wuchs zu einem 12jährigen Schulmädchen mit einer Vorliebe für Laufsport heran. Mit 12 Jahren bekam sie Leukämie und wurde ins Krankenhaus eingeliefert, wo man feststellte, dass sie aufgrund der damals noch fehlenden therapeutischen Möglichkeiten binnen eines halben Jahres mit ziemlicher Sicherheit sterben würde.

Nun gehen die modernen Legenden ein wenig auseinander. In manchen Versionen hatte sie eine Zimmernachbarin und Freundin, für die sie die ersten Kraniche faltete und in anderen Versionen versuchte sie, sich selber diesen Wunsch zu erfüllen. Gemeinsam haben allerdings alle Geschichten, dass man ihr erzählte, dass wenn man 1000 Origami-Kraniche falten würde, einen Wunsch frei hätte und sie sich dieser Aufgabe angenommen hatte. Gemeinsam haben auch alle Geschichten, dass sie sich selber diesen Wunsch niemals erfüllen konnte und an ihrer strahleninduzierten Krankheit gestorben ist, bevor sie mit den 1000 Kranichen fertig wurde.

Trotzdem oder gerade deswegen hat ihre Geschichte so viele Menschen bewegt, dass sich während ihrer letzten Lebenstage und darüber hinaus viele Menschen für sie engagiert haben und sie so zu einem Sinnbild für die Schrecken und Hoffnungen des Atomaren Zeitalters geworden ist. Ihre Eltern hatten ihr einen echten Kimono anfertigen lassen, eine Ehre, die normalerweise nur älteren Töchtern vorbehalten war und ihre Mitschüler haben nicht nur die 1000 Kraniche fertig gefaltet, damit diese ihr in den Sarg gelegt werden konnten, sondern darüber hinaus auch eine einzigartige Spendenaktion ins Leben gerufen, um ihr und ihrem Leben ein würdiges Denkmal zu setzen.

Frucht dieser Spendenaktion ist das Kinderfriedensmonument im Friedenspark von Hiroshima. Eine Kuppel mit der Statue eines Mädchens, das einen Kranich fliegen lässt. In der Kuppel steht auf einer Plakette die Inschrift これはぼくらの叫びです これは私たちの祈りです 世界に平和をきずくための (Kore wa bokura no sakebi desu. Kore wa watashitachi no inori desu. Sekai ni heiwa o kizuku tame no). “This is our cry, this is our prayer: for building peace in the world” und unter der Kuppel ist ein Metall-Origami-Kranich mit einer Friedensglocke aufgehängt. Letztere wurden von dem japanischen Nobelpreisträger Hideki Yukawa gespendet, den ich vor allem durch das nach ihm benannte Yukawa-Potential kennen gelernt habe, das mich doch stark während meines letzten Studienjahres und der Abschlussarbeit begleitet hat.

Auch heute noch können Kinder aus aller Welt Origami-Kraniche zum Kinderfriedensmonument schicken, die in Glaskästen drum herum aufbewahrt und gepflegt werden. Die damit verbundenen Zeremonien stehe für die Hoffnung auf Frieden in der Welt und dass nie wieder Atombomben eingesetzt werden.

Selbst ohne einen persönlichen Bezug wäre das durchaus eine Geschichte, die ich in meinem Blog hätte veröffentlichen können, aber nicht nur Sadako Sasaki hat verrückte und engagierte Freunde, sondern ich ebenfalls. Gut, das ist nun nichts neues, aber diesmal haben sie es wieder deutlich übertrieben und mir 999 Origami-Kraniche geschenkt, damit ich für meinen Wunsch nur noch den 1000sendsten fertig falten musste. Was ich mir gewünscht habe, darf ich hier natürlich nicht verraten, aber ich bin unendlich dankbar für diese Gelegenheit, die ich ohne diese immense Unterstützung niemals gehabt hätte. Jetzt habe ich aber die ganze Bude voll mit Origami Kranichen, was für einen Deko-Muffel, wie mich schon echt was neues ist… aber mal ehrlich es gibt wenig Deko, die passender für den Neutronenphysiker mit Leukämie wäre als eine Horde Origami-Kraniche, oder nicht?

Kommentare (5)

  1. #1 René
    6. August 2020

    Wie cool! Sehr bewegend und am Ende einen herzlichen Lacher wert! Viel Vergnügen mit Deinen Kranichen, und gib fein Acht, dass sie nicht zu schnell verstauben. ツ

  2. #2 Benji
    6. August 2020

    Das ist so unfassbar süß 🙂

  3. #3 Bernd
    6. August 2020

    Kurz bevor man scienceblogs abschreibt und sich hier nur langweilt und Schrott-Beiträge lesen muss, kommt der Tobias mit einem Beitrag oder der Aldermarin.

    Die beiden reißen echt recht raus.

    Bitte weitermachen 😀

    Der Rest möge sich eine Scheibe abschneiden und nicht in Bedeutungslosigkeit versiechen.
    Die Hirnfürze manch eines YT-Influencers sind da erträglicher.

    Ausnahme, die Crypto Beiträge. Interessiert mich zwar nicht, aber gut geschrieben.

  4. #4 Tobias Cronert
    7. August 2020

    Vielen Dank für die Blumen … wie gesagt gebürt das meiste daran meinem verrückten Freundeskreis.

  5. #5 Verena
    Köln
    7. August 2020

    Das ist unfassbar großartig! Ich wünsche Dir von ganzem Herzen, dass Dein Wunsch in Erfüllung geht!
    お大事にトビアスさん!
    Liebe Grüße,
    Eine stille Mitleserin (die mit dem Geigerzähler im Flugzeug).